„Vive les femmes iraniennes!“
„Keine Gesellschaft kann frei sein, wenn ihre Frauen nicht frei sind. Diese Verbindung von Feminismus und Humanismus war ein zentraler Gedanke von Simone de Beauvoir“, erklärt Chahla Chafiq.
Die Soziologin und Schriftstellerin („Le Rendez-Vous Iranien de Simone de Beauvoir“) floh 1982, drei Jahre nach der „islamischen Revolution“, vor den misogynen Gotteskriegern nach Paris. Vier Jahrzehnte später spricht sie nun bei der Verleihung des diesjährigen Prix Simone de Beauvoir im Lateinamerikahaus am Pariser Boulevard St. Germain.
Denn in diesem Jahr geht der Preis, der im Namen der großen Universalistin Beauvoir seit 2008 jährlich an deren Geburtstag am 9. Januar verliehen wird, an die todesmutigen iranischen Frauen.
Sie weichen nicht zurück - trotz Folter, Vergewaltigungen und Todesurteilen
„Als nach Khomeinis Machtergreifung 1979 der Schleierzwang eingeführt wurde, protestierten iranische Frauen zu Tausenden in den Straßen. Simone de Beauvoir unterstützte ihren Kampf“, erklärt die Jury, der auch Alice Schwarzer angehört. Jetzt sind die Iranerinnen wieder auf der Straße. Seit dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini, die verhaftet und verprügelt wurde, weil sie ihren Schleier „nicht korrekt“ getragen hatte, tobt der Protest, der längst das ganze Land erfasst hat.
„Der Frauenrevolte gegen die islamistische Diktatur sind junge Menschen im ganzen Land gefolgt. Und sie weichen nicht zurück, trotz Folter, Vergewaltigungen und Todesurteilen“, so die Jury. „Die Revolte der Frauen ist zum Kampf einer ganzen Generation für die Freiheit geworden.“
#Iran #RevolutionFeministe #RevolutionUniverselle . Ce matin le prix Simone de Beauvoir pour la liberté 2023 a été remis aux Iraniennes, à la mémoire de Mahsa Amîni, par Sylvie Le Bon de Beauvoir. pic.twitter.com/d5MwaiuQRE
— annette levy willard (@levywillar) January 9, 2023
„Es ist nicht allein der Hidjab, den die Frauen ablehnen, sondern die Unerträglichkeit einer Existenz, die von einer klerikalen Ordnung kontrolliert und erstickt wird“, erklärte Jury-Präsidentin und Beauvoirs Adoptivtochter Silvie Le Bon de Beauvoir. „Ein weiteres Mal ist der Beweis erbracht, dass Frauen, wenn sie wollen, dass die Dinge sich ändern, sie die Dinge selbst in einer autonomen Aktion in die Hand nehmen müssen.“
Schon 2009 hatte die Jury den Prix Simone de Beauvoir an iranische Frauen verliehen, damals an die Initiative „Eine Million Unterschriften“. Die Aktion forderte nichts weniger als die völlige rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern und wurde auch damals rasch zur bedeutendsten gesellschaftlichen Bewegung des Landes. Jetzt kämpfen die Frauen wieder - und mit ihnen viele Männer, die ein Ende der Mullah-Diktatur wollen.
„Wir wünschen von ganzem Herzen, dass diese Bewegung den Sieg davonträgt, dass der Iran frei wird und mit der Befreiung des Iran eine Seite im Buch der Menschlichkeit umgeschlagen wird“, sagt Exil-Iranerin Chahla Chafik. „Vive les femmes iraniennes! Vive le mouvement! Femme, Vie, Liberté!“ Frau, Leben, Freiheit!