Cinzia Sciuto: Wir sind gleich

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"Identität“ ist eines der am meisten gebrauchten und missbrauchten Wörter unserer Zeit. Alle reden über Identität, aber niemand kann sie genau definieren. De-finieren kommt aus dem Lateinischen und heißt dem Wortsinn nach be-grenzen, Grenzen setzen. Um etwas definieren zu können, müssen wir Grenzen setzen. Das ist bei dem Konzept „Identität“ schwierig.

Die Identität eines jeden Menschen ist in ständiger Bewegung, und die Reduzierung auf einen einzigen Stein dieses Mosaiks bedeutet, diese Komplexität zu leugnen, ihn letztendlich in seiner Würde als Gesamtperson zu verletzen. Denn nichts anderes machen die sogenannten identitären Bewegungen und die religiösen Fundamentalisten: Sie behandeln die Menschen nicht als Individuen, sondern stecken sie in Schubladen und betrachten sie nur als Teil einer einzigen Gruppe.

Auch progressive politische Strömungen sind nicht davor gefeit, die komplexe Identität einer Person auf nur eines ihrer Elemente zu reduzieren. So wurde Ende der Achtzigerjahre der Ausdruck „gay community“ langsam durch die Abkürzung LGB – für „lesbian, gay and bisexual“ – ersetzt. Das klang inklusiver. Wenig später kam noch ein T dazu, um auch die Transmenschen einzuschließen. Inzwischen gehören auch ein Q für „queer“, ein I für Intersexuelle und ein A für

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