Voll happy bei Jappy

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Heike Faller hat etwas ganz Altmodisches gemacht: Sie hat sich mit den beiden Chatterinnen im Café in Berlin-Mitte getroffen und einfach mit ihnen geredet. So Auge in Auge.

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Nicole, 15, und Angelique, 16, kommen aus Berlin-Altglienicke, einem Viertel zwischen Schönefeld und Rudow. Beide wohnen in Einfamilienhäusern, eine Hochhaussiedlung in Blickweite. Sie sind die Klassenbesten einer 10. Klasse der Levi-Strauss-Realschule in Köpenick und kennen sich, seit Angie vor anderthalb Jahren vom Gymnasium auf die Realschule wechselte. Nicky will ihr Fachabitur machen und "später vielleicht Innenarchitektur studieren"; Angie will eine Ausbildung zur Logopädin, Sozial-Assistentin oder Hebamme machen, hofft aber darauf, vorher noch "als Schauspielerin entdeckt" zu werden. EMMA fand die beiden über Jappy, eine der größten Internet-Communities für Jugendliche.
EMMA: Das Internet gibt es jetzt ungefähr so lange wie euch - könnt ihr euch eine Zeit ohne überhaupt vorstellen?
Nicole: Ich schon. Ich hab' ja noch nicht sehr lange Internet, ein bis zwei Jahre erst. Vorher bin ich ohne klar gekommen.
Könnt ihr euch noch daran erinnern, wann ihr das erste Mal im Internet wart?
Nicole: Das war in der Grundschule. Da mussten wir ab und zu für den Unterricht was raussuchen.
Angelique: Ich hatte als Kind gehört, dass es das gibt. Aber das erste Mal on war ich auf dem Geburtstag von meinem Onkel - da war ich zehn oder elf. Er hatte AOL und ich hab' ihn gefragt, was das ist. Er: Das ist das Internet. Mit elf habe ich ab und zu nach Barbie oder Spielzeug im Internet gesucht. Vor zwei Jahren ungefähr hab' ich dann von Jappy gehört. Und jetzt kann ich nicht mehr ohne.
Nicole: Ich war am Anfang gar nicht so begeistert ... aber dann kamen immer mehr Freunde ...
Angelique: ... und jetzt verbringt sie mehr Zeit dort als ich.
Nicole: Ich komm' von der Schule nach Hause, dann mache ich vielleicht noch mein Bett, weil ich das morgens nicht schaffe, und dann mache ich den Computer an und nebenbei Hausaufgaben. Eigentlich läuft der Computer fast den ganzen Tag bei mir, außer wenn ich nachmittags mit Freunden verabredet bin. Ich bin bestimmt jeden Tag drei Stunden mindestens bei Jappy.
Wonach schaust du als erstes?
Nicole: Auf meine GBs, also auf meine Gästebucheinträge. Dann schaue ich, wer on ist, schreibe denen, tausche mit denen GBs, kopiere Bilder, ändere vielleicht mein Profil. Also, ich verbring' meine Zeit da schon sehr gut.
Und was interessiert dich am meisten?
Nicole: Wer alles da ist. Oder jemanden zu entdecken, den man in der Schule oder so gesehen hat ...
Angelique: ... und sich nicht traut, den so anzusprechen. Zum Beispiel als ich neu an der Schule war. Da war ich eine Woche krank und hab' angefangen, einem Jungen aus meiner Klasse, der auch bei Jappy war, Mails zu schreiben. Und dann haben wir uns immer öfter geschrieben und irgendwann haben wir uns auch in der Klasse unterhalten und jetzt verstehen wir uns richtig gut.
Nicole: Ich hab den letztens voll angeschnauzt.
Angelique: Warum? Du bist ja vielleicht eine. Der ist voll nett!
Nicole: Mann ja, ich hab' den voll fertig gemacht.
Was hast du denn gemacht?
Nicole: Er hat mir ins Gästebuch ein Bild gemacht, von diesem Kurt Cobain, und ich wollte von ihm wissen, warum er mir immer so hässliche Bilder ins Gästebuch macht.
Angelique: Er weiß ganz genau, dass wir den hassen.
Aber wieso denn?
Nicole: Weil er hässlich ist.
Angelique: Als Musiker ist er gut.
Nicole: Sie mögen ihn jetzt, oder?
Ja, schon ...
Nicole: Oh. Tut uns leid.
Angelique: Früher fanden wir Nirvana ganz okay. Aber wir hören jetzt einfach eine ganz andere Musikrichtung. Wir sind jetzt Bushido-Fans.
Aber ohne Jappy hättet ihr euch niemals kennengelernt, du und der Nirvana-Fan?
Angelique: Jedenfalls nicht so gut. Jappy ist irgendwie so ein ... Vermittler.
Und lernt ihr über Jappy auch ganz neue Leute kennen?
Nicole: Also bei mir war das so, dass ich mal einen Typen auf Jappy gesehen habe, der hat mir gefallen, also habe ich ihn angeschrieben. Er fand mich toll und ich ihn auch, also haben wir uns verabredet. Aber das wurde irgendwie nichts.
Ist die Kommunkation im Chat einfacher als im Gespräch?
Angelique: Ja. Meine beste Freundin und ich, wir haben zum Beispiel nicht mehr soviel zusammen gemacht wie früher. Und dann hab ich ihr geschrieben, wie ich das empfinde. Wenn man schreibt, dann schreibt man das, was man gerade denkt. Und wenn man redet, findet man vielleicht nicht die Worte. Wenn man sich gegenübersteht, traut man sich das vielleicht nicht so zu sagen. Meine Freundin und ich, wir haben uns zum Beispiel erst geschrieben und uns danach erst unterhalten. Und das ging dann viel besser.
Unter welchen Namen seid ihr eigentlich angemeldet?
Nicole: PrincessNicky.
Angelique: Pippi.
Wie seid ihr darauf gekommen?
Angelique: Ich wollte irgendwas Lustiges, irgendwas Süßes, was zu mir passt. Ich war als Kind auch Pippi Langstrumpf-Fan. Princess war mir zu einfallslos. Zu Nicky passt es, aber ich bin ja keine Prinzessin oder so.
Nicole: Pippi ist nicht so elegant ...
Angelique: Willst du damit sagen, ich bin ein Mannsweib?
Nicole: Nee, so meinte ich das nicht. Aber du bist eher so crazy.
Angelique: Nicht so arrogant wie du. Und penetrant.
Nicole: Ich bin nicht arrogant.
Angelique: Sie ist eine kleine Prinzessin. Eine Prinzessin auf der Erbse.
Nicole: Ich bin schon so pingelig und mäkelig, ich hab' immer Extrawünsche. Princess passt irgendwie zu mir.
Welche Namen gefallen euch gar nicht gut?
Nicole: Namen mit Player oder Styler oder King.
Angelique: Das ist so protzig und möchtegern.
Nicole: Das Schlimmste ist ja Playbunny oder Playgirl oder Playmate.
Wisst ihr, was das bedeutet?
Nicole: Der Playboy ist ja ein Erotikmagazin. Ein Label für Pornographie. Aber das verbinden die Jugendlichen damit nicht. Die machen das, weil sie das Häschen süß finden.
Wie ist das überhaupt mit Pornographie im Internet. Kommt ihr damit in Berührung?
Nicole: Mich hatte mal jemand angeschrieben: Geh' mal auf die Galerie so-und-so und gib folgendes Password ein. Da waren da so eklige Bilder von ... einem männlichen Glied, um es mal so zu nennen. Ich hab da nicht wirklich hingekuckt.
Angelique: Manchmal lacht man da auch drüber. Ich klick es dann einfach weg.
Nicole: Im Fernsehen ist es viel schlimmer. Was ich ja ganz daneben finde ist, wenn man bis Mitternacht wach ist, zum Beispiel in den Ferien, dass dann immer diese Werbung kommt mit den stöhnenden Frauen.
Angelique: Ab null Uhr geht das los. Es ist voll laut.
Nicole: Und voll widerlich. Wenn man einen schönen Film guckt und dann wird plötzlich gestöhnt.
Angelique: Und man kann auch nirgendwo anders hinschalten, weil: Es kommt ja dann auf jedem Kanal.
Glaubt ihr, dass sich Jungs mehr dafür interessieren?
Angelique: Ich denke schon.
Nicole: Man merkt das auch daran, dass es gar nicht so einfach ist, einen Freund zu finden, denn die meisten Jungs wollen eigentlich nur das eine. Das ist wirklich so!
Nicole: Das sind heutzutage alles Machos. Wenn man ein bisschen später on ist, kann es passieren, dass einer fragt: Hast du Lust auf ein Abenteuer, wollen wir uns treffen?
Angelique: Oder: Bist du noch Jungfrau, wenn ja, können wir das gerne ändern.
Leute, die ihr kennt?
Nicole: Unterschiedlich.
Angelique: Bei mir waren's immer Leute, die ich nicht kannte. Einfach solche Profilschleicher. Leute, die sich über's Profil schleichen, die dein Bild vielleicht toll finden und dich anschreiben. Ich reagiere auf sowas gar nicht.
Nicole: Ich auch nicht. Ich bin so eher der Beziehungstyp, der einen Freund haben will und erstmal kuscheln.
Angelique: Aber viele von denen wollen nur Sex haben, damit sie ihren Kumpels sagen können: Ich bin's nicht mehr.
Nicole: Die wissen gar nicht, worum es dabei eigentlich geht. Man verbindet das ja eigentlich mit Liebe. Und die machen das ja eigentlich dann mit jeder.
Haben die wirklich mit so vielen Mädchen Sex oder hätten die gerne mit so vielen Mädchen Sex?
Angelique: Hätten, denk ich.
Wovor haben Eure Eltern am meisten Angst, wenn ihr online seid?
Nicole: Dass ich mich mit irgendwelchen alten Männern treffe, die sich als 16 ausgeben. Deswegen mache ich das generell nicht, mich mit jemandem zu treffen.
Aber seid ihr schon angesprochen worden, von älteren Männern?
Nicole: Naja. Da gehört ja nicht viel zu: älter zu sein als ich.
Angelique: Also mich hat mal ein älterer Typ angesprochen, der meinte, Mensch, du siehst ja süß aus, haste nicht Bock auf ein bisschen Abenteuer, bisschen chatten, was hast du gerade an.
Und wie alt war der?
Nicole: Mitte zwanzig. Ende zwanzig. Keine Ahnung. Ich schreib mir grundsätzlich nicht mit 25-Jährigen. Die haben ganz andere Themen. Die schreiben auch ganz anders als wir. Die schreiben dann: "Es tut mir leid, dass ich dich jetzt störe, aber ich würde dich gerne mal kennenlernen." Da sag' ich gleich, weg damit. Das kommt mir so spießig vor, so alt.
Wie klingt eure Sprache?
Angelique: Statt "ist" schreibt man im Chat "is" oder "wie gez" statt "wie geht's". Man schreibt auch nicht "bin denn jetzt mal weg" sondern "bins weg", und weg schreibt man auch nicht mit g sonder mit q. Oder "geil" schreibt man auch nicht mit g sondern mit "q" also "qeil", was aber nicht heißt, dass man jetzt geil ist, sondern dass man etwas "cool" findet.
Schon klar.
Angelique: Wobei man auch nicht "cool" schreiben würde, sondern "cooli" mit i am Ende.
Nicole: Jeder hat auch seine eigene Schreibweise. Ich hab mir das von den anderen abgeschaut, und dann dichtet man immer mehr dazu. "Ich hab dich ganz dolli lieb" zum Beispiel.
Angelique: Oder: "Ich hab dich ganz dolli lüp." Oder: "Love disch."
Nicole: "Lieböööö disch!" "Lieb dich" ist mehr wert als "hab' ich dich lieb". "Hab' dich lieb" ist so das Niedrigste. Dann kommt "hab' dich ganz doll lieb" und "hab' dich richtig krass dolle lieb". Oder bei meinen besten Freunden schreibe ich auch "lieb dich ganz dolle, will dich nie verlieren, bist mir so wichtig" und so weiter.
Angelique: Bei mir schreibt sie das jetzt auch.
Nicole: Natürlich!
Erst neuerdings?
Angelique: Nee. Wir lieben uns schon lange. Wir sind: FFL. Friends for life.
Woher kommt der Wunsch, Liebeserklärungen zu machen? Wir haben das früher nicht so direkt gesagt und schon gar nicht öffentlich.
Angelique: Ich glaube, heutzutage sagt man ständig, dass man etwas liebt.
Nicole: Wenn ich jetzt sage, oh ich liebe Spätzle, dann meine ich damit einfach, dass ich sie gerne esse.
Angelique: Das meine ich ja. Ich glaube auch, die meisten heutzutage, die einen Freund haben, wissen gar nicht, was Liebe ist. Ganz ehrlich. Wenn du zum Beispiel einen Freund hast und du bist mit dem zwei Monate zusammen, dann kannst du nicht wirklich von Liebe sprechen, weil du mit dem noch gar nicht soviel Liebe erfahren hast. Verliebt sein, Gefühle für ihn haben und Liebe ist ja was anderes. Eigentlich. Man schreibt im Chat vieles, was man gar nicht so im wirklichen Leben meint.
Nicole: Wenn es wirklich um Liebe geht, würde man schreiben "ich liebe dich". Ich würde es sogar sagen. Auf Hochdeutsch. Damit es schön deutlich wird.
Angelique: Also ich würde warten, bis er es mir gesagt hat.
Nicole: Ich nicht. Ich würde es auch als erste sagen. Aber spätestens dann sollte er sagen: Ich dich auch.
Angelique: Aber wenn ich jetzt ein Woche mit jemandem zusammen wäre, würde ich das auch noch nicht sagen.
Nicole: Ich schon.
Angelique: Ich glaube, Liebe muss sich entwickeln.
Nicole: Es gibt ja solche Sprüche bei Jappy. "Warte auf den Boy, der mir Händchen hält vor seinen Freunden. Der dich auch ohne Make-up hübsch findet." Mein Freund müsste mich auch lieben, wenn ich ungeschminkt und in Schlabberklamotten bin.
Angelique: Nicht nur mein Äußeres, sondern auch mein Inneres.
Nicole: Eigentlich ist Liebe ja nur das Innere. Das Äußere natürlich auch, aber mehr das Innere.
Gibt es eigentlich noch Brieffreundschaften?
Nicole: Also ich hab' eine Brieffreundin. Fällt mir gerade ein. Aber der hab' ich schon lange keinen Brief mehr geschrieben, weil ich das zeitlich gar nicht schaffe. Sie hat mir zu Weihnachten geschrieben und der Brief liegt jetzt bestimmt schon ein halbes Jahr bei mir zuhause. Ich schaff's irgendwie nicht, der zu antworten.
Angelique: Ein Brief ist eher dafür da, jemanden zum Geburtstag was zu schicken, oder für Leute, die halt nicht bei Jappy sind. Oder die zu jung sind, sich anzumelden.
Wisst ihr, was das Porto für einen Standard-Brief kostet?
Angelique: Meine Mutter arbeitet bei der Post. Für einen normalen Brief, so 60 etwa. Oder 75?
Nicole: 80?
Angelique: Du kannst es ja einfach bei der Post abgeben, und die machen dir das dann drauf.
Das Gespräch führte Heike Faller. EMMA 6/2007

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