Alle zweieinhalb Tage!

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„Orange the World“ heißt es am 25. November, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen“. Seit 21 Jahren will die Kampagne der Vereinten Nationen damit auf die Gewalt gegen Mädchen und Frauen aufmerksam machen. Ursprünglich geht der Tag auf ein Treffen lateinamerikanischer Feministinnen 1981 zurück, die den Schwestern Mirabal gedenken wollten, die durch Militärangehörige des damaligen Diktators Rafael Trujillo verschleppt und schließlich ermordet wurden.

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In Deutschland ist dann wieder das Wort „Häusliche Gewalt“ in aller Munde. Das verschleiert seit Jahrzehnten, worum es wirklich geht: die Gewalt von Männern gegen Frauen. Und es schiebt Straftaten in die eigenen vier Wände, wo keiner hinschauen soll.

Gerade das ist jetzt nötiger denn je. Deutschland erreicht einen traurigen Höhepunkt: Nicht mehr nur an jedem dritten, sondern alle zweieinhalb Tage passiert ein Femizid, stirbt eine Frau durch die Gewalt ihres Mannes (die nicht erklärbaren „Haushaltsunfälle“ nicht miteingerechnet). 139 Frauen (und 30 Männer) sind 2021 von ihrem Mann getötet worden.

Und laut der aktuellen Statistik des Bundeskriminalamtes zur „Partnerschaftsgewalt“ registrierten die deutschen Behörden im vergangenen Jahr bundesweit 146.655 Fälle, in denen ein Ehe- oder Ex-Mann oder Freund Gewalt ausübte (2019 waren es 140.000). Jede Stunde werden in Deutschland durchschnittlich 13 Frauen Opfer von Männergewalt, so die Statistik.

In Deutschland werden jede Stunde 13 Frauen Opfer von Männergewalt

Am „Orange Day“ werden lokale Wahrzeichen auf der ganzen Welt in Orange angestrahlt, tausende Kommunen, Vereine und Initiativen rufen zu Protestveranstaltungen auf. Frauen laufen mit orangefarbenen Regenschirmen durch die Städte, hissen orangene Fahnen an den Rathäusern. In Brüssel werden um Punkt 12 Uhr tausende Frauen vor dem Europäischen Parlament gegen Männergewalt demonstrieren, in Deutschland startet das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ die Mitmachaktion „Wir brechen das Schweigen“. BürgerInnen, PolitikerInnen, Verbände, Einrichtungen und Prominente sind dazu aufgerufen, ein Selfie mit dem Aktionsschild des Hilfetelefons unter dem Hashtag #schweigenbrechen“ in ihren sozialen Netzwerken zu posten. „Unsere Nummer muss bekannter werden, Frauen müssen sich trauen, bei uns anzurufen, wenn sie in Gefahr sind!“, so Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons, zur Aktion.

Und auch in kleineren Kommunen bekennen die Menschen Farbe. Eine Bäckerei in Koblenz bedruckt 100.000 Brötchentüten mit Hilfenummern, SchülerInnen des Carl-Reuther-Berufskollegs in Hennef haben orangene Bänke für den gesamten Rhein-Sieg-Kreis gebaut. Auch auf ihnen ist die Nummer des Hilfetelefons für Frauen angegeben. Dazu die federführende Lehrerin Eva Zoske: „Die häufigste Todesursache von Frauen im Alter zwischen 16 und 44 Jahren ist nicht ein Unfall oder eine Krankheit, es ist Gewalt! Wir alle müssen dieser schrecklichen Entwicklung entgegenwirken!“

Ein Aktionstag reicht nicht, aber er zeigt: Wir alle müssen hinschauen und handeln!

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Das dachten sich auch die FriseurInnen der niederländischen Provinz Brabant, die seit Anfang des Jahres darauf geschult werden, Männergewalt zu erkennen und zu handeln. „Wir sind halbe PsychologInnen“, sagt Irma Geraerts, die dort einen eigenen Salon hat, „unsere Kundinnen vertrauen uns vieles an. Ein Therapeut erklärte mir mal, dass wir den Vorteil haben, Menschen zu berühren. Wir sind buchstäblich in ihrer Nähe. Die Tatsache, dass wir hinter den Frauen stehen und im Spiegel Blickkontakt halten, hilft enorm.“ Die angelsächsischen Länder haben bereits viele gute Erfahrungen mit FriseurInnen im Kampf gegen Männergewalt gemacht. Das Hilfsangebot soll in den Niederlanden sogar flächendeckend Teil der Ausbildung werden.

Ein Aktionstag allein reicht nicht aus, um Frauen und Mädchen vor Männergewalt zu schützen. Aber er zeigt: Diese Gewalt geht uns alle an – und wir alle müssen hinschauen, handeln und helfen.

Hilfetelefon: 08000 116016 (die Hotline berät anonym und kostenfrei und in 17 Fremdsprachen zu allen Formen der Gewalt: Häusliche Gewalt, Mobbing, Stalking, Zwangsheirat, Vergewaltigung oder Menschenhandel)

www.aktion.hilfetelefon.de

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