In der aktuellen EMMA

Giulia Gwinn: Die Kapitänin

Giulia Gwinn, die Kapitänin der deutschen Fußball-Nationalmanschaft, möchte ihr Team ins EM-Finale führen. - Foto: Jan Hübner/IMAGO
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Giulia Gwinn ist gerade mal sechs Jahre alt, als sie beschließt, Fußballstar zu werden. Sie schreibt ihren Wunsch auf einen Zettel, verstaut ihn im Schrank der Großmutter in einer Schachtel, die zur Zeitkapsel werden sollte. Jahre später, so erzählt sie es in ihrer Autobiografie, findet sie die Schachtel wieder. Da ist aus dem Kinderwunsch längst Realität geworden.

Inzwischen zählt Giulia Gwinn, 25, tatsächlich zu den besten Fußballerinnen Deutschlands. Mit dem FC Bayern, seit 2019 ihr Verein, hat sie in dieser Saison ihre vierte Meisterschaft und erstmals den DFB-Pokal gewonnen. Bei Olympia in Paris holte sie mit dem deutschen Nationalteam Bronze. Seit Februar ist Gwinn nun die Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft und soll als solche Deutschland bei der EM ins Finale führen. 

Die Fußstapfen, die sie ausfüllen muss, sind groß. Giulia Gwinn folgt schließlich auf Alexandra Popp. Gwinn ist zurückhaltender als „Poppi“, aber eine „emotionale Leaderin“ will auch sie sein. So wie ihr Vorbild Bastian Schweinsteiger. Warum gerade Schweini?  „Weil er verkörpert, wie es ist, wenn jemand sich zerreißt für die Mannschaft – auch wenn alle Knochen weh tun“, sagt sie. Mit Schmerzen kennt sie sich aus. Zwei Kreuzbandrisse prägen ihre Geschichte. 2020 ist sie für 397 Tage raus, 2022 sind es 322 Tage. Aber die Rückschläge haben sie reifer gemacht. „Ich glaube, dass ich noch mal an Selbstvertrauen gewonnen und eine ganz andere Selbstsicherheit auf dem Platz entwickelt habe“, sagt sie. 

Gwinns weitere Spezialität? Elfmeter. Noch nie (!) hat sie in einem Pflichtspiel vom Punkt verschossen. Und Treffsicherheit hat sie auch neben dem Platz. Da sagt sie den DFB-Funktionären schon mal, dass sie nicht genug für den Frauenfußball machen und gefälligst beim DFB-Pokal-Halbfinale anwesend sein könnten. Gwinn hat auf Instagram über eine halbe Million Follower. Ihre Kritik wird gehört. 

Begonnen hat für Giulia alles auf dem Bolzplatz ihres Heimatortes in der Nähe von Friedrichshafen am Bodensee. Weil es in der Umgebung keine Mädchen-Teams gibt, spielt sie mit den Jungs, inklusive nerviger Sprüche gegnerischer Spieler und deren Eltern. Nicht, weil sie nicht kicken konnte, sondern gerade, weil sie es konnte. Von den Einschüchterungen lässt sie sich nicht unterkriegen. Mit 16 schafft sie es in die Frauen-Bundesliga zum SC Freiburg. 

Ihre Eltern sind bei jedem Spiel dabei und für ihre Fan-Outfits bekannt

Der Umzug ins Internat wird zur Herausforderung – Gwinn ist ein absoluter Familienmensch. Seit ihren Anfängen im Verein sind ihre Eltern ihre größten Unterstützer. Je weiter Gwinn aufsteigt, desto mehr dreht sich alles um sie. Dabei hat sie noch einen zwei und einen fünf Jahre älteren Bruder sowie eine 17 Jahre ältere Schwester. Die Eltern führen einen Kfz-Betrieb mit Tankstelle, aber Vater Florian und Mutter Gabi fahren die Tochter zu jedem Training. 

Sie kommen bis heute zu ihren Spielen. „Meine Eltern haben viel auf sich genommen“, schwärmt Gwinn. Die Eltern sind mittlerweile selbst bekannt für ihre auffälligen Fan-Outfits. Statt in den Urlaub geht es mit dem Wohnmobil der Tochter hinterher. Und dieses Jahr geht es in die Schweiz zur Europameisterschaft. Giulia Gwinn wird dort besonders im Fokus stehen, als Anführerin in einer Phase des Umbruchs der Nationalmannschaft. Und, so die Hoffnung, als Anwärterin auf den neunten EM-Titel für die DFB-Frauen.  

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