Soltau im Frauenmuseum Bonn

Annegret Soltau: Mutter Vater Tochter Sohn, Serie: transgenerativ 2005
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Die Fahrt nach Bonn lohnt sich diesmal ganz besonders: Bis zum 7. September werden im Frauenmuseum die Arbeiten von Annegret Soltau gezeigt. Parallel zu der Ausstellung "Single Moms".

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Soltau hat sich als Nachkriegskind die Freiheit, Künstlerin zu werden, hart erkämpfen müssen. Dieser Kampf, das Wissen um die "Normalität" des Frauseins, hat ihre Arbeit geprägt. Die Künstlerin arbeitet auch als Zeichnerin und Malerin, doch ihre zentrale Technik ist das "Vernähen". Sie zerreißt Fotos, oft von sich selbst, in Stücke und "vernäht" sie dann mit großen Stichen neu und anders. So erzwingt sie auch bei den BetrachterInnen einen "neuen" Blick auf scheinbar Vertrautes.

Das Frauenmuseum zeigt die Arbeiten von Soltau in vier Räumen, in denen die Künstlerin sich sozusagen durch ihr eigenes Leben und dessen verschiedene Etappen "näht".

In Raum 1 ght es um die "Selbst", darunter auch frühe bekannte Werke wie das Triptychon "Körper-Eingriffe" und "Ich bedrückt" aus den Jahren 1977/78.

In Raum 2 ist "Schwanger" das Thema. Selber Mutter hat sie die eigene Schwangerschaft thematisiert: Kann eine Frau heute Künstlerin und Mutter sein oder bringt die Mutterschaft die Künstlerin zum Verstummen? Bei Soltau ist das Gegenteil der Fall: Sie schuf zahlreiche eindringliche Foto- und Videoarbeiten zu dem Thema.

In Raum 3 geht es um die Geburt. Wenn eine Frau sich erst einmal darauf einlasse, schwanger zu werden und zu bleiben, dann sei sie dem Zeitlauf der neun Monate komplett ausgeliefert, sagt Soltau. Und es endet immer mit der Geburt. Dazu schuf sie u.a. die Videoinstallationen "Gebären-Müssen" und "Auf dem Gebärtisch".

Bringt die Mutterschaft die Künstlerin zum Verstummen?

Raum 4 zeigt aktuelle Arbeiten zu dem Thema "Generativ". Die Künstlerin stellt sich ab 1994 mit ihren Fotovernähungen in die Reihe der Generationen, wie bei der Arbeit "Selbst mit Tochter, Mutter und Großmutter".

Zur Finissage am 7. September (15 Uhr) ist Annegret Soltau anwesend und im Gespräch mit Gabriele Uelsberg, der Direktorin des LVR-LandesMuseums Bonn.

Annegret Soltau: "Einheit und Trennung - Familienbilder", www.frauenmuseum.de, www.annegret-soltau.de

Baldur Greiner: Annegret Soltau. Ich war total suchend (Weststadt Verlag)

 

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Sie schickte ihren Sohn in den Tod

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Berlin, August 1914. Während in den Straßen die Soldaten unter dem frenetischen Jubel der Menschenmassen im Gleichschritt an die Front ausrücken, herrscht in der Spandauer Wohnung der Familie Kollwitz ein erbitterter Streit. Grund: Sohn Peter will in den Krieg. Erfasst von der patriotischen Euphorie, die im Kaiserreich tobt, will auch er sich freiwillig melden, wie so viele seiner Freunde.

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Der Junge ist erst 18, also nicht volljährig. Er fleht seine Eltern an, ihm die Erlaubnis zu geben. „Das Vaterland braucht meinen Jahrgang noch nicht, aber mich braucht es!“ brüllt er. Vater Karl, ein Armenarzt, ist entsetzt. Mutter Käthe ist – dafür. 

Käthe Kollwitz ist schon damals eine bekannte Künstlerin. Und sie ist nicht ­gerade kaisertreu. Im Gegenteil: Es ist ­bekannt, dass sie den Sozialdemokraten nahesteht. In ihren Bilderzyklen über Bauernkriege und Weberaufstand hat sie immer wieder Armut und Elend der ­einfachen Bevölkerung angeprangert. Wilhelm II. verspottet ihre zerschlissenen Arbeiter und hungernden Kinder als „Rinnsteinkunst“. 

Doch in diesen Wochen hat die allgegenwärtige Kriegspropaganda sogar die Frau ergriffen, die wir heute mit ihrem berühmten „Nie wieder Krieg“-Plakat als die große künstlerische Mahnerin gegen den Krieg kennen. Aber als Deutschland am 1. August 1914 Russland und zwei Tage später Frankreich den Krieg erklärt, ist sogar Kollwitz ergriffen, wenn die Propagandisten vom Krieg als „reinigendes Stahlbad“ schwärmen. Wenn es heißt, dass der „Einkreisung“ Deutschlands durch den „Erbfeind“ Frankreich im Westen und die „slawische Flut“ im Osten jetzt endgültig der Garaus ­gemacht werden müsse.

„Ich muss etwas zu meiner veränderten Einstellung zum Krieg sagen“, schreibt Kollwitz in ihr Tagebuch. „Zum ersten Mal empfand ich die ­absolute Gemeinsamkeit des Volkes. Ich empfand ein Neu-Werden in mir. Als ob nichts der alten Wertschätzungen noch standhielte, alles neu geprüft werden müsse.“ Sie überredet ihren Mann Karl, die Einverständniserklärung für den gemeinsamen Sohn zu unterschreiben. 

Am 10. Oktober 1914 – Peter ist seit wenigen Tagen, gemeinsam mit fünf Millionen deutschen Männern, an der Front – nehmen die deutschen Truppen Antwerpen ein. Auf dem Weg zum Erbfeind Frankreich marschiert Deutschland völkerrechtswidrig durch das neutrale Belgien, das unerwartet Widerstand leistet. Der Durchmarsch, der in neun Tagen erledigt sein soll, dauert nun schon zweieinhalb Monate, und die Zivilbevölkerung bekommt die Wut der deutschen Besatzer durch Plünderungen und Massaker zu spüren. Als Antwerpen fällt, notiert Käthe Kollwitz in Feierlaune: „Zum ersten Mal in unserem Leben hängen wir Sozialdemokraten, die wir bewusst sind und bleiben, die schwarz-weiß-rote Fahne des Kaisers aus der Stube. Das gilt unserem Peter und Antwerpen.“ 

Zwei Wochen später ist Peter tot, gefallen in Flandern. Und seine Mutter ist tief erschüttert: „Tod fürs Vaterland, das spricht sich so hin. Welch furchtbare Tragödie, welch Triumph der Hölle verbirgt sich hinter der glatten Maske dieser Worte.“ 

Es mag verwunderlich scheinen, dass es erst dieses persönlichen Dramas bedarf, um bei der Sozialistin Kollwitz die patriotische Blase platzen zu lassen. Aber es ist typisch. (...)

Neugierig geworden? Der vollständige Artikel steht in EMMA Juli/August 2014. Ausgabe bestellen

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