IHK-Präsidentin: Die Erste

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Frau Grünewald, nach 222 Jahren der Kölner Industrie- und Handelskammer sind Sie die erste Frau an der Spitze. Wie war Ihr Weg dorthin?
Steinig! Vor zehn Jahren war ich bereits die erste Frau im Präsidium. Das war damals schon ein großes Thema, weil es kaum Frauen in den Kammergremien gab. Ein Artikel über mich trug den Titel „Dekopflanze im Männerclub“ – wenig schmeichelhaft! Wir wenigen Unternehmerinnen in der Vollversammlung haben dann den „Frauen-Business-Tag“ gegründet, um Frauen in der Wirtschaft sichtbarer zu machen und uns besser zu vernetzen.

Im Januar 2020 haben Sie sich bei der Wahl für die Präsidentschaft mit 43 zu 39 Stimmen durchgesetzt. Ihr Vorgänger war sich seiner Wiederwahl sehr sicher gewesen. Ein „Erdbeben“, hieß es. Es war die Abwahl des Establishments …
Ja, es gab schon einige, die geschockt waren. Auch mein Team aus der Wahlinitiative „NewKammer“ konnte es kaum glauben. Ich selbst habe daran geglaubt. Wenn ich es nicht wirklich gewollt hätte und keine Chance gesehen hätte, wäre ich nicht angetreten. Mit mir sind jetzt viele neue Gesichter im Präsidium, wir haben viel vor.

Was haben Sie denn vor?
Wir wollen effizienter werden und die Mitgliedsbeiträge senken. Wir möchten uns öffnen und die Region stärker machen. Es muss mehr Miteinander geben. Außerdem müssen wir unsere Themen besser in die Politik tragen. Und ich werde das Thema Frauen und Wirtschaft in Einklang bringen.

Es gibt Gegenwind. Sie hätten Ihre Befugnisse überschritten, hieß es. Zum Beispiel mit der Nutzung unzulässiger E-Mail-Programme …
Wir konnten alle Vorwürfe in einer Sondersitzung widerlegen. Fakt ist: Einige wollen mich nicht in diesem Amt haben. Ich stehe für Reformen, und ich bin hartnäckig.

Die Kölner IHK gäbe auch Stoff für einen Krimi her: Männerbünde, Intrigen, Machtkämpfe. Die Lokalpresse beschreibt die Kammer als einen „rheinischen Denver-Clan“ …
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IHK haben in der Corona-Krise in Sonderschichten gearbeitet, um unsere Mitgliedsunternehmen vor der Pleite zu bewahren und um – trotz schwierigster Bedingungen – Prüfungen für Azubis zu organisieren. Wir wollen jetzt vernünftig arbeiten und haben keine Zeit für Grabenkämpfe.

Sie haben Rückendeckung aus dem Mittelstand, von dem Sie sehr für Ihr Corona-Management gelobt worden sind.
Das Gute ist, dass der Großteil der IHK-Mitglieder, zu denen ja immer wieder neue Leute hinzustoßen, Reformen und mehr Transparenz will. In der IHK stehen dringend Veränderungen an. Nur ein Beispiel: Wir haben jährliche Portokosten von fast einer Million Euro. Bislang wurde hier die Digitalisierung nicht effizient vorangetrieben. Wir können viele überflüssige Kosten sparen und dann hoffentlich die Mitgliedsbeiträge senken. Die Corona-Krise hat uns allerdings etwas zurückgeworfen.

Wieviel Angriffsfläche bietet die Tatsache, dass Sie eine Frau sind?
Ich trage zum Beispiel gerne Kleider, das allein ist schon ein Thema. Viele Kolleginnen tragen deshalb Hosenanzug, aber ich bin keine Freundin dieser Männeruniform. Ich fühle mich im Kleid einfach wohler, und setze damit auch gern ein Zeichen für mehr Weiblichkeit.

Haben Sie es manchmal auch leichter, weil Sie eine Frau sind?
Als Frau in diesem Amt steht man automatisch für frischen Wind, sonst wäre man nicht dort. Generell bin ich davon überzeugt, dass Männer und Frauen sehr gut zusammenarbeiten und gemischte Teams zu besseren Ergebnissen kommen. Das sehen ja mittlerweile auch viele der moderneren Männer und Unternehmen so.

Was dürfen denn die Frauen in Köln von Ihnen erwarten?
Den ersten sichtbaren Schritt haben wir 2012 mit dem „1. Frauen-Business-Tag“ gemacht, der in der IHK zunächst für Irritationen sorgte: Eine normale IHK-Veranstaltung hat so 150 Besucher, zum Frauen-Business-Tag kamen 800 Frauen! Meine Mitstreiterinnen im Orga-Team und ich hatten noch Tage danach ein Grinsen im Gesicht. Wir haben unsere Hauptthemen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr Frauen in Führungspositionen, mittlerweile auch in den wirtschaftspolitischen Positionen unserer IHK verankert. Diese Forderungen tragen wir in die Unternehmen und in die Politik. Und natürlich will ich weitere Frauen hochholen. Wir müssen sichtbarer und mehr werden.

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