Alice Schwarzer schreibt

Der sehr kleine Unterschied

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In meinem im Herbst 1975 erschienenen Buch ‚Der kleine Unterschied – und seine großen Folgen‘ ging es ­weni­ger um den kleinen biologischen Unter­schied und eher um die großen sozia­len Folgen, also die Zuweisung der Rollen im Namen des Geschlechts. Das Buch wurde zu meiner eigenen Überraschung in elf Sprachen übersetzt und mit den 18 Fallschilderungen identifizierten sich Frauen von Japan bis Brasilien – ich musste also einen universellen Nerv getroffen haben. Der kleine Unterschied schien weltweit ein Problem zu sein. Für Frauen.

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Es ist nun 32 Jahre her, dass das Buch erschienen ist – umso erstaunlicher finde ich, dass es in zahlreichen aktuellen Publikationen gegen den Feminismus, von Volker Zastrow in der FAZ bis zu Eva Herman, eine so zentrale Rolle spielt. „Der kleine Unterschied“ vor allem sei schuld, heißt es, dass „die Frauen keine Frauen mehr sind“ und Politikerinnen gerade zur „Zerstörung der Familie“ und „politischen Geschlechtsumwandlung“ schritten.

Im Mittelpunkt all dieser Klagen um den Verlust der „echten Weiblichkeit“ und Bedrohung der „wahren Männlichkeit“ steht eine Fallschilderung, die den AnhängerInnen der ewigen Differenz als ultimativer Beweis gilt für die Absurdität der vom Feminismus postulierten Gleich­heit der Geschlechter. Es ist ein Fall, der im Diskurs der 70er Jahre in der Tat eine gewisse Rolle gespielt hat und auch von mir im ‚Kleinen Unterschied‘ als Beleg zitiert wird.

Gemeint ist der berühmte „Zwillingsfall“, den die SexualforscherInnen John Money und Anke Ehrhardt in ihrem 1975 auch auf Deutsch erschienenen Buch ‚MännlichWeiblich – Zur Entstehung der Geschlechtsunterschiede‘ anführen: Ein kleiner Junge, dem bei einem operativen Eingriff im Alter von sechs Monaten versehentlich der Penis beschädigt worden war, war auf Anraten von Sexualwissenschaftler Money einfach als Mädchen erzogen worden – was anscheinend, so zumindest nahm man damals an, reibungslos funktioniert hatte.

Der Fall ist in der Tat sehr interessant. Auch und eigentlich gerade weil er sich ganz anders entwickelt hat als zunächst angenommen. Ein Vierteljahrhundert nach Money und Ehrhardt nämlich veröffentlicht der Rolling-Stone-Reporter John Colapinto ein Buch über den ‚Jungen, der als Mädchen aufwuchs‘ und enthüllt, dass in Wahrheit alles schief gegangen sei. Was stimmt – bis hin zu dem Selbstmord von Bruce Reimers, so hieß der Zwilling. Erschossen hat Reimers sich allerdings ein Jahr nach Erscheinen von Colapintos Buch.

Und das ist die Geschichte: 1965 kommen die Zwillinge Bruce und Brian als Kinder von Ron und Janet Reimers in Winnipeg auf die Welt. Die Eltern sind gläubige Mennoniten, also Angehörige einer christlichen Sekte. In den ersten Monaten entdeckt die Mutter, dass beide Jungen an einer Phimose, einer Verklebung der Vorhaut leiden. Im Alter von sechs Monaten werden sie operiert. Was eigentlich ein Routineeingriff ist, geht bei Bruce schief. Sein Penis wird so verletzt, dass nur noch ein verbrannter Stummel bleibt. Die Eltern sind verzweifelt. Denn ein Junge ohne Penis – das ist kein Junge.

Einige Monate später sehen sie zufällig den Sexualwissenschaftler John Money im Fernsehen. Er spricht über die Behandlung von körperlichen Zwittern sowie seelischen Transsexuellen und der Kluft zwischen psychologischem und genetischem Geschlecht; über die Uneindeutigkeit der biologischen Geschlechter und sozialen Geschlechterrollen also. Die Eltern schöpfen Hoffnung. Sie kontaktieren Money, der zur Operation und Hormonbehandlung rät – und zur Erziehung von Bruce als Mädchen. Denn ein biologischer Junge ohne Penis steht nicht nur seiner Meinung nach auf verlorenem Posten und wird besser gleich ein Mädchen.

Zu diesem Zeitpunkt ist Bruce bereits 17 Monate alt. Das Kind ist es gewohnt, behandelt zu werden wie sein Zwillingsbruder Brian. Jetzt aber beginnt die Umerziehung, um nicht zu sagen der Drill zum Mädchen. Während Brian mit dem Vater auf den Sportplatz zieht, muss Bruce/Brenda mit der Mutter zu Hause bleiben; wenn Brian in Jeans rumtobt, wird Brenda in Kleidchen gesteckt. Das Kind wehrt sich und gilt bald als „Tomboy“, als jungenhaftes Mädchen, das lieber mit Jungen spielt (eine Präferenz, die auch so manches biologisch echte Mädchen mit Bruce teilt).

Doch je mehr Bruce sich zur Wehr setzt gegen das Geschlechtsrollendiktat, umso stärker wird der, wohl gut gemeinte, Druck der fundamental-christlichen Eltern. Hinzu kommen die Sitzungen bei Money, für den der „Zwillingsfall“ ein Traumfall ist: Ein genetisch männliches Kind, das als Mädchen aufwächst, noch dazu mit einer kongenialen „Kontrollgruppe“, dem Zwillingsbruder an seiner Seite. Der Fall ist so verführerisch für den Forscher, dass er offensichtlich versucht, Bruce um jeden Preis in den Rahmen seiner Theorien zu pressen. Was Colapinto nicht nur den Schilderungen Bruce/Brendas, sondern auch den Gesprächsbändern entnimmt, die Money selbst später Reimers auf dessen Bitte hin überlassen hatte.

Das Kind kriegt also die doppelte ­Ladung ab: den elterlichen Drill zum Mädchen – plus wissenschaftlicher Begleitung, die rigide darauf achtet, dass es via Prägung auch ein „richtiges Mädchen“ wird. Nur, das Kind hatte vor Beginn der Behandlung bereits 17 Monate als Junge gelebt; nach dem, was wir von frühkind­lichen Prägungen wissen, gerade auch geschlechtsspezifisch, ist das viel. Und nicht nur die Eltern, auch die näheren Verwandten wissen um das Problem. Als Brenda in der Schule auffällig wird, werden auch die Lehrer informiert. Der Junge, der als Mädchen aufwächst, erhält also von Anfang an eine doppelte Botschaft: Das „Mädchen“ bewegt sich in einem Umfeld, in dem die meisten Menschen wissen, dass es ein „Junge“ ist.

Mit 14 sagt der Vater dem Kind die Wahrheit. Männersache. Bruce/Brenda entschließt sich, von einem Tag zum anderen mit dem schon lange als einengend und fremd empfundenen Leben als Mädchen Schluss zu machen, und wieder als Junge zu leben. Er stoppt die verhassten Sitzungen bei Money sowie die Hormonbehandlungen und nennt sich von nun an David.

David Reimers ist 32, als er zum ersten Mal Colapinto trifft, der die „Wahre Geschichte von John/Joan“ im Rolling Stone veröffentlicht, zunächst noch anonymisiert. Er ist 35, als das Buch erscheint, diesmal mit seinem vollen Namen. Er ist 36, als er sich eine Kugel in den Kopf jagt.

Für die Anhänger der Alles-ist-angeboren-Theorie gilt der tragische Fall als finaler Beweis dafür, was für ein Verbrechen man einem Menschen antut, wenn man ihn nicht seinem biologischen Geschlecht gemäß „männlich“ bzw. „weiblich“ erzieht. Doch funktionalisieren solche Ideologen Bruce/David Reimers nicht minder, als es offen­sichtlich schon Forscher Money getan hatte. Für den Tod verantwortlich halten müsste man allerdings beim ­ge­nauen Hinsehen nicht Money, den Reimers am Ende seines Lebens seit 22 Jahren nicht mehr gesehen hatte, sondern den Enthüllungsjournalisten Colapinto, dem die Story wichtiger war als die Rücksicht auf dieses schon so funktionali­sierte Leben.

So überrascht es nicht, dass Colapinto kurz nach Bruce/Davids Tod in der Washing­ton Post einen langen, rechtfertigenden Artikel über „Die wahren Gründe für den Selbstmord“ schreibt. Als wahre Motive zählt der Journalist auf: Depressionen in der Familie, Eheprobleme, Schulden, Arbeitslosigkeit und „die Unfähigkeit ein echter Ehemann“ zu sein (wie David selbst es kurz vor seinem Tod seiner Ehefrau gegenüber formuliert haben soll). Übrigens: Davids Zwillingsbruder, der als Mann geborene und als Mann erzogene Brian, hatte bereits zwei Jahre vor ihm Selbstmord begangen.

Wie auch immer, das traurige Leben von Bruce/David taugt wenig als Beleg für die Unabänderlichkeit eines so genannten natürlichen Geschlechtscharakters. Im Gegenteil: Es ist eher der Beweis für die gnadenlose Konstruktion dieser ganzen Geschlechternormen – und für die Absurdität einer Welt, in der ein Mensch ohne Penis eine Frau sein muss. Am humansten wäre es wohl gewesen, den genitalverstümmelten, aber ansonsten gesunden Kleinen einfach trotzdem zeitgemäß als Jungen aufwachsen zu lassen, ganz wie seinen Zwillingsbruder – und ihm behutsam beizubringen, dass auch ein Mann ohne Penis ein Mensch ist (und, so er nur will, sogar ein besserer Liebhaber sein kann als so mancher siegesgewisse Rammler).

In einer idealen, vom Geschlechtsnormen-Terror befreiten Welt, in der Menschen nicht in erster Linie Frauen oder Männer wären – und Schwarze oder Weiße etc. – sondern einfach Menschen, wäre das alles nur ein bedauerlicher Unfall gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Denn das biologische Geschlecht wäre dann nur ein Faktor von vielen, der den Menschen zwar mit prägt, ihn jedoch nicht umfassend definiert: als Frau oder Mann.

Nicht zufällig rechnet Colapinto in seinem Buch auch mit John Money, dem berühmten und entsprechend umstrittenen Sexualwissenschaftler ganz persönlich ab. Für den Rolling-Stone-Journalisten ist der 2006 in Amerika verstorbene, gebürtige Australier Money – der einst selber über seinen gewalttätigen Vater und das Aufwachsen bei der Mutter geschrieben hatte – nichts als ein pathologischer Fall: ein Männerhasser, eine Memme, ja ein Kastrateur, der am liebsten Männer entmannt.

Colapintos Ton zeigt, dass ihm die ganze Richtung nicht passt: die sexualwissenschaftliche und psychoanalytische Strömung – von Freud und Stoller bis Kinsey und Money – die zur „sexuellen Revolution“ sowie zur Relativierung der Kategorien Männlich/Weiblich beigetragen hat. All diese Wissenschaftler analysierten das Zusammenspiel zwischen der Bildung einer sexuellen Identität (nach innen) und der Oktroyierung einer Geschlechterrolle (nach außen) – und zogen den Schluss, dass dies vor allem Kultur und weniger Natur sei.

Colapinto jedoch ist, ganz wie Bruce/Brendas sektiererische Eltern, am Verstehen solch komplexer Zusammenhänge nicht interessiert. Er ist ein Anhänger klarer Verhältnisse: Mann oder Frau! Der Autor geht also so weit zu behaupten, Money und Ehrhardt seien dogmatische VerkünderInnen der Anerzogen-These gewesen. Doch auch bei rückblickender Lektüre lässt sich für diese Unterstellung nicht der geringste Anhalt finden.

Im Gegenteil: Die beiden zu ihrer Zeit zur Avantgarde der internationalen Sexualforschung zählenden Wis­senschaftlerInnen betonen in „MännlichWeiblich“ immer wieder die gegenseitige Bedingtheit von Biologie und Prägung. Und sie legen sehr genau dar, wie die Entwicklung der sexuellen Identität das Ergebnis einer komplexen „psychosexuellen Dynamik“, einer lebenslangen Wechselwirkung von Sex and Gender ist – was auch den allerneuesten Erkenntnissen der Wissenschaft entspricht.

Umso überraschender, dass heutige WissenschaftlerInnen nur wenige Jahrzehnte später sowohl im natur- wie im geisteswissenschaftlichen Bereich davon nichts mehr zu wissen scheinen und gerade mal wieder das Rad neu erfinden. Als hätte nicht auch bereits vor diesen SexualforscherInnen Simone de Beauvoir das alles schon 1949 auf die knappe Formel gebracht: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht.“ Manche GenderforscherInnen scheinen gar zu glauben, die „aufregende Vision“ (Anne Fausto-Sterling), dass Natur und Kultur keine Widersprüche sind, sondern sich gegenseitig durchdringen, sei in den 90er Jahren von Judith Butler & Co. erfunden worden.

Dabei ist das einzig wirklich Neue der letzten Jahre die nun auch neuropsychologisch gesicherte Erkenntnis, dass die Entwicklung von Körper und Psyche einer lebenslangen Wechselwirkung unterliegt. Wir wissen heute noch genauer als vor dreißig Jahren, dass Gene und Gehirn zwar Träger von Dispositionen sind – aber dass das, was dann daraus wird, vor allem Resultat frühkindlicher und lebenslanger Prägungen ist. Das plastische Gehirn befindet sich bis zum Tod eines Menschen in permanenter Entwicklung.

„Die Software des Menschen ist mit der Geburt nicht fertig programmiert, sondern entwickelt sich im laufe des Lebens weiter“, formulierte es der Bochumer Biopsychologe Markus Hausmann in Zeit­Wissen (1/07): „Soziale, psychologische und biologische Faktoren lassen sich nicht trennen, sie wirken ständig aufeinander ein.“ Und die Neurowissenschaftlerin und Psychologin Melissa Hines von der University of Cambridge bestätigte dem Spiegel (6/07): „Selbst wenn sich Unterschiede im Gehirn entdecken lassen, heißt dies nicht, dass sie angeboren sind.“ Selbst ganz frühe Unterschiede können ganz einfach Resultat sehr früher Prägungen sein.

Mit gleichem Tenor weist der in Zürich lehrende deutsche Hirnforscher Lutz Jäncke die in letzter Zeit verstärkt nachfragenden Journalisten immer wieder auf die Plastizität des menschlichen Gehirns und seine lebens­lange Fortentwicklung hin. Auch er vertritt entschieden die Position, dass die Dualität von Angeboren versus Anerzogen sich angesichts des aktuellen Forschungsstandes nicht aufrecht erhalten lasse. Und er erinnert daran, dass auch die uns von den Philosophen der Aufklärung suggerierte Dualität von Verstand und Gefühl sich im Licht der neueren Forschung längst verflüchtigt habe.

Jäncke: „Auch Ratio und Irra­tio sind nicht trennbar, sie gehören zusammen.“

Das von Feministinnen seit Jahrhunderten zurückgewiesene Konzept vom „weiblichen Gefühl“ und „männlichen Verstand“ ist heute also auch naturwissenschaftlich nachprüfbar unhaltbar. Dennoch wird immer wieder auch im Namen der Wissenschaft das Gegenteil behauptet.

Forscherinnen wie die deutsche Biologin Sigrid Schmitz, die an der Universität Freiburg hauptberuflich „Genderforschung in Informatik und Naturwissenschaften“ betreibt, beklagen schon lange: „Die meisten öffentlichen Studien sind weder neutral noch objektiv, sondern ergebnisorientiert.“

Und die amerikanische Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der University of California, Donna Haraway, fordert eine „Reflexion des eigenen Standpunktes und der Interessen der Forscher“, sowie deren Offenlegung in den Studien. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jede Forschung, die ernst genommen werden will. Und für einen seriösen Journalismus übrigens nicht minder.

Doch alle diese Erkenntnisse können die AnhängerInnen der Differenz-Ideologie nicht daran hindern, ihre Thesen von den ach so emotionalen Frauen und den rationalen Männern oder den fürsorg­lichen Frauen und den egoistischen Männern oder den kriegerisch-jagenden Männ­chen mit ihren friedlich-sammelnden Weibchen emsig weiter zu verbreiten.

Dabei ist diese Ideologie von den sich ergän­zenden Hälften eigentlich relativ neu, das heißt erst runde zweihundert Jahre alt. So belegt zum Beispiel der deutsch-amerikanische Historiker Thomas Laqueur in seinem Buch „Auf den Leib geschrieben – die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud“ (1990), dass der heute als so natur- bzw. gottgegeben dargestellte Geschlechtscharakter überhaupt erst im 18. Jahrhundert erfunden wurde. Bis dahin waren Frauen ganz einfach mindere Männer; Teil des Hausstandes der Patriarchen, ganz wie Kinder, Leibeigene und Tiere.

Die verschleiernde Theorie von der „Gleichwertigkeit in der Andersartigkeit“ machten erst die Verkünder der Gleichheit aller Menschen mög­lich. Laqueur: „Die französische Revolution för­derte indirekt die Entwicklung der Zwei-Geschlechter-Theorie. Denn wenn alle Menschen gleich waren, warum dann nicht auch die Frauen? Da kam ein körperlich begründeter Geschlechts­unterschied gerade recht, um die Vorherrschaft aufrecht zu erhalten.“ Napoleon, der Kaiser der Revolution, antwortete auf die Frage, warum gerade er, der Befreier der Völker, gegen die Befreiung der Sklaven sei, schlicht: Parce que je suis blanc (Weil ich weiß bin). Um es also mit dem kleinen, großen Feldherrn zu sagen: Weil ich ein Mann bin.

Im 19. Jahrhundert, das dank der industriellen Revolution die Arbeitskraft der bürgerlichen Frauen freisetzte, erlangte sodann die „Weiblichkeit“ und die mit ihr untrennbar verbundene „Mütterlichkeit“ ihre volle Blüte. Aufgeklärte Humanisten und Feministinnen hatten die Theorie von den zwei Hälften allerdings nie hingenommen. Für Männer wie den Franzosen Henri de Saint Simon (1760–1825), den Deutschen Theodor Gottlieb von Hippel (1741–1796) oder den Engländer John Stuart Mill (1806–1873) waren Frauen selbstverständlich ebenbürtig. Eine Frau wie Christine de Pizan (1365–1430) setzte der Minderwertigkeit der Frauen schon im 15. Jahrhundert in der berühmten „Que­relles des femmes“ ihren Verstand entgegen; Olympe de Gouges (1748–1793) ging für die Gleichheit und ihre „Deklaration der Frauenrechte“ (parallel zu der der Menschenrechte) aufs Schafott; und die Radikalen der historischen Frauenbewegung von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg sowie der Neuen Frauenbewegung ab Anfang der 70er Jahre wurden nie müde, die desaströsen Folgen der Teilung des Menschen in Herz oder Verstand aufzuzeigen. Und zwar desas­trös für Frauen wie Männer.

Doch auch die Freunde des kleinen Unterschiedes schliefen nicht. So ver­öffent­lichte der Militärarzt (!) und Neuro­loge Paul Julius Möbius in Reaktion auf die Frauenrechtlerinnen anno 1900 seine Schrift ‚Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes‘. Die Frauenrechtlerinnen, antworteten dem viel gelesenen Möbius spöttisch, allen voran die brillante Hedwig Dohm: „Nachdem der schöne alte Herr Möbius dem Weibe die lange Liste ihrer tierähnlichen Qualitäten entrollt hat, setzt er mit goldiger Naivität hinzu: ‚Sehen wir uns auch genötigt, das normale Weib für schwachsinnig zu erklären, so ist damit doch nichts zum Nachteil des Weibes gesagt.‘ Kleiner Schäker!“

75 Jahre nach Möbius erschien das Buch ‚Sociobiology: The New Synthesis‘ des amerikanischen Insektenforschers (!) Edward O. Wilson, die Bibel der Soziobiologen. Nach eigenem Selbstverständnis ­beruht die Soziobiologie zentral auf dem Unterschied zwischen Mann und Frau, geht jedoch grundsätzlich von einer irreversiblen „Natur des Menschen“ aus und bürstet darum Homosexuelle („Gehirnschaden“) und Schwarze („weniger intelligent geboren“) gleich mit ab. Soziobiologen wie der Zoologe Wilson untermauern ihre Behauptungen gerne mit Experimenten mit Ratten, Graugänsen oder Berglemmingen. Wilsons Grundprämisse: „In der Jäger- und Sammlergesellschaft jagen die Männer, und die Frauen bleiben zu Hause. Und bis heute fühlt sich die Frau fast auf der ganzen Welt mehr zur Kinderpflege hingezogen, während der Mann seine größte Befriedigung aus der Arbeit zieht.“

Töne, über die sich nun längst nicht alle Feministinnen aufregten. Im Gegenteil: Teile der Neuen Frauenbewegung propagierten selbst mit Inbrunst die so genannte „neue Weiblichkeit“ im Verbund mit der „neuen Mütterlichkeit“. Dem Rückschlag von außen war die Aufweichung von innen vorausgeeilt.

Bereits Mitte der 70er, also nur wenige Jahre nach ihrem Aufbruch, war die Frauen-gemeinsam-sind-stark-Front in sich zusammen gebrochen. Ein großer Teil der aktiven Feministinnen kokettierte nun, besonders in Deutschland, mit dem „Anderssein“ von Frauen; irgendwie, irgendwo von Natur aus oder via irreversible Konditionierung. Ganz wie in der alten Frauenbewegung um die Jahrhundertwende – wo hie die biologistischen Befürworterinnen einer „Natur der Frau“ und da die antibiologistischen Befürworterinnen der Gleichheit sich entzweiten – brach dieser Konflikt nun auch innerhalb der Neuen Frauenbewegung auf.

Die so genannten Differenzialistinnen priesen das Emotionale, Mystische, Friedliche des Ewig Weiblichen – und verbuchten Ratio und Destruktion als „typisch männlich“. Sie schrieben „mit dem Körper“, zelebrierten die „neue Innerlichkeit“ (von Spöttern auch „neue Weinerlichkeit“ genannt) und drifteten zu weiten Teilen ins Esoterische ab. Die „Andersartigkeit“, die sich die Patri­archen einst zur Bemäntelung ihrer These von der weiblichen Minderwertigkeit hatten einfallen lassen, wurden also nun von Frauen selbst reklamiert – und das auch noch im Namen des Feminismus.

Eines der zentralen Foren des feministischen Biologismus Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre war die Zeitschrift Courage. Im Zuge der so genannten „Frauenfriedensbewegung“ schrieb 1981 eine gewisse Meo Hellriegel-Rentzel wörtlich in Courage: „Noch setze ich auf die Biologie. Gehe von unserem genetischen Programm aus.“ Das war ein Jahr vor Thatchers so überflüssigem Falkland-Krieg gegen Argentinien, der fast tausend Menschen das Leben kostete, angezettelt von einer wenig friedlichen Staatschefin.

Zu den Anhängerinnen der „neuen Weiblichkeit“ gesellten sich, zur Begeisterung der Machos, sodann die offenen Gegnerinnen des Feminismus; man denke nur an meine Fernsehduelle mit der über die Sache schreibenden Esther Vilar (1975) oder der ihre Sache verkörpernden Verona Feldbusch (2001). Vilar tönte damals: „Wie ist es nur möglich, dass die Männer nicht bemerken, dass an den Frauen außer zwei Brüsten und ein paar Lochkarten mit dummen stereotypen Redensarten nichts, aber auch wirklich nichts ist.“ Zu der Zeit waren Männer sich für so platte Töne schon längst zu schade, dafür hatten – und haben – sie ihre Anti-Feministinnen vom Dienst.

Auch bei dem aktuellen Kulturkampf um Kinder & Körper spielen wieder ­Frauen auf der Pascha-Seite mit. Es sind Frauen wie Männer, die Bücher über die „Jungen-Katastrophe“ und „Krise der Männlichkeit“ oder die „neue Weiblichkeit“, das „Anderssein von Frauen“ und das „S-Gehirn und E-Gehirn“ veröffent­lichen. Gleichzeitig allerdings fällt auf – und das ist neu –, dass auch Frauen wagen, dieser Art von pseudo-wissenschaftlichen Anti-Gleichheits-Propaganda mit Fakten entgegenzutreten.

Recht vergänglich war der Medienrummel im Herbst 2006 um das Buch der Ex-TV-Moderatorin Eva Herman und ihrer Co-Autorin, der Cicero-Redakteurin Christine Eichel; nicht zuletzt, weil diesmal die Frauen nicht mitgespielt, sondern quasi kollektiv den Daumen nach unten gehalten haben. Das Traktat spekulierte auf die Überforderung der Frauen (durch die in der Tat zynische Alles-ist-möglich-Propaganda) und die Gereiztheit der Männer (durch den real anstehenden Verlust von Privilegien).

Das Autorinnen-Duo griff dann jedoch ein paar Klafter zu tief in die Kiste. Am Beispiel von Simone, Heike, Elfi und Birgit beklagten die beiden über 250 Seiten, was die „meist unver­heirateten Feministinnen“ angerichtet hätten: nämlich die armen normalen Frauen dazu verführt, „zu vergessen, dass wir Frauen sind“. Mit wahrhaft finsteren Folgen.

Die Männer werden „unhöflich“ und die Frauen kriegen Haarausfall (Herman: „Mir fielen die Haare büschelweise aus. Ich war auf dem besten Weg zu vermännlichen.“). Die Lage scheint in der Tat dramatisch in Evas Welt: „Nie in der Menschheitsgeschichte haben die Männer freiwillig Hausarbeiten verrichtet oder gar Kinder aufgezogen, aufgrund ihrer Veranlagung sind sie auch gar nicht dafür vorgesehen“, erklären die beiden späten Mütter (beide haben mit Ende 30 ein Kind bekommen).

Wem die deutsche Spielart der biologistisch argumentierenden Gleichheits-GegnerInnen dann doch zu platt ist, der kann auch zu dem als „amerikanischer Bestseller“ angekündigten Buch von Louanne Brizen­dine über „Das weibliche Gehirn – warum Frauen anders sind als Männer“ greifen. Die Frau ist immerhin Neuro­psychiaterin, hat in Yale studiert, in Harvard gelehrt und bezeichnet sich selbst als „Feministin“ – was in Amerika die Glaubwürdigkeit bei Äußerungen von Frauen zur Geschlechterfrage zu heben scheint.

Brizendine erklärt, laut Klappentext, „endlich, warum Frauen sind, wie sie sind“. Der Grund: der weibliche „Liebestrieb“ und die Hormone, die unser weibliches Gehirn „fluten“ und „steuern“. Das beginnt laut Brizendine beim weiblichen Baby, das angeblich öfter Blickkontakt zur Mutter sucht als das männliche, geht weiter über das „Mutterhirn“, das … undsoweiterundsofort.

„Sie phantasiert“, kommentiert die Neurologin Melissa Hines von der University of Cambridge knapp; Yale hin, Harvard her. Und das renommierte Fachblatt Nature klassifiziert diese ganze Art der Einteilung der Geschlechter in „Denkende oder Fühlende“ grundsätzlich als „fundamental unbiologisch“. Denn auch von den Hormonen ist bisher nur eines bewiesen: dass das weibliche Hormon Östrogen in der siebten Woche die Differenzierung des ursprünglich weiblichen Fötus in männlich oder weiblich auslöst. Darüber hinaus: Fehlmeldung. Und ein „Liebes- oder Sexualtrieb“ existiert schon gar nicht.

Auf die Hormone beruft sich auch der neuerdings viel zitierte englische Psychologe und Autismusforscher Simon Baren-Cohen. Er ist der stolze Erfinder des „S-Gehirns“ und „E-Gehirns“: Das S-Gehirn ist männlich, denn „Männer interessieren sich mehr für Systeme“; das E-Gehirn ist weiblich, „denn Frauen interessieren sich eher für Emotionen“. Sicher, da gäbe es auch schon mal Ausnahmen, aber in der Regel, so der Harvard-Professor, sorgten die Hormone schon für die richtige Weichenstellung. Beweise für diese These? Null – sehen wir einmal ab von den in der Tat unterschiedlich akzentuierten Eigenschaften bei der Mehrheit der Frauen und Männer. Doch über die Ursachen dafür legt uns Baren-Cohen keine fundierten Beweise vor.

Rein biologisch gesehen sind auch im sexuellen Bereich die Unterschiede zwischen den Geschlechter eher gering und die Parallelen überwältigend. Körperliche Gegebenheiten und orgastische Abläufe sind bei Frauen und Männern quasi identisch. Genauer gesagt: Am Anfang ist das Weib. Erst nach der siebten Woche differenziert das Geschlechtshormon Östrogen den Embryo in weiblich oder männlich. „Embryologisch gesehen ist es durchaus richtig, im Penis eine wuchernde Klitoris, im Skrotum (Hodensack) eine übertrieben große Schamlippe, in der weiblichen Libido die ursprüngliche zu sehen“, schreibt die amerikanische Sexualwissenschaftlerin Mary Jane Sherfey in „Die ­Potenz der Frau“ (1973). „Die moderne Embryologie müsste für alle Säugetiere den Adam- und Eva-Mythos umdrehen.“

Nun soll der Phallus-Kult nicht durch einen Klitoris-Kult ersetzt werden. Doch sind die Sexualorgane in der Tat ursprünglich weiblich und kann man sich die Weiterentwicklung einfachheitshalber so vorstellen: Was bei dem Mann nach außen gestülpt ist, ist bei der Frau sozusagen nach innen gestülpt. Dem Penis mit der Eichel entspricht die Klitoris mit den Scham­lippen, dem Scheidenvorhof und den Schwellkörpern. Diese weiblichen Schwellkörper reichen bis zu neun Zentimeter tief in den Körper einer Frau – was in etwa dem Penis außerhalb des Körpers des Mannes entspricht. Das Zentrum der weiblichen Sexualorgane ist nicht die Vagina – die ist der Zeugungskanal – sondern die Klitoris. Sie hat mit rund 8.000 doppelt so viele Nervenfasern wie der Penis.

Sherfey: „Es gibt keinen von einem klito­ridalen unterschiedlichen vaginalen Orgas­mus. Das Wesen des Orgasmus bleibt dasselbe, unabhängig von der erogenen Zone, deren Reizung ihn verursacht hat.“ Dennoch begründet der ­Mythos des vaginalen Orgasmus die Vorrangigkeit der Heterosexualität. Dabei ist die Penetration zwar für das Zeugen von Kindern unerlässlich, für das Zeugen von Lust jedoch oft eher hinderlich. Allerdings: Auch hier geht Kultur vor Natur. Die orgastischen Abläufe manifestieren sich zwar in den Sexualorganen, doch das Zentrum der Lust ist das Gehirn. Und auch in der Sexualität gilt: Anerzogenes wiegt schwerer als Angeborenes bzw. durchdringt sich wechselseitig.

So geht das Spiel nun also seit fast zweihundert Jahren, seit einschlägig Interessierte zur Rechtfertigung der sozialen und sexuellen Geschlechtsrollen dem biologischen Geschlechts­unterschied nach­spüren.

Wortführer im Backlash gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter sind die biologistischen und religiösen Fundamentalisten. Die biologistischen Argumente im Namen der Natur oder die pseudoreligiösen im Namen Gottes bzw. des Propheten sind nur zwei Seiten ein und derselben Medaille. Beide bestehen auf einem angeborenen Geschlechtscharakter, aus dem eine unterschiedliche gesellschaft­liche Rolle verbindlich abgeleitet werden muss; dabei wird den Männern der eine, der definitionsmächtige, den Frauen der „andere“, der definierte Part zugewiesen.

Die Argumente von der gottgegebenen Überlegenheit des Mannes fallen auf fruchtbaren Boden, im Orient wie Okzident. Denn nach dem Verlust des Glaubens, an Götter wie Ideologien, und in Zeiten der Globalisierung sehnen viele Menschen sich nach Halt, nach eindeutigen Hierarchien und Gewissheiten – vor allem die, deren Privilegien gerade erschüttert werden: die Männer. Und diese Gewissheiten liefern die Schriftgläubigen mit Verweis auf Bibel bzw. Koran ebenso wie die Biologiegläubigen mit Verweis auf Hormone, Gene bzw. Hirnhälften.

Doch schaut man genau hin, kommt immer wieder nur das überwältigende Ausmaß einer ursprünglichen Gleichheit der Geschlechter ans Licht – und verschwindet der Unterschied im Nebel der Ungewissheit. Selbst vom Steinzeitjäger und seiner Beerensammlerin müssen wir uns wohl verabschieden. 2006 vermeldeten die Medien: Zahlreiche Funde der neueren Zeit sprechen eher für eine Teilnahme der Frauen an der Jagd, während der Nachwuchs vom zurückbleibenden Rest der Gruppe versorgt wurde, von Alten oder Fußlahmen. Leuchtet ja auch ein. Als hätten die Steinzeitmenschen sich das Brachliegen einsetzbarer Kräfte erlauben können.

ZeitWissen machte sich den Spaß, in einer Geschichte mit dem hübschen Titel „Frauen sind auch nur Männer“ alle gängi­gen Klischees aufzulisten, von den aggres­siven und rationalen Männern bis hin zu den geschwätzigen und orientierungslosen Frauen, und siehe da: Kein einziges der kursierenden Vorurteile konnte bisher wissenschaftlich untermauert werden. Entweder es existiert überhaupt keine Studie zu den Thesen, oder aber es gibt nur nicht repräsentative Untersuchungen mit einer Handvoll ProbandInnen.

So wie die des Ehepaares Shaywitz, die im Jahre 1995 an 19 (!) Frauen die unterschiedliche Aktivierung der Hirnhälften der Geschlechter untersuchten. Trotz der viel kritisierten Unwissenschaftlichkeit der Studie ist sie eine der bis heute in den Medien meist zitierten: als Beweis für die geschlechtsspezifisch unterschiedliche Verarbeitung von Sprache.

Seltener zitiert werden Studien wie die an der British Colombia University in Vancouver von Steven Heine und Ilan Dar-Nimrod über die Wirkung von Vorurteilen. Am Beispiel von 203 Probandinnen belegen die Wissenschaftler, wie sich Beeinflussung auf Fähigkeiten auswirkt. Die erste Gruppe bekam einen Text darüber zu lesen, dass Frauen aufgrund ihrer Veranlagung weniger begabt in Mathematik seien. Den Frauen der zweiten Gruppe wurde suggeriert, Frauen seien in Mathematik schlechter als Männer, allerdings wegen geringerer Förderung. Die dritte Gruppe bekam einen Text, in dem es hieß, Frauen seien in Mathematik genau so gut wie Männer – mit dem Ergebnis, dass diese Gruppe bei den anschließend zu lösenden Mathe-Aufgaben bedeutend besser abschnitt als die beiden ersten Gruppen.

Auch die aktuelle Placebo-Forschung zeigt, wie direkt und tiefgreifend die Wirkung von Konditionierung und Suggestion sein kann. Wissenschaftler fanden heraus, dass die Scheinpräparate – die trotz Verbots auch in Deutschland von jedem zweiten Arzt von Fall zu Fall verabreicht werden – genau so wirken können wie echte Präparate.

Das Spannende dabei ist, dass die Scheinpräparate sich nicht nur auf die Psyche der Menschen auswirken, sondern auch auf deren Körper. Placebos können nachweisbar positive körperliche Reaktionen auslösen, zum Beispiel bei Schmerzpatienten oder Parkinson-Erkrankten. Entscheidend ist dabei die Erwartung der PatientInnen sowie die Suggestivkraft der ÄrztInnen. Es gibt eben keine Trennung zwischen Körper und Seele – so wenig wie zwischen Gefühl und Verstand.

Dank Feminismus ist ein Schuss „Weiblichkeit“ bei Männern heutzutage nicht nur erlaubt, sondern sogar willkommen: etwas mehr Gefühl, der Sonntag für die Kinder, und auch schon mal Kajal um die Augen oder ein Ring im Ohr – das gilt als cool. Der Griff von Frauen zur „Männlichkeit“ jedoch wird weiterhin prompt abgestraft. Die psychologischen Standards, die als Kriterium für „Weiblichkeit“ oder „Männlichkeit“ gelten, sind seit Jahrzehnten weltweit relativ unerschüttert. Ein Verhalten zum Beispiel, dass bei Männern als „durchsetzungsfähig“ gilt, ist bei Frauen „eiskalt“ (Die geht über Leichen). Und wenn eine Frau in Debatten präsent ist, ist sie gleich „dominant“, also „männlich“; ein Mann aber gilt in dem Falle als eloquent etc.

Richtig ist, dass die Mehrheit der Menschen heute „Frauen“ oder „Männer“ sind. Die meisten weiblichen Menschen sind emotionaler und die meisten männlichen Menschen rationaler als das jeweils andere Geschlecht; oder auch menschenorientierter bzw. sachorientierter; oder auch einfühlsamer bzw. autistischer. Doch das heißt nicht, dass wir es jeweils ausschließlich sind – und es heißt schon gar nicht, dass wir es bleiben müssen. Denn diese Polarisierung hat bisher weder den Frauen noch den Männern gut getan.

Allerdings dürfen wir diese Prägungen auch nicht verleugnen – wir würden sonst unsere Wurzeln kappen und unauthentisch werden. So wie manche Frauen, die in die Männerwelt gehen und versuchen zu vergessen, dass sie Frauen sind. Sie werden, was auch immer sie tun, immer nur halbe Männer sein – doch ihr Frausein verloren haben. Die Frauen von heute machen also eine Gradwanderung: zwischen herkömmlicher Verwurzelung und zukünftiger Freiheit. Wie er sein könnte, dieser von den biologistischen und religiösen Fundamentalisten so gefürchtete neue Mensch, das ist noch offen.

Der Text ist ein Auszug aus dem Buch "Die Antwort" (Kiepenheuer & Witsch).

 

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Existiert ein fundamentaler Wesensunterschied zwischen Frauen und Männern? Ticken ihre Gene, Hormone und Gehirnhälften anders? Ist er der ewige Jäger und sie die Sammlerin? Oder ist das Ganze nur eine Propaganda mit dem Ziel, dass sie das Geschirr spülen muss, während er Zeitung liest? Antworten von: Alice Schwarzer, je einer Genderforscherin, Neurobiologin, Psychologin und Prähistorikerin - sowie einem Konvertiten.

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