Drei Angies und eine Ullala

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EMMA: Können bitte alle mal was sagen wegen Soundcheck?
Antonia von Romatowski (mit Merkel-Stimme): Eins, zwei, drei, Soundcheck, sieben, acht, neun …

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Katrin Schmick (mit Schmidt-Stimme): Wei­ter kommen Sie wohl nicht, Frau Bundeskanzlerin. Zehn, elf, zwölf … Ich bin hier übrigens die Hauptperson. Ohne mich würde hier gar nichts laufen – ohne die Gesundheit!

Berenike Beschle (mit Merkel-Stimme): Das würde Ihnen so passen!

Maria Grund-Scholer (mit Merkel-Stimme): Ich kann Ihnen eins sagen: Ich leide seit meiner frühesten Kindheit an einer multiplen Persönlichkeitsstörung und bin so froh, mich endlich mal mit mir selbst zu treffen.

Schmick (mit Schmidt-Stimme): Ja, ich höre hier auch Stimmen.

Beschle (mit Merkel-Stimme): Ich hätte gern ein Wasser!

Schmick (mit Schmidt-Stimme): Ja, trinken Sie viel Wasser!

Grund-Scholer (mit Merkel-Stimme): Wo ist eigentlich der Kauder?

Hüstel, hüstel. Wir hatten da noch so einen kleinen Fragenkatalog vorbereitet.
Schmick (mit Schmidt-Stimme): Ja, man braucht Eckpunkte!

Wie schlüpfen Sie eigentlich in so eine Figur?
Beschle: Bei mir ist es so, dass ich mir die Stimme ganz oft anhöre, bis ich sie auswendig im Kopf habe, also sie mir auswendig abrufen kann. Ich arbeite immer die extremen Merkmale der Stimme raus.

Machen Sie das mit geschlossenen Augen?
Beschle: Ich hab mir immer wieder die O-Töne angehört und die Stimme dann nachgesprochen. Aber wenn Angela Merkel im Fernsehen ist …

Grund-Scholer: … dann kleben wir da dran.

Beschle: Genau! Und dann (mit Merkel-Stimme) spricht man da so synchron mit.
Alle lachen.

Grund-Scholer: Ich mache relativ viele Stimmen für die WDR-Sendung ‚Zugabe‘. Und immer, wenn da Mädels gebraucht werden – von der Omma bis zur Wasweißich – wird bei mir nachgefragt. Und dann kam eines Tages ein Anruf: Sie bräuchten eine Frau, die berlinert. Ich wusste gar nicht, dass es um Merkel ging. Und da sollte ich den Satz sagen (mit Merkel-Stimme): „Im Westfernsehen hab ich den Bundeskanzler Kohl gesehen. Das ist ein eindrucksvoller Mann. Dem würd ich auch gern mal die Tasche tragen.“ Ich dachte: Was soll das? Und dann erfuhr ich eben, dass es die Merkel sein sollte. Dabei berlinert die doch gar nicht! Und dann hab ich mir einen O-Ton aus dem Internet gezogen und geübt. Und dann sagten alle: „Wahnsinn, du hörst dich genau so an wie die Merkel!“

Sie sind alle drei sehr dicht an der Merkel-Stimme.
Romatowski: Bei mir läuft auch ganz viel über Beobachtung. Am Anfang kann ich noch nicht mitsprechen. Da bin ich wie ein Schwamm, der jeden Ton aufsaugt. Und irgendwann hat man die innere Haltung der Figur begriffen – warum (mit Merkel-Stimme und erhobenem Zeigefinger) manche Sachen so gesagt werden, wie sie gesagt werden.

Und was ist bei Angela Merkel die innere Haltung?
Romatowski: Ich finde es extrem schwierig, über sie Witze zu machen, weil sie so offensiv mit ihren Schwächen umgeht. Und das finde ich ganz geil. Deshalb kann man sie immer nur so inhaltlich erwischen. Und sie hat eben nicht diese Haltung wie der Schröder (lehnt sich im Stuhl zurück und spricht mit Schröder-Stimme): ‚Basta, hier bin ich!‘ So ist sie eben nicht. Und deshalb ist es schwierig. Momentan kloppen wir so ein bisschen auf dem Stoiber rum.
Schmick (mit Schmidt-Stimme): Oder auf mir!

Nun kann man ja Satire nur von unten nach oben machen, sonst funktioniert sie nicht. Aber Merkel trägt nicht Brioni und raucht Zigarre, sondern sie ist irgendwie sehr menschlich.
Romatowski: Total!

Heißt das, die Kanzlerin parodieren, das ist so wie eine Nachbarin oder eine Freundin parodieren?
Grund-Scholer: Ja, so ähnlich ist das. Ich muss ja gestehen: Je länger ich sie mache, um so netter finde ich sie.

Romatowski: Hör auf, ich auch!

Grund-Scholer: Was mir so unheimlich gefällt, ist, dass sie so gar nicht diese Show-Attitüde hat wie Schröder. Das habe ich so gehasst. Und spätestens seit der Elefantenrunde hätte ich nur noch kotzen können. Kürzlich war sie im Bürgerzentrum in Windhagen im Westerwald, wo ich wohne. Am liebsten wäre ich hingegangen, hätte ihr die Hand gegeben und hätte ihr gesagt: „Guten Tag. Merkel.“ Man kriegt einfach totale Freude an ihr.

Alle: Jaja, genau.

Grund-Scholer: Und da finde ich es so sympathisch, dass sie da mit so einem Gesicht steht (zieht die Mundwinkel nach unten). Tausend Leute gucken sie an, und sie ist auf sooo einem Bildschirm, und es ist ihr scheißegal, wie sie aussieht. Aber wenn sie dann dran ist, dann ist sie wach und dann ist sie da. Es kam ja sogar schon Kritik von Kollegen, die meinten: Wie Kat­rin und ich die Angie und Ullala darstellen – und das gilt wahrscheinlich auch für euch beide – das würde die Politikerinnen zu sympathisch machen. Dabei hat doch jeder das Recht, verarscht zu werden.

Beschle: Genau, das ist doch eher eine Adelung.

Kann es denn sein, dass so ein weiblicher Politiker eher der Mensch von nebenan bleibt als ein männlicher, der sich weiter von den Menschen entfernt?
Grund-Scholer: Ja, ganz klar.

Schmick: Ich denke, dass wir auch einen Vorteil haben, weil das Phänomen einfach so neu ist: Dass Frauen in der Come­dy sich jetzt an Politikerinnen wagen, weil sie auch endlich da sind. Welche Politikerin hatten wir denn, die mächtig genug war, um parodiert zu werden? Und dann muss so eine Politikerin ja auch noch was ha­ben, was man parodieren kann. Ursula von der Leyen zum Beispiel gilt als nicht parodierbar.

Romatowski: Das ginge nur über die Optik. Das Lächeln …

Beschle: Früher waren die Frauen, die imitiert wurden, unbedeutende Starlets. Verona Feldbusch oder Dolly Buster. Die Zeiten sind jetzt einfach vorbei.

Schmick: Und es ärgert auch ein bisschen die Imitatoren-Szene. Die männliche. Dass wir jetzt im Kommen sind.

Romatowski: Die Männer in der Szene, die drehen echt ab!

Beschle: Ganz am Anfang gab’s ja sogar Männer, die die Frauen parodiert haben.

Schmick: Und jetzt kommen wir und sagen: Wir können das besser! Wobei: Matthias Richling zum Beispiel macht die Ulla Schmidt auch sehr gut.

Ja, aber er macht sie hämisch. Parodie oder Satire soll scharf sein, aber sie muss ja nicht hämisch sein. Sie machen, bis auf Katrin, ja alle auch schon mal Männer nach. Und auch von der Arbeit mit den Kollegen her ist Ihnen das vertraut. Also: Eine Frau wird eine öffentliche Frau, wird vielleicht sogar die „mächtigste Frau der Welt“. Oder ein Mann wird es. Was ist der Unterschied?
Beschle: Mir ist aufgefallen: Angela Merkel ist schon staatsfraulicher geworden und spricht jetzt auch schon anders. Sie ist nicht mehr so schnodderig. Vorher hat sie oft die Worte gar nicht richtig ausge­sprochen. Jetzt ist sie akzentuierter. Am Anfang hat sie, wenn sie Staatsmänner getrof­fen hat, immer versucht cool zu bleiben. Aber zwischendurch hat sie sich total gefreut. Wenn sie zum Beispiel plötzlich unvermutet ein Küsschen von Chirac bekommen hat.

Romatowski: Ja, dann war sie wie ein kleines Mädchen!

Grund-Scholer: Man hat das Gefühl, sie denkt: Oh, den kenne ich ja vom Fernsehen! Aber das finde ich eben ungemein sympathisch.

Beschle: Ja, aber jetzt ist sie schon cooler. Und das finde ich auch gut so.

Romatowski: Es wird ihr ja auch als Schwäche ausgelegt von den ganzen Knaben.

Schmick: Das stimmt. Aber die anderen Staatsmänner wie Chirac und Bush sind relativ moderat mit ihr. Aber das liegt wahrscheinlich an ihrem Schröder-Überdruss. Mit dem konnten sie ja gar nicht.

Grund-Scholer: Das waren ja auch Platzhirsche untereinander.

Schmick: Genau! Und deshalb habe ich den Eindruck, dass die sich freuen, dass da jetzt so eine Frau kommt …

Grund-Scholer: … der man mal eben von hinten an die Titten gehen kann. Das war doch ein totaler Übergriff von Bush.

Beschle: Aber ich finde, da ist auch eine Entwicklung drin. Am Anfang wurde sie nur als Frau betrachtet – also so mit Küsschen hier und ein bisschen Galanterie da – und jetzt scheint mir das schon mehr auf Augenhöhe zu sein.

Romatowski: Ich glaube, ihre Bescheidenheit ist ihre Stärke und ihre Schwäche. Aber es kommt eben immer auf den Blickwinkel an. Also, ich als Frau finde das ganz großartig, wie sie sich präsentiert. Aber sie ist eben nicht die Frau, die sich hinstellt und sagt (haut auf den Tisch): „Machtwort!“

Beschle: Aber trotzdem ist sie die beliebteste Politikerin.

Schmick (mit Schmidt-Stimme): Und ich bin die unbeliebteste!

Alle lachen.

Katrin, mögen Sie Ulla Schmidt?
Schmick: Die Ullalala-Parodie haben wir ja angefangen, als es die Ulla sehr schwer hatte, weil das mit der Gesundheitsreform angefangen hat. Das war vor drei Jahren, und da wurde auf Ulla Schmidt ziemlich rumgehackt. Und dann habe ich ganz viel Hörerpost bekommen: „Ulla Schmidt hassen wir, aber Ullalala lieben wir!“ Also: Durch die Parodie wurde die Ministerin plötzlich nett. Und ich hatte sie sowieso lieb. Also: Die Ullalala, weil die eben meine Figur ist.

Halten Sie sich eigentlich die Nase zu, wenn Sie die Ulla Schmidt nachmachen?
Schmick: Im Radio halte ich mir die Nase zu, damit es noch etwas extremer klingt. Ich kann das aber auch so. Aber (spricht mit Schmidt-Stimme) das ist so anstrengend, wenn man immer mit seinen Polypen sprechen muss. Die Ullala hat ja einmal die Komponente Nase und außerdem die Eigenart, alle Endungen auszusprechen. Das macht der Öcher.

Romatowski: Der was?

Schmick: Der Öcher – der Aachener.

Sie sind ja eigentlich Journalistin und Radio­moderatorin. Wie sind Sie denn dazu gekommen, die Ulla Schmidt zu paro­dieren?
Schmick: Ich bin zu diesem Job gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Ich moderiere ja bei WDR 2 das Morgenmagazin. Und da hatte ich die Ulla Schmidt im Interview. Ich hab also mit ihr geredet und dachte: Mein Gott, die Frau Schmidt spricht ja komisch. Und dann hab ich sie in der Redaktion aus Spaß öfter mal nachgemacht. Da hieß es plötzlich: „Das ist ja unglaublich. Da müssen wir was draus machen!“ Ich selbst bin überhaupt nicht in dieser Comedy-Ecke gewesen. Und so ist dann das ‚Reformhaus Schmidt‘ entstanden. Am Anfang hat Ullala ja immer nur die Gesundheitsreform erklärt. Später hat sie dann zu allem ihren Sermon dazu gegeben, ob Männer am Steuer oder Einparken oder was auch immer. Und ich war ja auch öfter mit meiner Freundin Angelalala im Kino.
Grund-Scholer: Das war super! Wir waren auch in der Sauna und haben uns da einen geschnasselt (mit Merkel-Stimme, etwas lallend): Kann ich noch ein Schlückchen Aufguss haben?

Wie hat denn die wahre Ulla Schmidt reagiert?
Schmick: Sie war am Anfang nicht so glücklich. Und zwar, weil sie zu diesem Zeitpunkt regelrecht bedroht wurde und Hasspost bekam. Aber wir haben ihr dann eine CD geschickt, und dann war sie beruhigt. Sie ist ja eigentlich wirklich eine rheinische Frohnatur! Wir sind uns dann in Aachen tatsächlich begegnet. Ich war dort auf Tour, als Ullala verkleidet, und für eine Live-Übertragung der Lokalzeit Aachen standen wir beide direkt nebeneinander. Ich guckte sie an und sagte: „Mensch, Frau Schmidt, wenn ich Sie so angucke, glaube ich, ich müsste noch an meiner Frisur arbeiten.“ Darauf sagte sie: „Und wenn ich Sie so angucke, glaube ich, ich müsste noch an meiner Figur arbeiten.“

Alle lachen.

Hat sich die Ulla Schmidt auch verändert in den letzten Jahren?
Schmick: Ja, das hat sie schon. Sie ist im laufe dieses brutalen Amtes ein bisschen härter geworden, irgendwie distanzierter. Man kriegt sie zum Beispiel nicht mehr so leicht zum Interview. Ich glaube, sie lässt sich einfach nicht mehr so gern von allen anschreien. Sie reagiert schneller ange­stochen und hat nicht mehr so ein dickes Fell.
Wie machen sich diese Veränderungen denn für Sie als Parodistinnen bemerkbar?

Romatowski: Ich hatte ein Riesenproblem, als wir die Fernsehsendung ‚Talk im Tudio‘ gemacht haben. Vorher hatte ich als Merkel immer totale Narrenfreiheit gehabt, durfte mich einfach mit Schröder streiten und sowas. Aber in dieser TV-Männerrunde wurde ich tatsächlich wie ein Kerl behandelt. Das war ganz schlimm für mich. Ich hatte gedacht, ich hab hier meinen Sonderstatus. Und dann: Wumm! Und ganz interessant wurde es, als sie dann Kanzlerin wurde. Da hieß es plötzlich: „Antonia in die erste Reihe!“

Und dann wurden Sie als Kanzlerin natürlich respektvoller behandelt.
Romatowski: Nein, eben nicht! Ich dachte, ich könnte mich jetzt auf meinen Thron setzen und regieren. Aber Merkel hatte ja auch nach dem Wahlkampf noch diesen Druck und diese Anspannung. Sie hatte zwar einen Status, aber der wurde ja permanent unterlaufen. Und die Männer in der Runde haben mich dann auch tatsächlich genau so behandelt, als ob ich nicht Kanzlerin, sondern noch im Wahlkampf wäre.

Beschle: Das ist mir total aufgefallen!

Grund-Scholer: Mir auch. Aber du hast das großartig gemacht!

Romatowski: ‚Talk im Tudio‘ war eine Improvisations-Sendung. Da kam ich noch einigermaßen klar, weil ich auf mich selbst gestellt war. Aber für ‚Der heiße Brei‘ haben männliche Autoren die Texte geschrieben. Und da dachte ich: Jetzt komm ich auf gar keinen grünen Zweig mehr.

Ihr alle habt männliche Autoren, die die Texte für eure Angie-Imitationen schreiben. Kommt es vor, dass diese Autoren gegen die Frau arbeiten?
Grund-Scholer: Oh ja. Aber dann mach ich das nicht. Als zum Beispiel Bush Angela Merkel von hinten an die Schultern gefasst hatte, da sollte ich das in der Nummer ganz genüsslich sagen. So nach dem Motto: „Hach, und dann hat er mich angefummelt.“ In solchen Fällen kann ich aber auch laut und deutlich sagen, dass ich das Scheiße finde.

Berenike, das ist bei Ihnen etwas anders. In Ihren Nummern gibt es schon mal die eine oder andere Anzüglichkeit.
Beschle: Für mich ist das okay. Weil ich so froh bin, dass sie überhaupt so eine schöne Comedy hat. Allerdings hatte ich auch schon den einen oder anderen Konflikt mit einem Autor. Weil mir die Witze einfach zu platt waren. Also, diese Frisur-Nummer ist einfach durch. Und das sag ich dann auch.

Schmick: Das haben die Leute jetzt wirklich begriffen: Dass sie der Merkel nicht mehr mit diesem Frisur-Klamotten-Ding kommen können. Übrigens passiert das der Ullala ja gar nicht. Da gibt es diese weibliche Baustelle nicht. Die wird von den Autoren in den Texten wie ein Kerl behandelt. Aber als Merkel Kanzlerin wurde, wusste man gleich: Angie als Frau, das wird ein Thema.

Gibt es eigentlich so etwas wie ein Geheimnis, das Sie an Angie oder Ullala entdeckt haben? Sowas, von dem Sie glauben: Das hat außer uns noch keiner gemerkt?
Romatowski: Ich weiß nicht, ob das ein Geheim­nis ist: ihr Rehblick. Wenn sie jemanden so anhimmelt, wie Klinsi zum Beispiel. In den war sie ja richtig verknallt.

Na ja, das waren wir ja alle …
Romatowski: Dann hat sie so was ganz Mädchenhaftes.

Schmick: Als wir uns in der Redaktion mal zusammen diese Stern-Geschichte angeschaut haben, mit Jugendfotos von ihr aus der Uckermark, da haben die Jungs gesagt: „Mensch, die war ja echt ein Schuss!“

Was fühlt ihr denn, wenn ihr mit euren jeweiligen Stimmen sprecht? Was machen die mit euch?
Schmick: Also, Ullala macht mit mir erst mal was Physisches, weil ich mich zunächst mal darauf konzentrieren muss, dieses Nasale herzustellen. (Mit Schmidt-Stimme) Da habe ich die Luft hinten auf dem Gaumen und drücke die durch die Nase. Und dann sehe ich sie vor mir. Und idealerweise kommt man dann an den Punkt, dass man diese Stimme dann ist.

Grund-Scholer: Ich sitze wirklich in dieser Stimme drin. Das ist einfach so. In die Figuren, die ich spreche, muss ich auch rein. Dann bin ich auch nicht mehr ich.
Romatowski: Ich hab mittlerweile manchmal richtig schlechte Laune, nachdem ich sie gesprochen habe. Weil sie mir total in den Körper geht. Wenn ich sie mache, dann nehme ich sofort ihre Haltung ein. Ich kriege jetzt die ersten Falten an den Mundwinkeln. (Zieht die Mundwinkel nach unten und die Schultern ein, mit Merkel-Stimme) Ich mach sie ja den ganzen Tag, und sie hat eben so was von einer kleinen Schildkröte.

Alle lachen.

Romatowski: Ich spreche sie immer im Sitzen, weil sie immer so was Zusammengesacktes hat. Das ist für mich ganz schwierig, weil ich als Antonia eine ganz andere Haltung habe (richtet sich gerade auf, öffnet die Arme). Ich mache mich hier vorn auf, stehe auf dem Boden, verbinde mich. Und sie sitzt da wie ein hingeschissenes Fragezeichen. Das muss man einfach mal sagen. Sie hat eine ganz schlechte Haltung. Und ich kann diese Stimme eben nur herstellen, wenn ich in diesen Körper gehe. Und davon kriege ich Nackenschmerzen. Deshalb gehe ich jetzt immer zum Shiatsu und lass mich wieder gerade ziehen.

Schmick: Du lässt dich also „entmerkeln“.

Alle: Hihi.

Romatowski: Ja, aber andere Frauen sind auch anstrengend. Verona zum Beispiel. Die ist körperlich wie ein Stock. (Spricht mit Verona-Stimme) „Hallo, hier ist Verona Ex-Feldbusch. Jetzt heiß ich nämlich Pooth. Mit Doppel Totto und H-T. Nee, T-H. Hä? Bin ich jetzt blöd?“

Alle: Hahaha.

Bei Verona sind Kopf und Körper getrennt. Bei der Kanzlerin kommunizieren die beiden ja schon.
Romatowski: Ja, aber sie duckt sich manchmal so weg. Sie geht noch nicht so ganz in die Offensive, stellt sich hin und sagt: „Ich stehe in meinem Licht!“ Dabei könnte sie ja bei dem, was sie drauf hat und bei ihrer Posi­tion ganz entspannt sagen: „Hier bin ich und so läuft es jetzt!“

Beschle: Die meisten Stimmen macht man am besten im Stehen. Merkel kann man interessanterweise besser im Sitzen sprechen.

Grund-Scholer: Dieses Gefühl, dass es ihr egal ist, wie sie aussieht, überträgt sich auch. Ich merke, dass es mir auch egal wird, wie ich aussehe, wenn ich sie mache. Es ist zwar schmerzhaft im Nacken, sie zu sprechen. Aber dafür muss ich auch nicht als sexy Biene im Studio sitzen.

Auch das ist ja wieder Stärke und Schwäche zugleich.
Beschle: In ihrer Biografie steht ja auch, dass sie sehr früh sprechen, aber erst ganz spät laufen konnte. Und dass sie immer ganz schlecht in Sport war.

Spüren Sie denn, wenn Sie Merkel sprechen, bei aller körperlichen Bescheidenheit auch Macht?
Grund-Scholer: Ja, klar!

Romatowksi: Ja, die Macht drückt sich bei ihr über die Hände aus. Sie hat ja diese eingezogene Sitzhaltung (zieht die Schultern ein), aber mit den Händen ist sie ganz agil (hebt die Hände). Mit denen nimmt sie sich zwar immer nur einen ganz kleinen Radius. Aber da ist Kraft drin. Da weiß sie genau, wie sie was macht. (Hebt den Finger und spricht mit Merkel-Stimme) Dieser Finger, der macht’s aus! Damit wird betont! So ist es!

Alle: Kicher.

Ihr wart ja vorher als Parodistinnen von Politikerinnen immer Randfiguren. Wie hat die Comedy-Branche denn die verstärkte Frauen-Präsenz aufgenommen?
Schmick: Ich hatte meinen Ritterschlag, als das Foto von Ulla Schmidt und mir als Ullala im Spiegel erschien. Da dachte ich: So! Jetzt hab ich eine Figur miterschaffen, die was ganz Besonderes ist. Und man merkte: Jetzt sind hier mal ein paar Frauen­figuren in dieser Szene, die da auch erstmal bleiben.

Romatowski: Ich bin ja eigentlich Schauspielerin, hatte mich aber aus verschiedenen Gründen entschieden, nicht mehr auf die Bühne zu gehen. Dann habe ich drei Jahre lang überlegt, was ich mit meinem Leben mache. Die Angie kam dann über mich wie eine Eingebung. Auf einmal hat es Wooom gemacht. Und ich wusste: Ich muss mich um Angela Merkel kümmern!

Alle: Neeiiiiin!

Romatowski: Doch! Das hab ich dann verkündet, und alle haben gesagt: Antonia, jetzt drehst du völlig durch. Das war vor dreieinhalb Jahren. Da war überhaupt noch nicht klar, dass sie Kanzlerin wird. Man hat es als Newcomer schon schwer, in diese männlich besetzte Comedy-Landschaft reinzukommen. Zumal es ja zwischen Angie in der Politik und uns in der Comedy gewisse Parallelen gibt: Jetzt sind wir plötzlich die Hauptperson, und das ist für manche Männer ein Problem. Elmar Brandt musste ja als Hauptfigur genauso abdanken wie Schröder.

Grund-Scholer: Es sind ja auch verdammt wenig Frauen in der Comedy-Szene aktiv. Ich bin ja schon seit 1986 in der Co­medy-Abteilung des WDR, und es wird leider total selten was von Frauen ange­boten.

Beschle: Frauen trauen sich das oft nicht zu. Während jeder Praktikant denkt, er wäre witzig.

Romatowski: Ich sag immer: Merkel hat Arbeitsplätze versprochen – mir hat sie einen gegeben!

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