Warum Mädchen verzweifeln
Die Studie „Jugend in Deutschland“ macht 2024 Schlagzeilen, denn „die Jugend“ scheint in keinem guten Zustand zu sein. So berichtet die Tagesschau über Niklas. Der 16-Jährige steht mit seinen Freunden auf einem Bolzplatz im Kölner Süden. „Unsere Probleme werden einfach nicht gesehen von der Politik“, sagt Niklas. „Natürlich sind wir gestresst wegen der Schule. Aber auch jedes Mal, wenn ich Nachrichten auf dem Handy lese, ist das frustrierend.“ Die Probleme von Niklas und Freunden: Die unsichere Weltlage, die Kriege, das Klima, das würde sie alle „sehr belasten“.
In der Tat ist es äußerst beunruhigend, was die Forscher da herausgefunden haben: Jeder fünfte junge Mensch zwischen 14 und 29 gibt an, unter „Depressionen“ und „Angststörungen“ zu leiden. Jeder dritte beklagt „Antriebslosigkeit“ und „Erschöpfung“, jeder zweite steht unter „Stress“.
Erschreckend viele Mädchen und junge Frauen sind in alarmierender Verfassung
„Jugendforscher sorgen sich um die Generation Z“, kommentiert der Spiegel die „hohe mentale Belastung“ der „Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Krisenmodus“. „Junge Menschen in Deutschland pessimistisch wie noch nie“, konstatiert besorgt die Süddeutsche Zeitung.
Alles richtig und doch stimmt etwas nicht an diesen Zeilen. Denn es macht einen Unterschied, ob diese jungen Menschen, auf die hier so sorgenvoll geschaut wird, männlich oder weiblich sind. Einen großen Unterschied. Dennoch ist der sogenannte Gender Gap, die Lücke zwischen den Geschlechtern, kein Thema. Doch EMMA wollte es genauer wissen und fragte nach bei Jugendforscher Simon Schnetzer. Der befragt seit 2020 gemeinsam mit seinen Kollegen Klaus Hurrelmann und Kilian Hampel jährlich die „Jugend in Deutschland“, also rund 2.000 repräsentative Mädchen und Jungen bzw. junge Frauen und Männer. Was Jugendforscher Schnetzer uns an geschlechtergetrennten Daten schickte, zeigt: Erschreckend viele Mädchen und junge Frauen befinden sich offenbar in einer Verfassung, die alarmierend ist.
Angstzustände: Fast jedes dritte Mädchen leidet darunter (27 %), also doppelt so viele wie Jungen (13 %). Depressionen: Jedes vierte Mädchen (26 %) hat welche (aber nur jeder sechste Junge). Antriebslosigkeit: Fast die Hälfte der weiblichen Befragten (41 %) gibt an, antriebslos und erschöpft zu sein, beinahe doppelt so viele wie männliche (25 %). Das gleiche gilt für „Selbstzweifel“, von denen nahezu jedes zweite Mädchen geplagt ist (42 %), aber nur knapp jeder vierte Junge (23 %). Jedes dritte Mädchen (30 %) fühlt sich „unwohl unter Menschen“, aber nur knapp jeder sechste Junge (16 %).
Auch die besorgten Jugendforscher kommen schon mit Blick auf beide Geschlechter zu dem Schluss, dass „bei etwa 20 Prozent der jungen Menschen unter 30 Jahren eine solche Dichte und Verfestigung von psychischen Belastungen zu verzeichnen ist, dass eine professionelle Unterstützung und in vielen Fällen sogar psychische Therapie dringend angeraten sind“. Und sie präzisieren: „Geschlechtsunterschiede sind in diesem Bereich groß: Junge Frauen befinden sich häufiger als junge Männer aufgrund von psychischen Belastungen in Behandlung (w: 13 %; m: 8 %).“ Im Klartext: Jedes siebte Mädchen ist in einer so desolaten psychischen Verfassung, dass es therapeutische Hilfe in Anspruch nimmt.
Vor zehn Jahren klang das noch ganz anders. „Der Optimismus der Jugendlichen in Deutschland ist ungebrochen: 61 Prozent der Jugendlichen blicken optimistisch in die eigene Zukunft, das sind noch einmal mehr als im Jahr 2010 sowie 2006“, fand 2015 die Shell-Jugendstudie heraus.
Was ist da los? Was ist seitdem passiert?
Den ganzen Text über "Verzweifelte Mädchen" in der aktuellen September/Oktober-Ausgabe lesen.