Die Auto-Pionierinnen

Frauenrechtlerin Baroness Anne d'Uzès machte als erster Mensch den Führerschein.
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Herzogin Anne d'Uzes, die in Paris lebende Frauenrechtlerin, war der erste Mensch, der einen Führerschein machte. Dies geschah 1898 in Paris vor den gestrengen Augen dreier Prüfer und erregte einiges Aufsehen. Auch in Deutschland ist es übrigens eine Frau, deren Name die erste Lizenz zum Fahren ziert: Amalie Hoeppner bestand ihre Prüfung 1909 in Leipzig. Auf das Konto der Herzogin d'Uzes geht auch die erste Verkehrsstrafe: Statt mit den erlaubten zwölf Stundenkilometern wurde die Dame hinterm Steuer im Bois de Boulogne bei Paris mit Tempo 13 km/h erwischt. Man verwarnte sie und brummte ihr eine Geldbuße auf.

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In die Zeit um die Jahrhundertwende fallen auch die ersten Gründungen von Damen-Autoclubs. In Frankreich tut sich auf diesem Terrain ebenfalls Anne d'Uzes hervor. In Italien ist es die Gräfin Eleonore d'Albrizzi, die die Autofahrerinnen von Venetien in einer Organisation vereinigt. In Deutschland formieren sich ähnliche Vereine, die nicht nur gemeinsame Ausfahrten planen, sondern auch überlegen, wie Sicherheit und Komfort zu verbessern seien. Diese organisierten Autofahrerinnen beeinflussten Mechaniker und Karosseriebauer, bei denen damals Automobile noch in Auftrag gegeben wurden: "Die einzelnen Teile, aus denen das Automobil aufgebaut war, wurden in der Werkstatt teils maschinell, teils in Handarbeit gefertigt, jedes für sich, und sodann manuell zu einem Wagen montiert." So beschreibt die "Geschichte der Technik" das Entstehen früherer Autos.

Schon um 1905 beginnen die ersten Frauen, als Fahrerinnen ihr Geld zu verdienen. Die ersten Taxis kommen auf und mit ihnen die "Chauffeusen". Über die erste auf Londons Straßen berichtet 1909 in Deutschland die "Allgemeine Automobil-Zeitung": "In London ist jetzt die erste Chauffeuse in Gestalt einer jungen, hübschen Irländerin aufgetaucht, die einen 14 PS Wagen führt, da ihr die Polizei untersagt hat, eine Autodroschke zu führen und auf den Taxahaltestellen einen Platz einzunehmen." Damals waren die Fahrzeuge noch Handarbeit und Einzelstücke und als solche unberechenbar. Lenken war sperrig, unbequem, anstrengend, kurz: ein Kraftakt. Von Motorsportlern wie auch von Taxifahrern sind deshalb blutende Handflächen überliefert oder verbrannte Beine durch die Überhitzung des Motors, durch spritzendes heißes Öl und durch die mangelhafte Isolierung des Motorraumes. Pannen gehörten dazu wie die Kurbel zum Starten. Chauffeure wie Chauffeusen mussten auf der Straße Hand anlegen können.

Schon bei den ersten Autorennen mischten auch Frauen mit. Die Französin Camille du Gast stand seit 1901 regelmäßig auf den Teilnehmerlisten. Bei diesen Rennen ging es zwar auch um Tempo, mehr aber um das Ankommen und Bestehen des Rundkurses über mehrere hundert Kilometer. Camille rollte mit ihrer Droschke von Paris nach Berlin und fuhr dort als 15. ins Ziel. Drei Jahre später, als es die rund 1.000 Kilometer von Paris nach Madrid zu überwinden galt, lag sie an vierter Stelle. Maria Antoinette D'Avanzo, römische Baronesse, war 1921 die Trumpfkarte des Alfa Romeo-Teams. Sie fuhr mit einem Alfa ES 20 zum Sieg. Wenige Jahre später folgten ihr die Tschechin und Bankiersgattin Elisabeth Junek, Ernes Merck, die Frau des deutschen Industriellen Wilhelm Merck, und viele andere Sportlerinnen auf die Siegertreppchen.

Clärenore Stinnes, Industriellentochter aus dem Rheinland, war die erste, die 1927 (siehe Emma 11/1980) die ganze Welt auf vier Rädern umrollte. Die englische Baroness Cambell von Laurentz erfand für eine Autoreise an die Riviera das passende Gepäck: einen ledernen Reisekoffer, in den die Siebensachen für zwei Personen passten und der sich mittels eines Lederriemens auf das Heck schnallen ließ. Derart ausgerüstet durchquerte sie 1911 in einem Rolls Royce Silverstone Nord-Amerika: Wenige Jahre später stand der Reisekoffer in jedem Fertigungsprogramm von Limousinen.

Ähnlich reiselustig und erfinderisch gab sich die Engländerin Dorothy Levitt, die zudem als erste Motorjournalistin schrieb. Sie riet ihren Leserinnen, auf einsame Fahrten mindestens einen Hund, besser noch einen Revolver mitzunehmen. Der mobilen Nachwelt hinterließ sie den Rückspiegel. Dorothy Levitt hatte ihre Limousine nämlich mit vier Spiegeln ausgestattet: an den Außenseiten je einer und neben dem Steuer, zwei. Diese Eigenart wurde zunächst mit überhöhter Eitelkeit verbunden und verlacht. Erst 1919 entdeckten Konstrukteure den Wert dieser Einrichtung. Spektakulär waren auch die Fahrten der italienischen Fürstin Anna Maria Borghese. Zusammen mit ihrem Mann wurde sie als erfolgreiche und wagemutige Teilnehmerin von Langstrecken-Rennen bekannt. 1907 nahm das Paar an einer Rallye teil, die sie 15 000 Kilometer weit von Paris nach Peking bringen sollte. Eine Tour, die noch heute kaum im Auto bewältigt wird, damals aber neben Können fast unmenschliche Torturen erforderte. Die beiden erreichen ihr Ziel.

Von ganz ähnlichen Bemühungen einer Frauengruppe berichtet 1928 auch die Auto-Zeitschrift "Motor" in ihrer September-Ausgabe: Drei Damen waren in Berlin aufgebrochen zu einer Autoreise, die sie ins ferne Bagdad (heutiger Irak) bringen sollte. Das Trio startete ohne jede männliche Begleitung. Ob die Damen jemals an- oder zurückkamen, wurde nicht überliefert.

Charlotte Priesner, 1903 in Coburg geboren, wollte Privatchauffeurin werden, absolvierte dazu 1928 als erste Frau in Berlin eine Mechanikerlehre. Doch einen Arbeitgeber suchte sie danach vergeblich. Niemand wollte wahrhaben, dass selbst eine zierliche Frau eine schwere Luxuslimousine bewegen konnte. Weshalb Charlotte Priesner zunächst als Automechanikerin und Taxifahrerin, schließlich als Stewardess und - nach dem Zweiten Weltkrieg - endlich auch als Fahrerin für Post und Wäsche ihre Brötchen verdiente. Die ehemalige Apothekerin aus Coburg beendete ihre Laufbahn in den 50ern als Revuefahrerin - und genoss als solche das Glitzerleben, das sie als Privatchauffeurin einst gesucht hatte.

Ein ganz anderes, eher als weiblich geltendes Kapitel der Autogeschichte schrieb die Künstlerin Sonia Delaunay-Terk. Sie hatte 1925 die Idee, das Blechkleid eines Autos mit sogenannten Simultanfarben zu verschönern. Der Wagen war in den Farben und Mustern ihrer damals sehr bewunderten Simultankleider und -Stoffe lackiert: in blauen, roten und grünen Vierecken. Ziel war eine Symbiose von Kunst und Umwelt. Stoffe und Lack sollten den städtischen Lebensraum widerspiegeln. Von dem 1925 in München vorgestellten Original existieren heute nur noch Schwarz-Weiß-Fotos. Die Idee von den zur Kleidung passenden Karosserien wurde später von den Konstruktivisten des Bauhauses wieder aufgegriffen.

Das Auto passend zur Kleidung (oder umgekehrt) - damit fiel auch die Malerin Tamara de Lempicka auf. Tamara im grünen Bugatti, das Bild einer selbstbewussten Frau, wurde oft kommentiert. Die "New York Times" nannte die Lempicka rückblickend "stahläugige Göttin des Automobilzeitalters".

Dass Frauen Autos fahren, bauen und gestalten können, haben sie also schon Anfang dieses Jahrhunderts bewiesen! Ende dieses Jahrhunderts, nämlich im Jahre 1994, stand auf einem Aufkleber zu lesen, der einen Alfa 33 zierte: "Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen fahren können, hätte er ihnen ein Gehirn gegeben." Das Bild vom weiblichen Trottel am Steuer ist in: in Witzen, Stammtischsprüchen und Straßenparolen. Wo im Verkehr gezögert oder überraschend gebremst wird, schließt alles auf die Frau am Steuer. Selbst Fahrerinnen schimpfen munter mit, von schwesterlicher Solidarität im Verkehr keine Spur.

Doch auch der Streit ums weibliche Fahrvermögen ist so alt wie das Auto selbst. Schon 1903 drohten Gemeinderäte in Wien, Frauen den Gebrauch motorisierter Fahrzeuge zu verbieten. Die Argumentation der Ratsherren könnte aus unseren Tagen stammen: Sie begründeten den Antrag mit der mangelnden Routine der Damen. Einen feinen Unterschied zu heutigen Kritikern hat die Beweisführung dennoch: Weil Frauen wenig fahren, verloren sie in den Augen der damaligen Zeitgenossen die Kontrolle über ihr Automobil. Heute heißt es hingegen, aus mangelnder Routine folgt gefährliches Schneckentempo oder unsicheres Zögern.

Noch heute ist auch das Recht auf Mobilität für Frauen keine Selbstverständlichkeit: In Saudi-Arabien ist ihnen das Autofahren verboten. Jene, die es im Ausland lernten, müssen mit hohen Strafen und Ächtung rechnen, werden sie erwischt. In Riad versuchten 1991 Professorinnen, Lehrerinnen und Ärztinnen, diese eingefahrenen Gesetze aufzubrechen. Die meisten wurden sofort von ihren Berufen oder Ämtern suspendiert, ihre Familien diskreditiert und die Ehemänner oder Väter angehalten, die Renegatinnen zu mäßigen.

Weibliche Mobilität ist den meisten Männern suspekt. Sie zeigt Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein, Freiheit und kratzt an männlichen Positionen. Eine Frau, die jederzeit entscheiden kann, wohin sie geht und fährt, entzieht sich patriarchalem Einfluss, Schutz und Macht. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die allseits bekannten Ehekriege ums Auto in einem besonderen Licht. Schon Sigmund Freud klagte in den 20er Jahren über die Bedrohung, die von der Frau am Steuer ausginge. Auf den Motorsport bezogen, glaubte er zu wissen, Fahrerinnen nähmen nur an Autorennen teil, um der "weiblichen Sucht zu frönen, die Männer zu bezwingen und zu erniedrigen".

Männer wie Frauen wachsen mit Märchen und Mythen auf, in denen eingesperrte Prinzessinnen von vorbei reitenden Prinzen gerettet werden. Auch ihr Fahrverhalten ist von dieser Erziehung geprägt: Frauen fahren vorsichtiger, sie gehen im Durchschnitt etwa zwei Jahre später als ihre Freunde zur Fahrschule, entsprechend länger dauert es, bis sie ein Auto ihr eigen nennen. Ähnliches gilt für die Technik: Neben mangelnder Routine gilt geringes Verständnis dafür als Ursache, warum Frauen angeblich "schlechter" fahren. Wer nichts von Zylinder, Motoren und Antrieb versteht, so die Argumente, kann ein Fahrzeug nicht beherrschen. Das ist das männliche Wunschdenken. Doch die Realität sieht anders aus. Statistiker und Psychologen schreiben Frauen am Steuer ein besseres Zeugnis als Männern. Da ist von "rücksichtsvollem" und "vorausschauendem" Steuern die Rede, von "realistischem Einschätzen des Fahrvermögens" und einem "ausgeprägten Sicherheitsbewusstsein".

"Frauen haben deutlich seltener als Männer einen Unfall, weil sie etwa infolge zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren. Und das sind in der Regel besonders schwere Unfälle", weiß Elvira Kretschmer-Bäumel, die als Soziologin in der Bundesanstalt für Straßenwesen in Deutschland auch Unfallstatistiken auswertet: "Auch bei Frontalunfällen und Auffahrunfällen - ebenfalls Unfälle, bei denen oft zu hohe Geschwindigkeiten eine Rolle spielen - sind Frauen weniger häufig vertreten. Frauen sind zwar relativ häufiger in Unfälle verwickelt als Männer. Doch verursachen sie dabei meist nur leichte Schäden: Karambolagen und Auffahrunfälle. An den schweren Unfällen mit Verletzten und Todesfolgen sind sie verhältnismäßig selten beteiligt."

Ebenfalls Legende ist, dass Frauen häufiger als Männer wegen Benzinmangels liegenblieben. Pannenhelfer bestätigen das Gegenteil: Sie werden eher von Männern zur Hilfe gerufen, auch deshalb, weil diese die Grenzen ihres Fahrmobils austesten wollten und damit sich wie das Auto überforderten. In punkto Fahrleistung und Routine haben Frauen in den letzten Jahrzehnten aufgeholt. Von den Jahreskilometern legen sie weit über 40 % zu- rück, fast jedes dritte Auto wird heute von Frauenhand gesteuert.

Das Auto wird als das Vehikel zur Emanzipation wiederentdeckt, das es in den 20er Jahren schon einmal war. Das Auto, resümierte 1993 eine Studie von Aral mit dem Titel "Frauen fahren voran", diene Frauen heute nicht nur als praktisches Transportmittel, es sei "vielmehr ein wichtiges Mittel zur Kommunikation. 51 % der Frauen in den alten Bundesländern und 46 % der Frauen in den neuen Bundesländern verbinden mit dem Thema Auto an erster Stelle Freiheit, Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Das Auto und Autofahren bedeutet Frauen ein wichtiges Stück Emanzipation."

Die beiden Texte snd ein Nachdruck aus "Frauen in Fahrt" von Susanne Vieser und Beate Gabelt.

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