Petra Reski: Mafia-Jägerin

Foto: © Paul Schirnhofer
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Für die Mafia der Moderne beschrieb ein römischer Pate in einem abgehörten Telefonat seine kriminelle Organisation als „Zwischenwelt“: „Oben sind die Lebenden, und unten sind die Toten ... und wir sind dazwischen. Wir sind dazwischen, weil auch die Personen, die sich in der oberen Welt befinden, ein Interesse daran haben, dass jemand aus der unteren Welt Sachen erledigt, die niemand anderes machen kann. Das ist es: Alles vermischt sich miteinander.“

Mit dieser explosiven Mischung kennt Petra Reski sich aus. Seit die im Ruhrpott Geborene 1989 für eine Reportage nach Palermo geschickt wurde, schreibt sie über die Gefahren der organisierten Kriminalität. Sie ist neben Roberto Saviano die wohl bekannteste Mafia-Expertin Italiens.

Ich treffe Petra Reski an einem verregneten Nachmittag in Venedig, der Stadt, in der die Deutsche seit einem Vierteljahrhundert lebt. Wir sitzen im Wintergarten des „Antico Martini“ und blicken durch beschlagene Scheiben auf das Fenice. Nein, Angst vor der Mafia habe sie nicht, sagt Reski und wirft sich ihre schwarze Lederjacke energisch über die Schulter. Aber sie möchte sich nicht verstecken müssen wie ihr Kollege Saviano. Sie lebt gern in Italien und will das auch weiterhin tun.

Deshalb schreibt Petra Reski inzwischen Romane – Mafia-Romane. Weil sie sich nach der Veröffentlichung ihrer Sachbücher irgendwann nicht mehr sicher fühlte. Wer der „Ehrenwerten Gesellschaft“ zu nahe kommt, lebt riskant.

Nicht nur in San Luca oder Corleone wurde die Autorin bedroht, sondern auch im beschaulichen Erfurt. Während einer Lesung in einer Buchhandlung dort, erzählt sie, sei plötzlich ein Italiener aufgestanden und habe eine „klassische Mafiadrohung“ ausgesprochen: „Ich bewundere Ihren Mut!“, habe der Mann gesagt.

Drohungen dieser Art muss auch Serena Vitale aushalten. Die palermitische Staatsanwältin mit dem Hang zu scharfen Fragen und Heiligenfiguren ermittelt in Petra Reskis Krimi--Serie, von der gerade der dritte Band erscheint: „Bei aller Liebe“. Da geht es um Netzwerke aus Politikern, Unternehmern und Mafiosi, die voneinander profitieren. Da teilen Politiker zum Beispiel Neubauprojekte zu, die dann von bestimmten Unternehmen finanziert werden. Und über die Mafia wird das Geld gewaschen, die im Übrigen ihr Drohpotential zur Verfügung stellt.

Staatsanwältin Vitale verbrachte als Gastarbeitertochter ihre Kindheit im Ruhrpott, ganz wie die Autorin. Die Mafia ist da auch schon längst angekommen, wie in ganz Deutschland.

In unserem Gespräch im „Antico Martini“ führt Petra Reski einen Korruptionsskandal nach dem anderen ins Feld, der ihre deutsch-italienische Fiktion real belegt. Tatsächlich muss Petra Reski nur vor die eigene Haustüre treten, um auf Skandale zu stoßen. Denn Venedig selbst steckt, wie der Bau der Flutschleuse Mose zeigt, so tief im Morast aus Bestechung und Korruption wie die hölzernen Stelen, auf denen die Lagunenstadt errichtet ist.

Der Ausverkauf Venedigs macht es für Bewohner der Altstadt wie Reski immer ungemütlicher. Viele VenezianerInnen ziehen deshalb aufs Festland. Dort sind nicht nur die Wohnungen bezahlbar, sondern es gibt noch Geschäfte fürs tägliche -Leben; während in Venedig die letzten Bäckereien, Schuster und Käsehändler von Juwelieren und chinesischen Andenkenshops verdrängt wurden. Dreißig Millionen Menschen fluten die Stadt an der Lagune jährlich. Den täglich ins historische Zentrum drängenden 83.000 Touristen stehen 58.000 Bewohner gegenüber, Tendenz fallend.

Aber nicht nur der Ausverkauf Venedigs beschäftigt Petra Reski. Dass die Mafia-Umtriebe in ihren Romanen immer wieder nach Deutschland führen, ist kein Zufall. Seit Jahren schreibt sie über die Mafiamachenschaften in Deutschland, und darüber, das Deutschland die Gefahr auch nach den Massakern von Duisburg und im rheinhessischen Nierstein unterschätze. Mafia-Zugehörigkeit sei in Deutschland „praktisch straffrei“, „Geldwäsche ein Kinderspiel, Abhören ist quasi verboten“.

Seit 40 Jahren macht sich die Mafia in Deutschland breit. Weitgehend ungestört. „Die Mafia in Düsseldorf wählt andere Waffen als in Sizilien“. Ihren Roman hat Reski dem italienischen Staatsanwalt Rosario Livatino gewidmet. Er machte als Erster auf die Geschäfte der Mafia hierzulande aufmerksam. Und bezahlte dafür mit seinem Leben.

Alles, was sie über die Mafia wisse, hat Donna Leon einmal gesagt, wisse sie von Petra Reski. Dafür bedankte sich die amerikanische Krimiautorin mit Wohnsitz Venedig bei ihrer deutschen Kollegin mit dem Rat, Serena Vitale nicht sterben zu lassen. Eigentlich sollte der erste Band mit dem Tod der Staatsanwältin enden. Doch die Staatsanwältin lebt weiter – und wird auch ihren dritten Fall überleben. Wenn auch nur knapp. Demnächst wird Petra Reski wohl nicht nur in -Erfurt aus „Bei aller Liebe“ lesen.

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