Was ist mit den Leihmüttern!

Jeden Tag wird in den Bunkern von Kiew ein Baby einer Leihmutter geboren. Foto: Lynsey Addario/Getty Images
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30 Babys liegen wie auf einer Neugeborenenstation in ihren Bettchen nebeneinander. Babys verschiedener Ethnien; aus Indien, China, Europa. Acht Krankenschwestern gehen von Bett zu Bett, geben Fläschchen, wickeln, schuckeln. Quasi täglich kommt ein neues Baby dazu.

Es ist kein Krankenhaus, in dem die Babys da strampeln, sondern ein Luftschutzbunker in Kiew, mitten im Krieg. Über ihnen fallen Bomben. Die Bilder aus dem Bunker hat die ukrainische Leihmutterschaftsklinik BioTexCom gepostet, um ihre Kunden zu beruhigen. Leihmutter-Agenturen und Kliniken gibt es in der Ukraine viele, BioTexCom ist die größte. 600 Leihmütter hat die Klinik „im Programm“. Die Frauen sind zwischen 18 und 40 Jahre alt. 80 von ihnen tragen zurzeit Kinder für deutsche Eltern aus.

Doch von all dem ist in den deutschen Medien nicht die Rede. Die überschlagen sich zurzeit mit Berichten über besorgte „Eltern“, die „ihre Kinder“ aus dem Kriegsgebiet rausschaffen wollen. Die sind homo- oder heterosexuell, sie eilen aus Berlin oder Stuttgart an die ukrainische Grenze, um die bestellte und bezahlte Ware abzuholen. Ein Schweizer Paar charterte sogar ein Flugzeug. Doch das ist in Kriegszeiten nicht so einfach. Die meisten Reproduktionskliniken befinden sich in den derzeit stark umkämpften Regionen um Charkiw und Kiew.

Was passiert nun im Krieg mit diesen Kindern? Und was passiert mit ihren Müttern? Während andere Frauen aus der Ukraine flüchten, müssen die Leihmütter in den Luftschutzbunkern von Kiew ausharren. Die Hochschwangeren im Bunker, die anderen in angemieteten Häusern. Die Agenturen, bei denen sie unter Knebelvertrag stehen und die sich auch im Krieg ihr Geschäft nicht kaputt machen lassen wollen, „raten“ ihnen dringlichst zum Bleiben oder drohen ganz offen mit bis zu 15 Jahren Gefängnis, sollten diese das Land verlassen – Vertragsbruch.

Auch die KundInnen sollen bleiben, wo sie sind. BioTexCom warnt: „Die Geburt des Kindes außerhalb der Ukraine ist nicht legal. Die Leihmutter wird als Mutter gelten und der Versuch der Übergabe des Kindes als Kinderhandel bezeichnet. Sie werden nie als Eltern des Kindes anerkannt.“

Seit Indien 2015 die Leihmutterschaft verboten und Thailand sie auf Landsleute beschränkt hat, ist die Ukraine das Zentrum für den Kinderhandel geworden, die „Gebärmutter Europas“. Die gesetzliche Regelung der Fortpflanzungsmedizin ist lasch in der Ukraine, wo die Frauen nicht viel wert sind. Der Transfer nach Deutschland ist problemloser als von Russland aus (auch dort boomt der Kinderhandel). Zudem wird die biologische Mutter diskret aus den Papieren beseitigt. Anonymität und erschwingliche Preise – zwei unschlagbare „Verkaufsargumente“ für westliche KundInnen. Am Black Friday warb BioTexCom mit drei Prozent Rabatt.

Zwischen 2.000 und 3.000 Babys werden in der Ukraine pro Jahr von Leihmüttern geboren. Leihmütter sind mit dem Kind, das sie austragen, in der Regel nicht genetisch verwandt, ihnen werden mehrere Embryonen (um die Trefferquote zu erhöhen) eingesetzt. Hinzu kommt also das Geschäft mit den Eizellen. Die können von der Käuferin kommen oder von einer „Spenderin“, die mit dem Sperma des Mannes in der Petrischale befruchtet und der Leihmutter eingesetzt werden. Vorab erfolgt unter dem Fluoreszenzmikroskop via Präimplantationsdiagnostik (PID) die genetische Untersuchung der Embryonen – je nachdem, ob ein Junge oder Mädchen bestellt wurde.

Bei rund 40.000 Euro liegt der Startpreis für ein Baby. Die Eizellenspende, eventuell mehrfache Befruchtungsversuche, Hormonbehandlungen, pränatale Diagnostik und Verträge, die die Schwangeren zu Abtreibungen zwingen, nicht inbegriffen. Die Leihmutter selbst wird über mindestens ein Jahr behandelt (bis es klappt) und kaserniert (bis das Kind da ist). Dafür bekommt sie zirka 10.000 Euro – das Dreifache eines durchschnittlichen Jahresgehaltes in der Ukraine.

In einem Video von BioTexCom, das wenige Tage vor der russischen Invasion im Internet veröffentlicht wurde, führt eine Mitarbeiterin durch den Luftschutzbunker, den die Firma in der Nähe der Klinik angemietet hat. „Wir haben Schlafsäcke, Gasmasken, Lebensmittel, Feuchttücher, Windeln“, kommentiert sie und zeigt auf die Vorräte. Ein WC gibt es und eine elektrische Kochplatte mit zwei Feldern. Rund hundert Frauen haben in dem Bunker Platz. Ein Entbindungszimmer ist nicht zu sehen, dafür aber massenhaft Babymilch.

Denn Stillen soll eine Leihmutter nicht, um keine Beziehung zum Kind aufzubauen. Im Normalfall werden die Babys per Kaiserschnitt entbunden und, noch schleim- und blutbedeckt, direkt den „Wunscheltern“ überreicht. So manche Leihmutter hatte ihr Baby nicht ein einziges Mal auf dem Arm. Auch können sie sich nicht dazu entscheiden, es doch noch zu behalten – das haben sie unterschrieben. Ebenso wenig dürfen sie sich gegen eine Abtreibung bei eventueller Behinderung des Kindes oder bei Mehrlingen (Fetozid) entscheiden (was bei künstlichen Befruchtungen relativ häufig vorkommt). Auch sind sie nicht abgesichert, wenn sie selbst durch die Schwangerschaft oder Geburt gesundheitliche Schäden davontragen. Vertrag ist Vertrag.

Und nun der Krieg. Viele der Leihmütter in den Bunkern bangen um ihr eigenes Kind, das mit der Großmutter oder Tante auf der Flucht ist. Und was passiert, wenn es Komplikationen bei der Geburt gibt? Was, wenn ein Frühchen geholt, eine Mutter notoperiert werden muss? Was, wenn ein Kind Behinderungen durch die Geburt davonträgt? Und was passiert eigentlich mit den Leihmüttern, wenn sie entbunden haben? Werden sie vor die Türen der Luftschutzbunker gesetzt, während die russische Armee Kiew in Schutt und Asche legt?

Das geltende deutsche Gesetz sagt: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“ Sowohl Leihmutterschaft als auch Eizellspende sind in Deutschland im Sinne des Kindeswohls verboten. Noch. Aktuell aber machen sich die FDP, eine stark homosexuell geprägte Lobby sowie eine Interessenvertretung der Leopoldina für eine Reform des „nicht mehr zeitgemäßen“ Embryonenschutzgesetzes, für eine „altruistische Leihmutterschaft“ stark. Die ist in der Regel der Türöffner für die kommerzielle Leihmutterschaft. Das haben Länder wie Spanien oder Griechenland vorgemacht.

Auch die „Eizellspende“, die fälschlicherweise im Vergleich zur Leihmutterschaft als „kleiner Eingriff“ abgetan wird, birgt erhebliche Gesundheitsrisiken und seelische Belastungen. Die Eizellentnahme wird über Monate mit Hormongaben vorbereitet, um mehrere Follikel reifen zu lassen, die dann unter Vollnarkose punktiert werden. Die Risiken: Blutungen, Infektionen, Thrombosen, Nierenversagen, das ovarielle Überstimulationssyndrom sowie Unfruchtbarkeit infolge der Vernarbung der Eierstöcke. Die „Spenderin“ – im Durchschnitt 24 Jahre alt – erhält in der Ukraine 500 Euro pro „Spende“. Rund 6.000 Frauen aus Deutschland kaufen jedes Jahr Eizellen von Ukrainerinnen.

Unter den ukrainischen Agenturen für Leihmütter und Eizellspenderinnen tobte bis zum Krieg ein erbitterter Konkurrenzkampf. KundInnen gibt es zwar genug – aber Leihmütter nicht. Den Job macht nur, wer nicht mehr weiter weiß. Immer ist es bittere Armut, die Frauen dazu bringt, ihren Körper und ihre Gesundheit zu verkaufen. Weil die Ukrainerinnen wissen, dass sie aus der Prostitution dank der Gewalt der Zuhälter kaum mehr rauskommen, praktizieren sie eher die „Eizellspende“, Leihmutterschaft oder sogar Organverkauf. Niere oder Leber bringen um die 50.000 Euro. Der Organhandel aber ist illegal.

Eine große Gruppe unter den Leihmüttern sind die Alleinerziehenden, die mit dem Verkauf des zweiten Kindes dem ersten eine Zukunft bieten wollen. Oft sind es gar die eigenen Eltern, die das „Geschäftsmodell“ erkannt haben und ihre Töchter in die Kliniken treiben.

Es ist die Ausbeutung des Ostens durch den Westen, und es ist die grenzenlose Ausbeutung von Frauen – nicht nur in Kriegszeiten.

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