Alice Schwarzer schreibt

Worum geht es wirklich?

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Wer Anfang Juni eine deutsche Zeitschrift oder Tageszeitung aufschlug – von Spiegel bis FAS, von Tagesspiegel bis Süddeutsche –, konnte in immer neuen Varianten (wenn auch meist von altbekannten AutorInnen) Widersprüchliches lesen. Die einen schrieben, EMMA sei schon lange ein zur „Bedeutungslosigkeit verkommenes Blatt“; die anderen wussten von der heiß umkämpften EMMA zu berichten, in der nun endlich „die jüngeren Frauen“ die Regie übernehmen sollen. Und davon, dass diese senile Schwarzer jetzt ganz durchdrehe, nicht loslassen wolle und ihre potenzielle, jüngere Chefredakteurin samt deren brandneuem Thema Familie & Beruf vergrault habe.

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Nun, einmal ganz davon abgesehen, dass die potenzielle „junge Erneuerin“ bei EMMA zu den Mittelalten gehört hätte – die EMMAs sind zwischen 29 und 46, ich bin mit 65 die Älteste (wenn auch so alt wie viele amtierende Chefredakteure und sechs Jahre jünger als der aktuelle republikanische US-Präsidentschaftskandidat) – also einmal ganz abgesehen davon, hat die angeblich so gestrige EMMA laut Leserinnen-Analyse 2007 die jüngsten Leserinnen aller Frauen-Zeitschriften. Mit einem Altersdurchschnitt von 39 Jahren und jeder dritten Leserin unter 30. Von einer solchen Altersstruktur ihrer Leserschaft können Brigitte (Durchschnitt 46 Jahre), Spiegel (46 Jahre) oder ZEIT (48 Jahre) nur träumen.

Es geht hier also nicht um einen Generationen-Konflikt, weder bei den Macherinnen noch bei den Leserinnen. Der ist in dieser ganzen Mädchen-Debatte nur ein vorgeschobenes Argument von Frauen, die gerne noch jung wären oder die glauben, Jungsein genüge. Es geht um Fragen der politischen Haltung und der journalistischen Qualität.

Was Letzteres angeht: Da scheinen bei den besagten Medien mal wieder alle Dämme gebrochen. Ihre Berichterstattung in Sachen Alice & EMMA ist nicht nur weitgehend faktenfrei, sondern auch bar jeder journalistischen Sorgfaltspflicht und ethischen Verantwortung.

Übrigens, apropos „Positionierung neuer Themen“ bei EMMA, wie Familie & Beruf: Eine Art „Väterzeit“ hat EMMA erstmals 1979 gefordert (Titelgeschichte im September). Die Väterzeit in der heutigen Form fordert EMMA seit 2003 (da war Renate Schmidt noch Frauenministerin) – allerdings 50/50 für Mütter und Väter! EMMA-Dossiers über Ganztagsschulen und Krippen gab es seit den 80ern zuhauf und unter Rotgrün und Schwarzrot vermehrt – und nicht zuletzt dank EMMA ist dieses Problem jetzt endlich auch eine breite gesellschaftliche Debatte.

Nun ist es wieder an EMMA weiterzudenken. Was sind die wirklichen Chancen und Herausforderungen für Frauen wie Männer heute? Und wo drohen Rückschläge und Fallen? Denn EMMA hat nicht die Absicht, eine moderne Brigitte zu werden (Brigitte ist modern genug). EMMAs Rolle bleibt, das Mögliche von Morgen heute zu denken. Auch wenn es noch unmöglich scheint.

Aufmerksamen ZeitgenossInnen wird es nicht entgangen sein: Im Kleinen laufen diese Hetzkampagnen gegen Alice & EMMA rituell alle paar Jahre, im Großen etwa im Zehn-Jahres-Rhythmus. Der Anlass ist beliebig, jeder Vorwand ist willkommen. Zum Beispiel eine Personalie, die bei jedem anderen Verlag ein Dreizeiler oder eine einmalige kleine Glosse wäre (wie im Falle Spiegel vor einigen Monaten). Und es fällt auf, dass es überwiegend die Immerselben sind, die Erschröckliches zu berichten wissen aus dem Hause EMMA (von Cathrin Kahlweit in der SZ bis Alexander Marguier in der FAS) – und dass ein einschlägiges Zitat der taz-Chefin Bascha Mika dabei selbstverständlich nie fehlen darf, neuerdings gehört auch die Autorin Thea Dorn zum festen Personal.

Die Motive bei solchen Schwarzer-Bashings sind unterschiedlich. Das geht von der schlichten Rivalität (Dorn u. a.) bis hin zu ganz handfesten politischen Motiven. So ist Marguier von der FAS Leiter des Ressorts „Gesellschaft“, das wiederum Teil der Politik ist, und da heißt der Ressortleiter – Volker Zastrow. Ein Name, der engagierten Feministinnen und Politikerinnen seit Jahren übel in den Ohren klingt. Denn Zastrow, früher Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), heute Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS), hat sich in den letzten Jahren, neben Eva Herman, als der medial führende Antifeminist profiliert. Seine Attacken als zuständiger Redakteur (der im Sommer 2006 u. a. die antiemanzipatorische Suada des Kieler Therapeuten Flöttmann verantwortete) und als Autor sind schon wahnhaft zu nennen. Am 19. Juni 2006 wütete Zastrow in der FAZ gegen Gleichstellung („Geschlechtsumwandlung“) und Krippen („Staatskrippenplätze“). Für ihn ist die moderne Familienpolitik nichts als eine Spätfolge der Frauenbewegung (was stimmt), ja schlimmer noch: ein Lesbenkomplott (was überrascht). Im Zentrum von Zastrows Angriffen stehen Familienministerin von der Leyen und Alice Schwarzer. Und nur zu gerne folgen seinem Anpfiff die Kollegen, vom Magazin Spiegel bis hin zum Organ der neuen Rechten Junge Freiheit.

Wenn das in der FAS von Marguier gezeichnete Pamphlet gegen mich („Die Plattmacherin“) mit dem Wiederaufwärmen der Kritik an meiner Teilnahme der Bild-Werbekampagne im Sommer 2007 episch einsteigt, so ist das in diesem Falle mehr als bigott. Denn Bild, von der jeder weiß, dass sie ein Boulevard-Blatt mit Revolvermethoden ist, kann nur blass werden bei dem Ausmaß an Häme, Hass und Demagogie eines solchen Textes wie der in der FAS – von der jeder glaubt, sie sei das zur Zeit führende Intellektuellen-Blatt.

Und es fällt auch auf, dass es immer dann besonders heftig losgeht, wenn EMMA mal wieder in die Offensive gegangen ist: Richtung Pornografie und Prostitution, bzw. christlicher oder islamischer Fundamentalismus.

Und noch etwas: Sollte irgendeine dieser Kolleginnen, die anscheinend nicht länger in von Konzernen und Werbung abhängigen Redaktionen arbeiten wollen, gerne ein eigenes Blatt haben wollen, habe ich einen sehr guten Rat: Sie sollen es doch einfach selber gründen. So wie ich EMMA 1977 gegründet habe.

Die Tatsache, dass ich nicht nur die Macherin von EMMA, sondern auch ihre Verlegerin bin, und dass 90 Prozent der Einnahmen von EMMA aus dem Verkauf des Heftes kommen (und nicht aus der Werbung), das ist und bleibt die Garantie für EMMAs Unabhängigkeit. Nur eine ökonomische Unabhängigkeit garantiert eine wirkliche journalistische Unabhängigkeit. EMMA hat sich schon immer, wenn nötig, mit allen angelegt – und das wird auch so bleiben. Auch in Zukunft wird EMMA von unangepassten, unerschrockenen Frauen gemacht werden.

Keine Sorge, bzw. Nicht zu früh gefreut: Ich bin diese Versuche der persönlichen Demontage, die weitgehend auf begründete sachliche Kritik verzichtet, schon sehr lange gewohnt – und ich habe längst gelernt, sie als Herausforderung zu verstehen.

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