In der aktuellen EMMA

Yael Adler: „Die Haut kann alles selbst!“

Foto: Marcus Höhn
Artikel teilen

Frau Dr. Adler, Sie sagen: Wenn man die Haut fragen würde, wie oft sie gewaschen werden will, würde sie sagen: „Gar nicht!“ Im Ernst?
Aus medizinischer Sicht: Ja! Unsere Haut funktioniert immer noch so wie in der Steinzeit. Das heißt: Sie macht eigentlich alles selbst.

Anzeige

Und wie macht sie das?
Alle vier Wochen erneuert sich die Oberhaut. Die hat einen eigenen Säureschutzmantel, der den guten Bakterien ein Zuhause gibt und böse Bakterien – wie Eiter- oder Stinkbakterien, aber auch Viren und Pilze – fernhält. Die Hornschicht ist die dünne Schicht obendrauf. Diese Hornzellen, die regelmäßig absterben, bilden unsere Hautschutzbarriere, die auch Feuchtigkeit speichert. Wenn das alles intakt ist, kann die Haut alles, was wir an schlechten Einflüssen auf die Haut bekommen, allein super abwehren und auch die Reinigung funktioniert im Grunde von allein. Wenn wir aber die ganzen Schutzmechanismen der Haut – Fett, ph-Wert, Mikrobiom, Hornzellen – immer entfernen, dann schwächen wir unsere Hautbarriere. Mindestens 20 Prozent meiner PatientInnen haben durch dieses Übermaß an Reinigung und durch falsche Pflege überhaupt erst Hautkrankheiten bekommen: Entzündungen, Pickel, Autoimmunerkrankungen sind Resultate dieser falschen Pflege. Mein Appell ist also: Bei der Hauptpflege ist weniger mehr!

Nehmen wir an, ich habe Sport gemacht und dabei ordentlich geschwitzt. Wenn ich dann unter der Dusche stehe, habe ich schon das dringende Bedürfnis, den Schweiß mit Seife abzuwaschen. Nicht nötig?
Schweiß ist ein Pflegefaktor für unsere Haut. Er bringt Feuchtigkeit in die Haut und führt dazu, dass der Säureschutzmantel verstärkt wird. Und er riecht auch nicht, wenn er aus dem Körper kommt. Er riecht erst dann, wenn Bakterien den Schweiß zersetzen.

Aber die Stinkbakterien …?
Jemand, der eine gesunde, vielfältige, kraftvolle Bakterienflora hat, hat in der Regel einen guten Körpergeruch. Wenn man aber seinen natürlichen Hautschutz ständig zerstört und damit auch die Bakterien, die böse Stinkstoffe auffressen, bzw. selber keine Stinkstoffe produzieren, dann hat man einen schlechteren Körpergeruch. Die klassische Seife hat einen ph-Wert von zehn bis elf, die zerstört den Säureschutzmantel für acht Stunden und alle guten Bakterien liegen quasi tot darnieder, während die bösen sich vermehren können. Man kann das mal selbst ausprobieren, indem man die eine Achsel
mit einer alkalischen Seife wäscht und die andere nur mit Wasser oder mit Essigwasser oder einer sauren Waschsubstanz mit einem pH-Wert um fünf. Der entspricht dem Säureschutzmantel der Haut. Und man wird erleben, dass die Seifen-Achsel schlechter riecht als die saure Achsel. Aber auch das Waschen mit einer sauren Waschsubstanz empfehle ich nur an den schwitzigen, stinkigen Stellen, an denen man seine eigenen ätherischen Öle nicht mag. Eigentlich würde es überall nur mit Wasser reichen. Denn Schweiß ist wasserlöslich.

Aber was ist mit Schminke? Muss das heute Abend nicht mit Seife oder einer Creme runter?
Also, die Wimperntusche würde ich schon mit einem Öl oder einem Eye-Make-up-Remover entfernen, weil die etwas klebt. Aber Sie sehen ja überhaupt nicht zugekleistert aus, sondern Ihr Puder bleibt oben auf der Haut liegen. Und wenn Sie das mit warmem Wasser abwaschen und den Rest ins Handtuch reiben, dann haben Sie den größten Teil davon runter. Und was drauf liegenbleibt, ist bei intakter Hautbarriere für die Haut viel weniger problematisch, als wenn Sie alle Ihre Schutzmechanismen mit Peelings, Mizellen- oder gar alkoholischem Gesichtswasser entfernen würden. Dann haben Sie ein Spannungsgefühl und dann müssen Sie wieder gegenarbeiten mit dem Tonic und der Tagescreme und der Nachtcreme und der Augencreme – und dann kriegen Sie Kontaktallergien oder eine Überfettung.

Sie sagen also, die Kosmetik-Industrie kreiert – speziell natürlich für Frauen – ein fiktives Bedürfnis. Warum funktioniert das so gut?
Weil es ein Milliardenmarkt ist, bei dem extrem viel über Marketing funktioniert. In den meisten Pflegeprodukten ist sehr viel Chemie und sehr viel Schädliches. Aber die sind toll verpackt und da wird ein Versprechen gemacht: Wenn du das und das benutzt, dann wirst du nie alt aussehen. Dabei ist es letztlich nicht möglich, mit diesen ganzen Beauty-Produkten jünger auszusehen. Denn die Wirkstoffe, die
angeblich der Schönheit und der Vermeidung von Falten dienen sollen, gehen sowieso nicht in die Hautschichten über, in denen sie wirken könnten. Die bleiben draußen, denn wir haben eben diese Schutzbarriere. Deshalb hat das keinen Effekt und kostet überflüssigerweise viel Geld.

Kann man denn überhaupt was tun?
Ich bin ja auch Ernährungsmedizinerin und mache die Haut auch sehr stark gesund über Ernährung und die Darmflora, auch über Hormone und Botenstoffe. Ich gucke mir den gesamten Stoffwechsel an, die Verdauung und die Organgesundheit, aber auch die Psyche und die Sexualität.

Was die Sexualität mit der Haut zu tun hat und warum selbst Cellulite ihren Sinn erfüllt -  das erfahren Sie in der neuen EMMA! Hier bestellen!

Artikel teilen
 
Zur Startseite