Pornografie: Ganz linke Freiheit

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Bemerkenswert: Die Meinungsunterschiede kamen kaum innerhalb der Redaktion zum Tragen (die war und ist überwiegend pro Porno und contra Gesetz), sondern vor allem zwischen dem redaktionellen Teil der taz einerseits und den Leserinnenbriefen andererseits (überwiegend contra Porno und pro Gesetz). Und, mindestens eben- so bemerkenswert: Bis Anfang Januar äußerte sich kein einziger Mann im taz-Redaktionsteil zur Sache: Die new boys von der taz ließen ihre ganz heißen Kohlen ausschließlich von ihren neuen Frauen (und den taz-Lesern) aus dem Feuer holen. Nachfolgend einige Zitate.

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23.11. "Puritanismus statt Pornographie? - Während die einen Dworkin für eine der größten und konsequentesten Theoretikerinnen halten, ist sie für die anderen eine Fanatikerin mit wahrhaft religiösen Zügen. (...) Der Ruf nach dem Staat, nach Zensur oder gar Verbot stieß bei zahlreichen Feministinnen (in den USA) nicht auf Zustimmung. Sie fürchteten, dass Forderungen dieser Art in erster Linie in die Hände der moral majority arbeiten würden. Vor allen Dingen die Rechte, die Gegnerinnen von Abtreibung und ERA, fanden Gefallen an einem Gesetz gegen Pornographie." taz-Autorin Ulrike Helwerth.

26.11. "Erfreut über die EMMA-Initiative zeigte sich die CSU-Abgeordnete Ursula Männle. Weil Kritikern der Pornographie früher immer Prüderie und Puritanismus vorgeworfen worden wäre, sei sie froh, dass diese Diskussion jetzt einmal von der Seite der Frauenbewegung angestoßen werde." taz-Redakteurin Helga Lukoschat.

26.11. "Der Gesetzentwurf der EMMA-Frauen ist so gehalten, dass niemandem unter die Bettdecke geschaut wird. (...) Es geht allein um die würdelose Darstellung von Frauen. Die soll ein Ende haben." taz-Redakteurin Maria Neef-Uthoff.

1.12. "Die frauenbewegten Zensoren kommen mir genauso verlogen vor, wie ihre katholischen oder kommunistischen Vorgänger. Brauchen Frauen wirklich den Schutz solcher Vormunde?" Leser KD Wolff, Frankfurt.

8.12. "Frau Schwarzer kommt mir vor, wie ein wiederbelebtes Relikt der fünfziger Jahre, die zur moralischen Aufrüstung zurück will und zum kalten Krieg." Leser Bernd Koch, Berlin.

8.12. "Eine Zeitschrift, die gegen die Entwürdigung einiger Frauen ein Medienspektakel inszeniert, den Grund der allgemeinen Entwürdigung, die Lohnarbeit, aber akzeptiert, kann nur als heuchlerisch charakterisiert werden." Leser B. Gaßmann, Garbsen.

10.12. "Wenn Frauen wissen, was Männer mögen. Nicole Dörfler, Chefredakteurin des deutschen Hustler, will von Pornographie nichts wissen. Sie legt Wert auf ‚Ästhetik' und ‚Witz'. - Pornographie? Die junge Frau ist entrüstet. ,Das ist doch eine wahnsinnig ästhetische Illustration. In jedem Museum kannst du viel schlimmere Sachen sehen." (...) Die gelernte Hotelfachfrau rutschte vor zweieinhalb Jahren durch Beziehungen in die Branche der ‚Herrenmagazine'.Von welchen Gefühlen lässt sie sich bei der Auswahl leiten? ‚Ich empfinde dabei gar nichts. Ich sehe das ganz technisch. Nach zwei Jahren Geschäft hat man keine Emotionen mehr', versichert sie. Buisness ist buisness. Und wenn sie abends aus der Redaktion geht, denkt sie darüber nicht mehr nach. Und außerdem. Was ist an einem schönen Körper schon unanständig, anstößig? Schließlich machten die Frauen ja auch alle freiwillig mit. ,Wir haben manchmal wahnsinnig lustige Produktionen.' Sie hat Spaß an der Arbeit, ihre Freunde und Bekannten finden ‚toll', was sie macht. Am liebsten würde Nicole Dörfler ein Blatt für Frauen machen, wie Playgirl, nicht wie EMMA." taz-Autorin Ulrike Helwerth.

12.12. "Zwischen Glauben und Schaudern. Andrea Dworkins Buch 'Pornographie' ist ein Traktrat über die männliche Allmacht und das Opfer Frau. - Die zentrale Aussage ist schlecht und schnell kapiert: Alles Böse geht vom Schwanz aus. Ergo ist Sexualität Gewalt, die Pornographie deren Massenmedium. (...) Soviel gerechter Zorn und kein bisschen Lüsternheit? Das Buch von Andrea Dworkin ist ein polemisches Werk. Es ist im höchsten Maße einseitig. (...) Wir meinen: Vorsicht, die Kreuzzüglerinnen kommen!" Maria Neef-Uthoff und Ulrike Helwerth.

14.12. "Das Geschrei spricht mal wieder Bände. Frauenfeindlichkeit ist nicht nur immer ein Problem der anderen, sondern eines der Männer, die sich selbst als ‚alternativ' begreifen, was immer das auch heißen mag." Leserin Birgit Habatz, Mönchengladbach

16.12. "Es ist erstaunlich, dass linke Männer nach 20 Jahren neuer Frauenbewegung immer noch auf dem chauvinistischen, frauenverachtenden Stand ihrer Väter befinden." Leserin Corinne Votteler, Heidelberg, u.a.

16.12. "Und immer wieder unter dem alten Motto: Befreit die ‚linken' Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen!" Leserin P. Weickenmeier, Freiburg

16.12. "Man könnte meinen, ihr wollt euch allesamt mit dieser ach so ausgewogenen, ‚objektiven', ‚neutralen' Berichterstattung zum Thema Pornographie besonders für spätere Jobs bei öffentlichen Medienanstalten oder einschlägig pseudo-linken (Macker) Zeitschriften qualifizieren. (...) Was soll das Porträt der Chefin des Hustler? Wann dürfen wir damit rechnen, dass schwarze Kollaborateure aus Südafrika in der taz seitenweise berichten, wie und warum sie die Apartheid nicht rassistisch finden?" Leserin Renate Götze, Hamburg

21.12. "Das Porno-Unwesen und die geheimen Lüste. Wir baten Künstlerinnen, Rechtsanwältinnen, Prostituierte um Stellungnahmen zur PorNO-Kampagne der EMMA: Verena Krieger: ‚Eines sollten wir auf keinen Fall tun: Die Tatsache, dass Frauen ganz und gar ,unemanzipative' Bedürfnisse und Phantasien haben, tabuisieren oder verurteilen. Wo fängt die Erniedrigung an und wo hört sie auf? Bei all diesen Fragen und Widersprüchen wird es selbstverständlich sein, dass ich mich einer Anti-Porno-Kampagne, wie EMMA sie sich vorstellt, nicht unkritisch anschließen kann.' - Monika Treut: ‚Als Filmemacherin und Autorin fürchte ich, dass ein Gesetz dazu führt, künstlerische Radikalität zu beschneiden, im Namen der ordentlichen Familienpolitik, des sozialen Friedens und der Langeweile.'"

22.12. "Frau Schwarzer möchte gerne das Rad zurück drehen, vielleicht in biblische Zeiten, wo ‚man sich nicht unbestraft ein Bild machen durfte'. Auch die Frauengruppen zu McCathys Zeiten kämpften für Sauberkeit in Wort und Bild." taz-Autorin Ulrike Kowalsky

22.12. "Seit Wochen verfolgt die taz die Taktik der Bild-Journaille: Wo viel mit Dreck geschmissen wird, wird schon was hängenbleiben." Leserin Roswitha, München.

22.12. "Auf's Nachtreten und Anbiedern à la Neef-Uthoff kann ich ganz gut verzichten. Nach einem solchen Bericht schämt man sich, ein Mann zu sein." Leser Hans, München."
Im neuen Jahr geht die Debatte weiter", verspricht die taz. Na denn.

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