Protest gegen Niqab-Ausstellung

Protest gegen die Ausstellung: Die aus Saudi-Arabien geflüchtete Rana Ahmad befreit sich symbolisch von Burka und Ketten.
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Die Frankfurter Ausstellung „Contemporary Muslim Fashion“, die Niqab und Abaya als hippes Mode-Accessoire präsentiert, ist noch nicht zu Ende, da beginnt schon das nächste „Kunstprojekt“ zur züchtigen Bedeckung der Frau. „Warum wird die sogenannte Burka-Debatte in Deutschland so emotional geführt?“ fragt die Kölner Fotografin Selina Pfrüner. Sie wolle einen „unvoreingenommenen und persönlichen“ Blick auf vollverschleierte Frauen werfen und fotografierte und interviewte mehrere von ihnen für ihr Multimedia-Projekt. Zum Beispiel M., die 20-jährige Konvertitin, die es „Sünde“ findet, sich ohne Niqab in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ihr Kind wird sie nicht in der Kindergarten schicken, denn „im Islam ist es verboten, Musik auf Instrumenten zu machen und Bilder mit Gesichtern zu malen“.

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Liberale MulimInnen sind empört und schockiert

Titel der Ausstellung: „Munaqabba“, der arabische Begriff für eine Frau mit Gesichtsschleier. Vom 21.bis 30. Juni ist die Ausstellung im Atelierzentrum Ehrenfeld zu sehen. Besonderes Highlight: das „Frauen-Special“ am 23. Juni. „Vollverschleierung anprobieren mit Hilfe der vollverschleierten Protagonistinnen“. Kein Scherz.

Mit diesem Foto von Selina Pfrüner bewirbt der Verein "artrmx" in Ehrenfeld die Ausstellung.
Mit diesem Foto von Selina Pfrüner bewirbt der Verein "artrmx" in Ehrenfeld die Ausstellung.

Gefördert wird das Projekt mit 3.000 Euro vom Kulturamt der Stadt Köln, mit 8.000 Euro vom NRW-Landesbüro Freie Darstellende Künste und vom NRW-Kulturministerium. Das Kölner Kulturamt ist angetan davon, dass „Selina Pfrüner einen spannenden, in keine Richtung wertenden Zugang zu der Thematik gefunden hat“. Auch das NRW-Landesbüro, das das Projekt im Auftrag des NRW-Kulturministeriums fördert, fand den Antrag der Fotografin „überzeugend“. Unterstützt wird die Vollverschleierungs-Ausstellung im Rahmen des "Sonderförderprogramms 'Interkuturelle Impulse', das Teil des "Landesintegrationsplans" ist. 

Genau wie bei der Frankfurter Ausstellung, der liberale MuslimInnen von der Imamin Seyran Ates bis zum Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi „Anbiederung an den politischen Islam“ vorwarfen, hagelt es auch in Köln Proteste. Der Iranisch-Deutsche Frauenverein Köln sowie 37 Unterzeichnerinnen, davon 33 mit Migrationshintergrund, sind fassungslos über die Ausstellung und vor allem ihre Subventionierung mit öffentlichen Geldern. In einem Offenen Brief an die unterstützenden Institutionen schreiben sie: „Wir fragen uns, was mit dieser Förderung, die ja nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine ideelle Förderung ist, beabsichtigt ist. Es kann doch nicht Ihr Ziel sein, die Vollverschleierung zu normalisieren.“

Und weiter: „Hier wird das in patriarchalischen islamischen Ländern existierende und angestrebte Frauenbild, das nach Deutschland getragen wurde, unkritisch und sogar positiv wertend wiedergegeben. Bei der Frage der Vollverschleierung der Frau wäre es sicher auch interessant, sich nicht ausschließlich auf die vermeintliche Freiwilligkeit zu konzentrieren, sondern die Frauen und ihre Männer nach ihrer Haltung zu Grundrechten und Freiheiten in einem demokratischen Staat und einer demokratischen Gesellschaft zu fragen. Was wir definitiv nicht möchten, ist die Förderung fundamentalistischer Lebensarten und Weltanschauungen mit öffentlichen Mitteln.“

Und was sagt die Fotografin zum Protest der MuslimInnen?

Auch der Zentralrat der Ex-Muslime protestiert gegen die Ausstellung. „Diese Nachricht löst bei uns Frauen aus Ländern wie Iran, Irak, Saudi-Arabien, Sudan und Afghanistan, die hier leben, eine Welle von Empörung und Schock aus. Die Verharmlosung der Tatsache, dass Frauen gesichtslos gemacht werden, und die Exotisierung der völligen Missachtung der Frauenrechte in einem europäischen Land ist ein Skandal und ein beschämendes politisches Ereignis. Es ist unfassbar, dass wir im Jahr 2019 in einem europäischen Land mit einer Ausstellung konfrontiert sind, die die Vollverschleierung und die vollständige Eliminierung von Frauen fördert und dem Publikum anbieten will, es auch selbst anzuprobieren und - so die Wunschvorstellung der Fotografin Selina Pfrüner - darüber unemotional zu debattieren.“

Der Zentralrat der Ex-Muslime zählt auch zu den Initiativen, die am Abend der Vernissage vor dem Atelierzentrum in Ehrenfeld protestiert haben, in dem die Ausstellung noch bis zum 30. Juni gezeigt wird. Die saudische Aktivistin Rana Ahmad befreite sich symbolisch aus einer Burka samt Ketten.

Die in Köln lebende iranische Aktionskünstlerin Solmaz Vakilpour und MitstreiterInnen demonstrierten in Femen-Manier: Sie standen nackt bzw. wenig bekleidet und mit Kunstblut bespritzt vor dem Atelierhaus. Vakilpour sagt: „Eine solche Ausstellung, die vom Ministerium mit Geld gefördert wird, richtet sich gegen alle, die für Frauenrechte in islamischen Ländern kämpfen.“

Andere hielten in Solidarität mit den "Mädchen der Revolutionsstraße" Schleier an Stöcke gebunden in die Luft. #FreeNasrin stand u.a. auf ihren Plakaten. Die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh sitzt im Teheraner Evin-Gefängnis, weil sie diese meist jungen Iranerinnen, die gegen ihre Zwangsverschleierung im Iran protestiert haben, vor Gericht verteidigt hat. Ihr drohen 38 Jahre Gefängnis und 148 Peitschenhiebe. Für Sonntag, 15 Uhr, sind weitere Proteste angekündigt.

Und was sagt die Fotografin zum Protest des Frauen, von denen viele in ihren Herkunftsländern zur Verschleierung gezwungen wurden? „Das Projekt beschränkt sich nur auf Frauen, die in Deutschland in Vollverschleierung leben. Andere Länder habe ich nicht in meine Betrachtung mit aufgenommen und kann mich daher dazu nicht äußern.“

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Alice Schwarzer schreibt

Aus dem Alltag einer Rassistin

Boualem Sansal und Alice Schwarzer trafen sich in Paris. - Foto: Bettina Flitner
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Am 15. Mai war ich einen Tag lang in einer Konferenz mit algerischen JournalistInnen und SchriftstellerInnen im Goethe-Institut in Paris. Ich war die einzige Nicht-Algerierin, weil ich jüngst ein Buch über das Land geschrieben habe („Meine algerische Familie“). Das ist jetzt in Frankreich erschienen und gilt als „das erste Buch über Algerien heute“.

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Die von dem großen, mutigen Schriftsteller Boualem Sansal (zusammen mit dem deutschen Professor Jürgen Wertheimer) geleitete Konferenz über Algerien war sehr bewegend. Denn es ging um viel. Einige der AutorInnen auf dem Podium waren wegen nicht staatstreuer Meinungen schon im Gefängnis, andere mussten in den 1990er-Jahren vor den mordenden Islamisten ins französische Exil fliehen. Wie wird es weitergehen mit Algerien, diesem größten afrikanischen Land? Die Antwort kann auch für Europa sehr ernste Folgen haben.

Am nächsten Tag war ich mit der iranischen Schriftstellerin Chahla Chafiq verabredet. Sie ist seit fast 40 Jahren im Exil in Frankreich, geflohen vor dem islamistischen Terror in ihrer Heimat. Wir haben zusammen überlegt, was wir noch tun können, um Nasrin Sotoudeh zu helfen. Die auch in Europa bekannte Menschenrechtlerin ist vor einigen Monaten in Teheran zu 38 Jahren Gefängnis und 143 Peitschenhieben verurteilt worden. Grund: Sie hat es gewagt, Frauen, die öffentlich gegen den Kopftuchzwang und für Frauenrechte demonstriert haben, als Anwältin zu verteidigen. In Frankreich gibt es eine große öffentliche Solidarität. In Deutschland herrscht überwiegend Schweigen, matt unterbrochen durch diplomatisches Gemurmel – bis auf die Berichterstattung in EMMA (3/19).

Als einzige Referentin habe ich mit den DemonstrantInnen gesprochen

Eine Woche zuvor hatte ich an der Universität Frankfurt an einer Konferenz über „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ teilgenommen. Veranstalterin war Prof. Susanne Schröter, renommierte Ethnologin, Islamwissenschaftlerin und Direktorin des „Forschungszentrums globaler Islam“.

Schon die Ankündigung der Konferenz hatte einen „Proteststurm“ ausgelöst. Anonym. Sturm von wie vielen Menschen? Einem? Zwei? Drei? #schroeter_raus! hieß der Hashtag, „Rassistin“ lautete der Vorwurf.

Die Konferenz fand statt und wurde zu einem Meilenstein. Erstmals wurde an einer deutschen Universität öffentlich unterschieden zwischen „Islam“ und „Islamismus“, zwischen Glauben und Ideologie.

Eingangs hielt Prof. Susanne Schröter einen augenöffnenden, bebilderten Vortrag über die Entwicklung Indonesiens zwischen 2011 und 2018: „Vom ‚Recht‘ auf das Kopftuch zur ‚Pflicht‘ zum Kopftuch“. Und sodann belegten zwei IslamwissenschaftlerInnen, Dr. Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule Freiburg und Dr. Dina El-Omari von der Universität Münster, unabhängig voneinander, dass das Kopftuch keineswegs „eine religiöse Pflicht“ sei und niemand sich damit auf den Koran berufen könne. Eine Auffassung, die übrigens schon längst offiziell auch von der Al-Azhar-Universität in Kairo bestätigt wurde, der höchsten theologischen Autorität des Islam.

Über die Konferenz wurde in den Medien durchaus breit und auch differenziert berichtet. Im Netz allerdings ging es dann quasi nur noch um mich. Und das kam so:

Ich hatte in der Konferenz über den Siegeszug des politisierten Islam gesprochen: ausgehend von Khomeinis Gottesstaat Iran ab 1979 bis in die islamischen Communities im Herzen Europas. Als einzige Referentin der Konferenz war ich dann irgendwann im Laufe des Tages durch den Nieselregen auf die andere Straßenseite gegangen, um mit den DemonstrantInnen zu sprechen. Etwa ein Dutzend Frauen, plus ein, zwei Männer. Es empfing mich Gebrüll. Ich ließ mich nicht entmutigen, versuchte zu verstehen und zu diskutieren. Dabei tippte ich einer kopftuchtragenden Demonstrantin ganz leicht an den linken Arm. Noch mehr Gebrüll. Rassistin! Frauenfeindin! „Wie können Sie es wagen, mich ohne Erlaubnis anzufassen? Ich zeige Sie an!“, schrie die Betroffene. Darauf antwortete ich ironisch: „Ich dachte, nur Männer dürfen Sie nicht anfassen.“

Jetzt war der „Skandal“ komplett. Der Initiator der Demonstration, Zuher Jazmati, hatte mitgedreht und stellte einen manipulativ verkürzten Auszug ins Netz. Zum Glück hatte auch jemand von EMMA und Kollegen von der Welt mitgedreht. Wir stellten eine längere Sequenz ins Netz, bis hin zu meinem Schlusssatz: „Ladet mich ein. Ich komme, und wir diskutieren.“

https://www.youtube.com/watch?v=daV4aGWOjb4

Im Netz ergossen sich dennoch die rituellen Beschimpfungen der selbsternannten „Anti-Rassistinnen“ und „intersektionellen Feministinnen“ über mich. Shitstorm. Allerdings auch wahnsinnig viel Zustimmung. Über 90 Prozent aller Stimmen waren auf meiner Seite (siehe Seite 110).

Die Menschen fangen allmählich an zu begreifen. Zu begreifen, dass sie mit ihrem Unbehagen und ihrer Kritik an einem schariahörigen Islam recht haben. Doch sie wurden bisher eingeschüchtert und mundtot gemacht mit dem Rassismus-Vorwurf.

Dabei sind Millionen aufgeklärte MuslimInnen in den heute 35 islamischen Ländern auf der Welt plus die im Westen lebenden die ersten Opfer dieser Fundamentalisten. Selbsternannte „Anti-Rassisten“ und postkoloniale „KritikerInnen“ sind die Helferlein dieser Fanatiker. Nützliche IdiotInnen oder geschulte Provokateure? Aus Naivität oder aus ideologischem Interesse?

Diese IdeologInnen halten nicht etwa zu den Opfern, sondern zu den Tätern. Und die deutsche Politik macht mit, indem sie seit Jahrzehnten „Dialoge“ führt mit Scharia-gläubigen Islam-Verbänden. Und viele Medien, allen voran linksliberale, schreiben diesen „Anti-RassistInnen“ nach dem Mund. Dabei braucht es nur ein paar Klicks, um zum Beispiel zu erfahren, wer der Mann ist, der die Demo angemeldet hat.

Nein. Lieber veröffentlichen manche linksliberale Medien, von Ze.tt bis Tagesspiegel, ungeprüfte Diffamationen über mich. Die kommen im besten Fall von Unbedarften, im schlechteren von Leuten, die genau wissen, was sie tun.

Ich kenne mich da aus. Zum ersten Mal wurde ich 1979 als „Rassistin“ beschimpft, als ich wenige Wochen nach der Macht­ergreifung von Khomeini und der Etablierung des „Gottesstaates“ im Iran war. Zurück in Deutschland habe ich geschrieben, was ich gesehen und gehört hatte. Meine düsteren Erwartungen haben sich nicht nur erfüllt, sondern wurden weit übertroffen. Aber was schallte mir schon damals aus gewissen – linken – Kreisen entgegen? Rassistin! Schon 1979 wurde ich also als „Rassistin“ diffamiert.

Schon 1979 wurde ich als "Rassistin" beschimpft

Oder 1993, das Jahr des Beginns der islamistischen Offensive in Deutschland. Damals bezeichnete mich eine gewisse Amina Erbakan in einem Interview als „unsere Feindin Nr. 1 in Deutschland“. Die Konvertitin war die Frauenbeauftragte der vom Verfassungsschutz scharf beobachteten islamistischen Organisation Milli Görüs und Schwägerin von Necmettin Erbakan, dem Chef der rechtsnationalen Wohlfahrtspartei. Erbakan galt als Inspirator von Milli Görüş sowie der rechtsnationalen „Grauen Wölfe“, war kurzzeitig Ministerpräsident der Türkei und wurde wegen „Volksverhetzung“ verurteilt. Er war außerdem der politische Ziehvater des heutigen Präsidenten Erdoğan. Noch Fragen?

Ich bin es also gewohnt, von gewissen Kreisen als „Rassistin“ beschimpft zu werden. Das kann mich nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf! Stolz, in Deutschland eine der – leider noch immer viel zu raren – Stimmen zu sein, die über den politischen Islam aufklären; über die internationale Offensive des politisierten Islam und die Agitation mitten unter uns, von Teheran bis Frankfurt. Und die seit Anbeginn den Schulterschluss mit aufgeklärten MuslimInnen praktiziert hat. Denn der Islamismus ist eine der größten Gefahren unserer Zeit. Er ist mindestens so ernst zu nehmen wie das Erstarken der traditionellen Rechten. Genauer: Der Islamismus ist Teil der internationalen Rechten.

Dass immer mehr Menschen auch in Deutschland das begreifen, zeigen ihre Reaktionen.

Im Netz
Video-Aufzeichnung der Kopftuch-Konferenz: https://bit.ly/2ZmNWMo

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