Benigna Munsi: Das smarte Christkind

Das perfekte Christkind: Benigna Mursi. - Foto: Boris Schumacher/imago images/HMB-Media
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Weihnachten kann kommen. Das Fest der Liebe wirft bereits ein verheißungsvolles Licht voraus: ein ziemlich smartes Christkind! Am Freitag eröffnet die 17-jährige Benigna Munsi als solches den weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarkt. Sie tritt mit blondgelockter Perückenmähne (alle Christkinder tragen diese Perücke, egal, welche Haarfarbe sie haben), goldenem Kleid und ihrem unschlagbaren Lächeln Punkt 17.30 Uhr vor die Menge. Sie wird von der Empore der Frauenkirche den traditionellen Prolog sprechen, mit dem jedes Jahr der Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnet wird.

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Eines Tages geht es uns wie den Indianern!

Medien aus der ganzen Welt werden vertreten sein. Den letzten großen Ansturm hatte Nürnberg 2017 mit der Geburt von Eisbärin Flocke. Jetzt wegen Benigna. In diesem Jahr setzt die 17-Jährige als Christkind ein Zeichen.

Kurz nach der Christkind-Wahl hatte ein Vertreter des AfD-Kreisverbandes München einen Post mit ihrem Bild in die Welt gejagt. Der Text dazu: „Nürnberg hat ein neues Christkind. Eines Tages wird es uns wie den Indianern gehen.“ Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) war empört: „Man müsste lachen, wenn man nicht wüsste, dass diese Typen es ernst meinen. Aber man könnte heulen über so viel Menschenfeindlichkeit.“

Benignas Vater ist Inder, daher ihre etwas dunklere Hautfarbe und die Angst des AfDlers, das Abendland könne schon bald in die ewigen Jagdgründe eingehen. Dabei liegt der Ursprung des Christentums ja tendenziell eher in Richtung Morgenland, aber das nur nebenbei.

Foto: Fabian Bujnoch / Stadt Nürnberg
Foto: Fabian Bujnoch / Stadt Nürnberg

Die frohe Botschaft: Benignas Freude, Christkind zu sein, ist ungebrochen, und dem Hass-Post Weniger folgte ein Schwall der Solidarität der großen Mehrheit. Benigna sagt: „Ich habe jetzt gelernt, was ein Candy-, ein Love-, ein Honeystorm ist!“ Menschen schrieben ihr, sie solle sich nicht einschüchtern lassen, sie sei das perfekte Christkind und der Großteil der Deutschen stehe voll und ganz hinter ihr.

Zur AfD hatte Benigna lange Zeit nichts gesagt. Bis zur Pressekonferenz am vergangenen Sonntag: „Es tut mir leid für die Menschen, die mit so einer Sicht durch die Welt gehen und sich nicht auf das fokussieren können, was wirklich wichtig ist.“ Es sei das erste Mal gewesen, dass sie wegen ihrer Hautfarbe und Aussehen angefeindet worden sei. Sie hofft darauf, dass in ihrer Generation irgendwann Herkunft oder Aussehen keine Rolle mehr spielten und das Verbindende im Vordergrund stehe.

Es sprachen auch die Eltern. Vater Kausik Munsi, der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet, ist mit 19 aus Indien nach Deutschland gekommen. Seit Jahren schon hat er die deutsche Staatsbürgerschaft, er schwärmt von der Stärke der Demokratie, von einem Deutschland, das ihn „mit offenen Armen“ empfangen habe. Die deutsche Mutter, Teresia-Benedicta Kleiner-Munsi, sieht das schon kritischer: „Es war immer klar, dass unsere Kinder Mischlinge sind und dass es dumme Leute gibt“, sagt sie.

Es war uns immer klar, dass es dumme Leute gibt!

Benigna, die auch 2020 noch das Christkind geben wird, ist nicht nur die ideale Besetzung für den Posten, sie ist sogar in der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifaz aktiv als Ministrantin, spielt mehrere Instrumente, tanzte zwölf Jahre Ballett, turnte und spielt heute Fußball. Ihr Berufswunsch ist Schauspielerin. Erfahrungen hat sie bereits im Jugendclub des Nürnberger Staatstheaters gesammelt. Benigna spricht neben Deutsch und Englisch auch noch Portugiesisch und Spanisch. Ein internationales Christkind sozusagen.

Um Christkind sein zu dürfen, muss Frau folgende Voraussetzungen erfüllen: Die Anwärterinnen sollten möglichst in Nürnberg geboren sein und mindestens 1,60 Meter groß, schwindelfrei und wetterfest sein. Und „herzlich, offen und belastbar“ sollten sie auch sein. Das Christkind 2019 erfüllt all diese Kriterien.

Christkind Benigna, wir glauben an dich!

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Woher kommt der Hass auf Greta?

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Leider gehöre ich zu den Menschen, die sich Aufkleber an voran fahrenden Autos immer genau anschauen müssen. Und da ich sowohl auf der 30-minütigen Fahrt zur Arbeit als auch davon zurück ständig im Stau stehe, bekomme ich so einiges zu lesen. Da wären in erster Linie die ganzen patriotischen KölnerInnen, die mit der Skyline am Heck ihrer geliebten Stadt huldigen. Kann ich verstehen, Köln gefällt mir auch gut. Dicht gefolgt von den 1. FCK Fans, die ihren Verein als „Macht am Rhein“ feiern. Soweit die Wunschvorstellung.

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Schnüffel
an meinem Auspuff, Greta!

Über die Aufkleber von LKW-Fahrern schweigen wir hier mal lieber. Cliché as cliché can be. Nur der etwa DIN-A-4 große Katzenaufkleber sei mal erwähnt, mit der Aufschrift: „Und wann zeigst du mir deine Muschi?“

Luft nach unten ist also immer. Wie tief es aber tatsächlich gehen kann, habe ich in der vergangenen Woche zum ersten Mal gesehen. Der Aufkleber am Auto vor mir klebte am Auspuff, ich hätte beinahe die Stoßstange des SUVs berührt, um ihn lesen zu können. „Fuck you Greta!“ stand dort. Ich habe den Wagen überholt, um mir den Fahrer anzuschauen. Kein 18-jähriger Draufgänger, kein Prototyp-Macho, sondern ein recht normal ausschauender Mann mittleren Alters saß dort. Im Netz habe ich mehrere dieser Aufkleber gefunden, zu bestellen über große Online-Anbieter. Sie werden mir seitdem in den Werbeleisten angeboten. Ihre Slogans: „Fuck off Greta!“, „Schnüffel an meinem Auspuff, Greta!“ „Greta: Ich verbrenne meinen Diesel mit Liebe“, „Alles für Greta“ oder „Greta stinkt“.

 

Kosten: 1,50 bis 3 Euro pro Stück. Der Aufkleber „Problem gelöst“, zu dem zwei lange Zöpfe gehören, die zwischen die Kofferraumklappe geklemmt werden, ist teurer. „Kopf ab“ also für Greta.

Wo leben wir eigentlich? In einer Welt, in der - ich schätze Mal hauptsächlich – Männer in dicken Karren durch die Gegend fahren und sich über ein 16-jähriges Mädchen lustig machen, das nichts Geringeres als unseren Planeten retten will. Würden Sie auch einen jungen Mann dazu auffordern, an ihrem Auspuff zu schnüffeln?

Es gehört einiges an Frauenverachtung und Sexismus dazu, einen anderen Menschen so öffentlich zu demütigen und das mit dem eigenen Auto zur Schau zu stellen.

Der Hass, der Greta, vor allem in Deutschland, entgegenschlägt, ist beispiellos. Sie wird in den sozialen Medien als „CO2-Schlampe“, als „dummer Autistenkopp“ verhöhnt. In Gruppen wie „Fridays for Hubraum“ fragen User: „Was würde ein Auftragsmord kosten?“ oder „Sieht es nach Selbstmord aus, wenn wir sie an ihren Zöpfen aufhängen?“

Als hätten sie Angst, dass die kleine Greta den großen Jungs das Auto wegnimmt. Und als wäre Greta das Problem, nicht der Klimawandel.

Wie ignorant kann Mann eigentlich sein? Denn nicht nur die Eisbären haben ein gewaltiges Problem. Auch hier in Deutschland wird es sehr ernst. Erst gestern wurde der neue Monitoring-Bericht des Umweltamtes vorgestellt, der sich mit den Folgen des Klimawandels für Deutschland beschäftigt. Fazit: Die Zahl der „heißen Tage“ – also mit Temperaturen über 30 Grad – wird weiter ansteigen. 1.200 Menschen starben 2018 „hitzebedingt“. Es werden mehr werden.

Wie ignorant kann Mann eigentlich sein?

Speziell die Großstädte werden zu Heizkesseln werden. Wir werden mit mehr Schäden durch Stürme und Starkregen an Häusern, Fahrzeugen und Hausrat rechnen müssen. 2018 lag die Schadenssumme nach Angaben der Versicherungswirtschaft schon bei 3,1 Milliarden Euro. Tierische Überträger wie exotische Mücken werden hierzulande bald überleben können. Dadurch verbreiten sich bislang nicht auftretende Krankheiten wie Dengue- und Chikungaya-Fieber. Zudem, warnen die ExpertInnen, beeinträchtige die zunehmende Trockenheit die Versorgung mit Trinkwasser. Gleichzeitig nehmen aber Hochwasserereignisse zu, „vermehrt im Winter“. Außerdem würden die Meeresspiegel von Nord- und Ostsee ansteigen, Halligen, ganze Inseln verschwinden. 2018 gab es bereits eine Erntekrise, in diesem Jahr eine massive Zunahme der Waldschäden durch Hitze.

Kann man dem Wandel noch begegnen? „Ja“, sagt Umwelt-Ministerin Schulze. Durch mehr Klimaschutzmaßnahmen und durch Vorsorge. Die Strategien liegen vor. Sie brauchen aber Menschen, die für sie kämpfen. So wie Greta - und so wie die Tausenden, die am kommenden Freitag wieder auf die Straße gehen werden unter dem Motto #NeustartKlima.

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