Kopftuch-Trouble an Uni Frankfurt

Prof. Susanne Schröter, Direktorin des „Forschungszentrums Globaler Islam“. - Foto:© christoph boeckhele r*
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Einen Tag lang wird es darum gehen, ob das Kopftuch ein „Symbol der Würde oder Unterdrückung“ ist. Für ein „Symbol der Unterdrückung“ dürften es wohl drei der ReferentInnen halten: die Deutsch-Türkin Necla Kelek, der Deutsch-Algerier Abdel-Hakim Ourghi und Alice Schwarzer. Für ein „Symbol der Würde“ mindestens zwei der Referentinnen, darunter die verschleierte Khola Maryam Hübsch.

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Dennoch hätten die anonymen ProtestlerInnen die akademische Veranstaltung am liebsten verhindert und rufen jetzt auf Facebook zum Live-Protest auf: „Wir werden euch mit Slogans versorgen und inspirieren!“

"Ein Versuch, jegliche Kritik am Islam mit Rassismus gleichzusetzen"

So weit, so unerfreulich. Erfreulich ist, dass sowohl die Präsidentin der Uni, Birgitta Wolff, als auch der AStA sich sofort und eindeutig hinter Schröter stellten. Fatma Keser vom AStA spricht von einer „Hetzkampagne“ gegen Schröter. Die Feminismusreferentin macht darauf aufmerksam, dass keineswegs nur StudentInnen hinter der Kampagne steckten. Keser machte in der Kampagne ihr bereits bekannte „türkisch-nationalistische“ und „islamistische“ Kräfte aus. „Die versuchen, jede Kritik am Islam mit Rassismus gleichzusetzen“, sagte sie im Deutschlandfunk.

Denn, das ist klar: Bei dieser Debatte geht es um mehr als um „ein Stück Stoff“. Es geht auch und vor allem um den Unterschied zwischen Islam und Islamismus, also dem politisierten Islam, der seit der Machtergreifung Khomeinis 1979 im Iran das Kopftuch zu seiner Flagge gemacht hat.

Ursprünglich hatte der von Prof. Schröter für die Konferenz vorgesehene Raum nur 150 Plätze. Doch schon Tage zuvor lagen 700 Anmeldungen vor. Die Konferenz wird wohl in einen größeren Raum umziehen müssen. Und wegen des überwältigenden Interesses wird sie im Livestream gesendet werden: Mittwoch, den 8. Mai, ab 10 Uhr.

Hier gibt es das Programm zur Konferenz.

Mehr von Alice Schwarzer zum Thema Islamischer Fundamentalismus

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Protest gegen Kopftuch-Ausstellung

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Sehr geehrter Herr Prof. Matthias Wagner K,

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wir, die Gruppe „Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung“, sind entsetzt, dass Sie die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ hier nach Frankfurt in die Wiege der deutschen Bürgerrechte geholt haben. Diese Ausstellung, die vorgeblich religiöse Kleidervorschriften als Mode darstellt, ist ein Schlag ins Gesicht inländischer und ausländischer Frauenrechtlerinnen. Sie machen sich damit der Religionspolizei in manchen islamischen Ländern gemein.

Mit dieser Ausstellung ignorieren Sie den Kampf von Frauenrechtlerinnen in islamischen Staaten, die sich gegen den Zwang zu Verschleierung und Verhüllung einsetzen und dafür ihre Freiheit, ihre Unversehrtheit und ihr Leben riskieren. Jedes Jahr werden gegen Tausende von Frauen im Iran Strafen ausgesprochen wegen Verstoßes gegen die Kleidervorschriften.

Sie ignorieren den Kampf von Frauenrechtlerinnen in islamischen Staaten

Sie dagegen bieten diesem Kleidungsdiktat eine Plattform, als sei es den betroffenen Frauen möglich, sich selbstbestimmt, bunt und mondän zu kleiden. Was glauben Sie, wie viele Frauen in den islamischen Ländern tatsächlich Zugang zu dieser „contemporary Fashion“ haben? Es ist, wenn überhaupt, eine kleine, elitäre Schicht. Und selbst die tragen solche Kleidung nur zu bestimmten Anlässen, innerhalb der Familie, im Urlaub oder wenn sie ausschließlich unter Frauen sind.

Indem Sie Verhüllung und Schleier prioritär als Mode präsentieren, verharmlosen Sie den Ursprung, woher diese Mode kommt: Nämlich die Religion, mithilfe derer die Hälfte der Bevölkerung – die Frauen – in islamischen Staaten unterdrückt wird. Genau wie die westlichen ModemacherInnen verkennen Sie, dass die sogenannte Freiwilligkeit, mit der sich Models oder sogenannte modebewusste muslimische Frauen verhüllen, eine antrainierte Haltung ist.

Wir wissen aus eigener Erfahrung: Wenn ein Mädchen von klein auf vermittelt bekommt, dass eine unverschleierte Frau „unrein“, „nicht sittsam“, „unehrenhaft“ ist, und wenn die Familie und das soziale Umfeld keine oder nur Alternativen aufzeigt, die mit Ausgrenzung und Schuld verknüpft sind, dann kann dies nicht als freiwillig bezeichnet werden. Insofern sind auch keine ehrlichen Aussagen zur „freiwilligen Verhüllung“ zu erwarten. Die Kopfbedeckung als Mode wird in Deutschland bei manchen als „Wahl“ angesehen. In vielen islamischen Ländern haben die Frauen gar keine Wahl und müssen sich verhüllen.

In vielen islamischen Ländern haben die Frauen gar keine Wahl

Die Trennlinie verläuft daher nicht zwischen morgen- und abendländischer Mode, sondern zwischen solchen Frauen, denen ihr Umfeld die Wahl ihrer Kleidung überlässt und solchen Frauen, denen ihr Umfeld diese Wahl nicht lässt; zwischen verschleierten und freien Frauen.

Diese Ausstellung versucht, die Macht des "modischen Diktats" mit der Macht einer vorgeblichen Religionsvorschrift zu vereinbaren. Mit der Darstellung von verschleierten Frauen übernehmen Sie das rückwärtsgewandte Frauenbild islamischer Staaten und der islamistischen Bewegung. Darin wird die Frau prioritär als Sexualobjekt begriffen, deren Reize zu verbergen sind. Um sich vor den lüsternen Blicken der Männer zu schützen, wird von den Frauen erwartet, sich zu verschleiern. Ein solches Geschlechterverständnis darf in einer öffentlichen Institution wie in Ihrem Haus in einem säkularen Staat wie Deutschland nicht gefördert werden.

Glauben Sie wirklich, dass die Verhüllung der Frauen – und speziell des Kopfes mit dem Plastikuntergestell zum Schutz der Haare und dem darüber gewickelten Kopftuch – praktisch und bequem ist? Wir haben es selbst erfahren: Es ist eine Einschränkung in der Bewegung, da nichts verrutschen darf. Ganz zu schweigen von der Unannehmlichkeit, sich im heißen Sommer so zu kleiden, während muslimische Männer kurze Hosen tragen und ihre Arme nicht bedecken.

Ihre Ausstellung liefert konservativen muslimischer Kreise in Deutschland Argumente, Mädchen nicht zum Sportunterricht schicken. Sie erschwert jungen Mädchen aus diesen Kreisen, sich den Kleidervorschriften zu widersetzen und für ihre Bekleidungsfreiheit zu kämpfen.

Kleiderzwang als Modetrend „modest fashion“ zu bezeichnen, ist zynisch

Es ist absurd, dass ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Errungenschaften der Frauenrechte deutschlandweit gefeiert werden, mit einer Ausstellung unweit der Paulskirche eine Kleiderordnung protegiert wird, mit der die Hälfte der Bevölkerung in muslimischen Ländern und auch in den muslimischen Communities in Deutschland unterdrückt wird. Und es ist zynisch, diesen Kleiderzwang als neuen Modetrend „modest fashion“ zu bezeichnen. Wobei die Zuschreibung „modest“ schon aussagt, um was es geht: die züchtige Verhüllung von Frauen. Nur stylisch und farbenfroh präsentiert, im Gegensatz zu den dunklen Farben, in denen wir Hijab und Burka sonst zu sehen bekommen. Geschlechterapartheit in bunt statt braun! Welcome to Germany 2019!

Wir erwarten, dass das Museum keine Weltanschauung unterstützt, welcher überholte Rollenzuschreibungen von Frauen und Männern zugrunde liegt und gleichzeitig gegen Menschenrechte verstößt!

Daher fordern wir Sie auf: Schaffen Sie im „Museum für Angewandte Kunst“ eine neutrale Atmosphäre, in denen Frauen und Männer gleichberechtigt miteinander kulturelles Gut erleben und erfahren können. Hinterfragen Sie die Religion, die hinter dieser sogenannten Mode steht, im Sinne der Aufklärung und der Menschenrechte kritisch. Schützen Sie die Neutralität Ihres Hauses!

Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung

Kontakt: iran.women.solidarity@gmail.com

 

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