„Manchmal einfach die Klappe halten!“

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Bei unserem letzten Interview, der EMMA-Titelgeschichte 2004, warst du noch kinderlos, hast aber von den Kindern in deinem Musiker-Freundeskreis erzählt. Du warst begeistert von den Bauarbeiter-Ohrschützern, die sie bei den Proben immer trugen…
Holofernes: (lacht) Ja, und die haben Friedrich und Mimi jetzt auch immer auf. Wobei Mimi sie sich konsequent alle zwei Sekunden runterreißt. Wir sind überzeugt, dass sie das macht, weil sie unsere Musik hören will!

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Ihr habt die beiden also tatsächlich immer dabei?
Bisher ja. Ich bin jetzt drei Tage lang zu Terminen unterwegs und muss dabei ziemlich große Strecken zurücklegen. Deshalb sind sie jetzt mit Pola zu Hause. Und das ist für mich schon eine aufregende Kiste, zum ersten Mal ohne die Kinder zu übernachten. Aber es hat auch was Befreiendes und Schönes, mal nur zu arbeiten. Ich bin da schon ständig zerrissen. Aus dem Interview direkt wieder zu den Kindern und wieder zurück – da gibt es ja keine Puffer. Und im Moment hab ich, wenn am frühen Abend die Termine vorbei sind, auch mal Zeit, kurz nachzufühlen, wie ich das jetzt eigentlich alles fand. Das hat was (lacht).

Friedrich hattet ihr ja schon bei der letzten Tour im Schlepptau.
Ja, und da haben wir uns den Stress gegeben und versucht, ihn selbst ins Bett zu bringen. Was die absurde Folge hatte, dass wir eine Viertelstunde, nachdem er eingeschlafen war, sofort auf der Bühne standen. Was sich lustig anhört, sich aber echt schräg anfühlt. Was wir daraus für diese Tour gelernt haben, ist, diesmal klarer zwischen Arbeit und Kindern zu trennen. Also nicht ständig zwischen Job und Hotel hin- und her zu jetten, sondern zu sagen: Wir arbeiten nur in der zweiten Tageshälfte – aber dann arbeiten wir auch!

Habt ihr denn eine Großmutter, die euch unterstützt?
Meine Mutter ist manchmal bei einem Festival-Wochenende dabei. In Berlin haben wir aber leider keine Oma, denn meine Mutter lebt in Freiburg und Polas in Karlsruhe. Da haben wir Babysitter, die im Leben der Kinder eine große Rolle spielen. Die sind nah an uns dran und schon lange Zeit die selben. Das ist wirklich schön.

Kriegt ihr denn das hin, woran so viele Paare in der Praxis scheitern: Die paritätische Aufteilung der Kinderversorgung?
Wir teilen uns das Halbe-Halbe. Durch das Stillen war Mimi ein halbes Jahr lang ein bisschen mehr an mir dran, dafür hat sich Pola dann stärker um Friedrich gekümmert. Und jetzt zur neuen CD hat sich Pola aus allem rausgezogen, was mit Promo zu tun hat. Das heißt, er macht keine Interviews mit – außer solchen, die zu Kinderladen-Zeiten in Berlin stattfinden können.

A propos Zerrissenheit. Die ist ja gemeinhin sehr viel stärker ein Problem der Mütter als der Väter. Bei dir auch?
Ich komme damit tatsächlich viel schlechter klar als Pola. Und das sagt viel aus über den inneren Emanzipationsstand. Das geht übrigens auch alle Freundinnen so, die auch mit Leidenschaft arbeiten und sich zwischen Arbeit und Kindern aufreiben. Ich finde es nämlich unheimlich schwer einzusehen, dass man nicht beides zu 100 Prozent machen kann. Also glaube ich, es ist am besten, sich auf beiden Gebieten ein bisschen locker zu machen. Ich habe in der letzten Runde versucht, beides zu 100 Prozent zu machen und bin bei geschätzten 250 bis 300 Prozent gelandet. Und das hat nichts mit unserem komischen Ausnahme-Beruf zu tun, sondern damit, dass einem das mit dem Muttersein als Frau anders gespiegelt wird als Männern das Vatersein.

Auch von Journalisten?
Ich habe Interviews gegeben, bei denen die Kinder mit Pola im Nebenzimmer waren. Und wenn Mimi dann mal anfing zu weinen, was Babys ja ab und zu tun, dann fragte der Interviewer: „Wie fühlt sich das an, so als Mutter, wenn da jetzt das Baby weint?“ Und ich sag: „Ganz in Ordnung, ehrlich gesagt. Pola ist dabei, und der kommt damit schon klar.“

Aber hat sich seit Ursula von der Leyen und ihren Vätermonaten nicht auch sehr viel getan bei den neuen Vätern?
Ja, hat es. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass Frauen da einem vielfachen Druck ausgesetzt sind. Wenn andere jubeln, wie toll Pola das macht und wieviel Zeit er mit den Kindern verbringt – das nervt ihn sogar selbst. Er sagt: Wenn man als Mann ein Viertel von dem macht, was die Mutter macht, kriegt man die Schultern blau geklopft. Und eine Frau, die ein Viertel weniger macht als eine Vollzeitmutter, kriegt gespiegelt, dass das ja wohl viel zu wenig ist. Da ist was immer noch nicht wirklich im Gleichgewicht.

Nachdem wir nun übers Muttersein geredet haben, kommen wir doch zu eurer neuen CD. Musikalisch fällt auf, dass es einige leise Balladen gibt, aber auch einige Gute-Laune-Stücke mit Banjo und Akkordeon, die wie Cajun klingen – die Musik der französischen Einwanderer in Louisiana.
Ja, genau! Cajun ist einer meiner ältesten Musikeinflüsse, mit dem ich bisher bei den anderen immer auf Granit gebissen bin. Aber jetzt haben sich da plötzlich doch noch Türen geöffnet. Jean hatte sein Akkordeon wieder rausgeholt, und Marc hat Banjo gelernt. Es hat allerdings sechs Saiten und kann deshalb genau wie eine Gitarre gespielt werden. Deshalb nennen wir es das Deppen-Banjo...

Ihr seid damals angetreten als Band mit gesellschaftskritischen Texten. Nun gibt es auf der neuen CD gleich mehrere Songs mit Textzeilen wie: „Stell dir vor, alles wäre gut“ oder „Es gibt nichts, was wir tun müssen“. Sollen wir jetzt also einfach die Füße hochlegen?
Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Gleichgültigkeit und Gleichmut. Ich finde, die Füße hochzulegen, ist eigentlich der ultimative Protest gegen die Geschäftigkeit der Welt und die Wurzel aller Auflehnung. Deshalb halte ich das für ein zentrales und hochpolitisches Thema. In „Alles auf Anfang“ geht es ja um die gesamtgesellschaftliche Depression, mit der wir darauf reagieren, dass uns die Welt als so wahnsinnig komplex dargebracht wird. Und um die erschlagende Wirkung, die das hat. Gepaart mit einem vielleicht besonders deutschen Vollständigkeitsanspruch führt das dazu, dass sich niemand mehr traut, irgendwo anzufangen. „Wer A sagt, muss auch B sagen und nach dem ganzen ABC fragen“. Ich glaube aber, dass es das einzige Mittel gegen diese Depression, gegen diese Zahnlosigkeit und Lähmung ist, an einer Stelle anzufangen. Es geht also darum, die Dinge anzunehmen und zu akzeptieren, die unabänderlich sind. Und das kann sehr kraftvoll sein. Und das bedeutet nicht, dass man nicht alles ändern sollte, was man kann. Das sind zwei verschiedene Ebenen. Deshalb heißt es in dem Lied „Nichts, was wir tun können“ auch: „Hände hoch! Änder alles, was du kannst, aber wehr dich nicht mehr. Änder alles, was du musst, aber wehr dich nicht mehr.“

Es geht also um so etwas wie Demut?
Ja. Ich habe gemerkt, dass es in manchen Situationen die beste aller Handlungen ist, einfach mal die Klappe zu halten.

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