Dyke March: Lesben tun sich zusammen!

Mädels vom PULS in Düsseldorf beim CSD. - © Hans-Jürgen Bauer
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Am 4. Juli 2015 um 18 Uhr wird Köln eine Premiere erleben. Im Schatten des Kölner Doms wird sich eine Gruppe Frauen versammeln, der es reicht. Nur ein einziger von 150 Wagen der Parade ist in Frauenhand und nur drei von 50 Ständen auf dem Straßenfest. Dementsprechend berichten die Medien seit Jahren über die „Schwulenparade“, obwohl rund ein Drittel Lesben mitgehen. Von der „Schwulenehe“, den „Schwulenrechten“ und der „Schwulenfeindlichkeit“ ganz zu schweigen.

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Deshalb wird es ihn in diesem Jahr zum ersten Mal geben: den „Dyke March Cologne“. Denn: „Wir werden als lesbische Frauen nicht angemessen wahr­genommen“, findet Barbara Narzinski. Deshalb hat sie gemeinsam mit vier Mitstreiterinnen die Lesbendemo am Vortag der CSD-Parade ins Leben gerufen.

Wo homosexuell draufsteht, ist schwul drin

Dabei ist der Dyke March durchaus keine rheinische Erfindung. Er hat eine jahrzehntelange Geschichte. Zum ersten Mal marschierten lesbische Frauen schon auf dem Höhepunkt der „Women’s Liberation“ Anfang der 1970er in New York. 20 Jahre später, Anfang der 1990er, wurde die Tradition durch die „Lesbian Avengers“ wiederbelebt. Die lesbischen Rächerinnen, die durch allerlei anarchische Aktionen von sich Reden machten (EMMA 3/1995), riefen nun in Washington, New York und San Francisco ihre Schwestern auf die Straße. Die kamen in Massen: Rund 20.000 marschierten in jeder Stadt mit, in Amerikas Homo-Hauptstadt San Francisco waren es zuletzt 50.000. 2012 folgte London, 2013 Berlin. Dort brachte der Dyke March, der vom Lesbenmagazin L-Mag initiiert wurde, am Vorabend der CSD-Parade zuletzt immerhin 1.500 homosexuelle Frauen auf die Beine. Genug jedenfalls, um die Kölnerin Narzinski, die im letzten Jahr in der Hauptstadt mitmarschierte, derart zu begeistern, dass sie die „grandiose Idee“ nun in die heimliche Homo-Hauptstadt importiert.  

Denn bei der lesbischen Sichtbarkeit geht es um mehr als das Ärgernis, dass auf den Fotos vom CSD immer nur die bunten Tunten zu sehen sind. Es geht um mehr als die Massen quasi nackter Männer in Leder und Ketten und die sinnfreien Sauna-Wagen auf der Parade. Es geht um einen einfachen Fakt: Homosexuelle Frauen sind vor allem – Frauen. Und da kommt es zwangsläufig zur Interessenskollision mit homosexuellen Männern. Zum Beispiel: „Das Ehegattensplitting ist geschlechterpolitisch falsch – da kann ich das doch nicht fordern!“ sagt Dyke-March-Organisatorin Narzinski. 

Besonders hart prallten die Fronten in Köln aufeinander, als im Sommer 2006 das Kölner Großbordell „Pascha“ mit einem Wagen auf der Parade vertreten war. Als 2007 dann auch noch das „Sommerblut-Festival“, ein Kulturfestival mit homosexueller Zielgruppe, im „Pascha“ eröffnet werden sollte, knallte es in der Community gewaltig. Denn es waren vor allem die lesbischen Frauen (plus einige solidarische Männer), die scharf dagegen protestierten, Prostitution via Teilnahme des Puffs am CSD gesellschaftsfähig zu machen. Viele schwule Männer aber wollten nicht begreifen, wo das Problem ist. Durch den „Pascha“-Crash begriffen wiederum viele homosexuelle Frauen, wo die Grenzen des lesbisch-schwulen Bündnisses liegen. Und dass sie ihr eigenes Ding machen müssen, wenn sie als Frauen ­politisch nicht untergehen wollen.

Lesbische Themen muss man mit der Lupe suchen

Obwohl diese Erkenntnis so alt ist wie die Homobewegung und die Frauenbewegung, die nicht zufällig Anfang der 1970er Jahre etwa zeitgleich zu neuen Ufern aufbrachen, muss jede Lesben-Generation sie offenbar wieder aufs Neue machen.

So gingen Ende der 1990er Jahre schon einmal allerorten Lesben in die Offensive, die das Prinzip „Wo homosexuell draufsteht, ist schwul drin“ nicht länger hinnehmen wollten. Bisweilen fanden sie zur Steigerung der lesbischen Sichtbarkeit kreative Lösungen. Zum Beispiel das „Mösenmobil“, das bei der Berliner CSD-Parade 1998 als Wagen Nummer 5 durch die Straßen rollte. Die „vier Meter lange, drei Meter hohe und quietschbunte Möse“ war das Werk der „Mösen in Bewegung“, die so (selbst)ironisch auf den bierernsten Phalluskult der Schwulen und die zunehmende ­Sexualisierung der Parade reagierten.

Aber bei allem Humor hatten nicht nur die „Mösen in Bewegung“ begriffen, dass die Lage ernst war. EMMA titelte ­damals mit dem lesbischen Aufbruch und schrieb: „Die Rolle der Frauen in den Homo-Organisationen ist, wie in der ­ganzen Männerwelt, eher randständig.“

Zwei Jahrzehnte später stellt nun auch L-Mag-Chefredakteurin Manuela Kay, die noch vor einigen Jahren fest an der Seite ihrer schwulen Kumpels stand, fest: „LSBTI hat als Versuch der Beteiligung aller sexuellen Identitäten an der Community versagt. Die wesentlichen Posten und Netzwerke sind fest in schwuler Hand.“ Für Uneingeweihte: Die politisch korrekte Buchstabenreihe LSBTTI, die aus den USA nach Deutschland importiert wurde, steht für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell, Transgender, Intersexuell. Manchmal hängt auch noch ein Q und A an, für Queer und Asexuell. Dass hier zusammenkommt, was nicht immer zusammengehört, ist so mancher L-Repräsentantin inzwischen aufgegangen. Und nachdem es um die Lesben lange still geworden war, scheint jetzt ein Ruck durch die Community zu gehen.   

„Sag mir, wo die Lesben sind“ bat der Queerspiegel, das neue Homo-Portal des Berliner Tagesspiegel. Und das in der Regel stramm phallisch orientierte Berliner Homo-Magazin Siegessäule, das inzwischen auch von Manuela Kay herausge­geben wird, titelte im März 2015 provokant mit der Schlagzeile „Lesben raus!“ Das war doppeldeutig gemeint, denn in der Tat müssen die Lesben nicht selten draußen bleiben, wenn ihre schwulen Brüder aktiv werden. 

So sei zum Beispiel die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, 2011 vom Bund mit zehn Millionen Euro ausgestattet, angetreten, um Bildungs- und Forschungsprojekte zu fördern. Dabei sollte laut Satzung die „gleichberechtigte Berücksichtigung der Interessen von Frauen und Männern gewährleistet werden“. Vier Jahre später lautet das deprimierende Fazit: „Lesbische Themen muss man mit der Lupe suchen.“  

Schon in den 90ern gingen Lesben in die Offensive

Oder das Homo-Mahnmal. Dass sich in dem Film im Innern des Beton-Kubus im Berliner Tiergarten, der an die Unterdrückung und Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus erinnern soll, inzwischen auch Frauen küssen dürfen, ist einer von EMMA lancierten Kampagne zu verdanken (was die Siegessäule diskret verschweigt). Das Gedenken an die unterdrückten und verfolgten homosexuellen Frauen war ursprünglich nicht vorgesehen. 

Und auch in der aktuellen Parteipolitik ist der lesbisch-schwule Konflikt wie durch ein Brennglas zu beobachten. Zum Beispiel, wenn der Vorsitzende der „Lesben und Schwulen in der Union“ (LSU), Jürgen Daenens, beim „Marsch der 1.000 Kreuze“ der so genannten „Lebensschützer“ mitläuft. 

Lesben raus! Raus auf die Straße. So heißt es nun also am 26. Juni zum dritten Mal in Berlin und am 4. Juli zum ersten Mal in Köln. Barbara Narzinski und die anderen „Dykes“ hoffen, dass sie alle mitmarschieren: Die lesbischen Führungskräfte von den „Wirtschaftsweibern“ und die Junglesben aus dem Homo-Jugendzentrum Anyway; die Polit-Karnevalistinnen der lesbischen „Schnittchensitzung“ und die lesbischen Freiberuflerinnen von den „Amigas“. Für musikalische Begleitung könnten die Samba-Trommlerinnen von den „Queerelas“ sorgen oder einer der Kölner Lesbenchöre. 

Ob es 100 oder 1.000 sein werden, die sich im Schatten des Kölner Doms versammeln werden, steht noch in den Sternen. Eins aber ist klar. In den Medien wird niemand berichten, es sei eine „Schwulenparade“ gewesen.

Chantal Louis

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Orange Is The New Black: Frauenpower!

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Musik wummert, im Foyer der ehemaligen Werkhalle flimmern Szenen aus „Orange Is The New Black“ über eine Riesenleinwand. Ich sitze in einem quietschenden Ledersessel und warte. Gleich werde ich mit zwei OITNB-Darstellerinnen sprechen: Uzo Aduba (Crazy Eyes) und Dascha Polanco (Dyanara). 15 Minuten. Persönlich! Die TV-Serie um das (Über)Leben im Frauenknast ist inzwischen Kult. Die vierte Staffel startet am 17. Juni, und die Staffeln fünf bis sieben sind schon in Planung. Die beiden sind erst gestern Abend spät aus den USA angekommen, Jetlag, und müssen erst mal was essen. Dascha, 33, spielt in der Serie die temperamentvolle Latina Dayanara Diaz, die im Dauer-Fight mit ihrer Mutter liegt (sie ist auch im Gefängnis) und von einem der Wärter schwanger wurde. Uzo, 36, mimt Suzanne „Crazy Eyes“, die, total verliebt, zu recht verstörenden Maßnahmen greift, um die angebetete Piper zu erobern. Und wie endete nochmal die dritte Staffel? War da nicht ein Loch im Zaun und alle…? Oh, es ist soweit, die Tür geht auf, die Pressefrau winkt, ich kann rein. Kreisch!

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Hi Dascha, hi Uzo! Könnt ihr mir kurz erzählen, wie es in der vierten Staffel weitergeht? 
Dascha: Nein, wir verraten nix!
Uzo: Ha, ha, schon fertig mit dem Interview! 

Die beiden lachen laut. Und sie sind ganz schön aufgebretzelt. Dascha im schwarzen Spitzenoberteil und weißen Rock, Uzo im knallblauen Etuikleid, beide tragen Highheels. Wir kennen die beiden ja immer nur im beigen bzw. orangenen Knast-Outfit. 

Mal ehrlich: Habt ihr damit gerechnet, dass Orange Is The New Black so ein unglaublicher Erfolg wird? 
Dascha: Nein! Ich war einfach nur glücklich, dass ich überhaupt einen Job hatte! 
Uzo: So ging‘s mir auch! Wir hätten uns das niemals träumen lassen. Für die meisten von uns war es das erste Mal überhaupt, dass wir für eine TV-Produktion – und dann noch so eine große - gebucht worden sind. 
Dascha: Als ich gestern hier mit dem Flieger gelandet bin, ging mir durch den Kopf: Hier bin ich! Jetzt sogar in Deutschland! Ein eingewandertes Mädchen aus der Dominikanischen Republik - weil die Leute mich sehen wollen. Das ist ganz schön überwältigend! 

Sie haben hart gekämpft für ihren Traumberuf. Uzo, die einen nigerianischen Background hat, spielte lange nur in kleinen Theaterproduktionen - ohne Gage. Die paar Dollar zum Leben verdiente sie als Kellnerin. Ausgerechnet als sie nach dem xten erfolglosen Filmcasting heulend in der U-Bahn saß und sich gerade dazu entschlossen hatte, doch lieber Anwältin zu werden, kam sie: die Zusage für Orange Is The New Black. Dascha wurde mit 18 schwanger. Sie hatte hin und wieder kleinere TV-Rollen und machte eine Ausbildung zur Krankenschwester. Sie war gerade im Dienst, als sie vom Casting-Termin für Orange in ihrer Stadt hörte. Da war Dascha schon großer Fan von Drehbuchautorin Jenji Kohan („Gilmore Girls“ und „Weeds - Kleine Deals unter Nachbarn“). Also sauste sie von der Arbeit in ihrem Kittel zum Vorsprechen – und bekam den Job! 

Die Serie mit dem Drehbuch von Jenji Kohan besteht den Bechdel-Test, diesen ultimative Test für Geschlechtergerechtigkeit, ja mit Bravour: Im Film sprechen mindestens zwei Frauen miteinander – und zwar nicht über einen Mann. Ist das das Erfolgsgeheimnis der Serie? 
Uzo: Ja, Jenji ist ein Genie! Sie schafft es, ganz unterschiedlichen Frauen eine Stimme zu geben. Schon ihre Serie Weeds war revolutionär, mit einer weiblichen Anti-Heldin!
Dascha: Das besondere an Orange ist: Wir schauen zwar auf Menschen in einer sehr speziellen Lage, im Knast. Aber wir sehen das Leben! Da geht es um Rassismus und auch um Abgrenzung zwischen den einzelnen Gruppen. Wir sehen ganz außergewöhnliche Frauen wie Crazy Eyes, Dayanara oder Red, denen wir sonst ja niemals begegnen würden. 

Und wir lernen diese Frauen in einer ziemlich unmenschlichen, brutalen Umgebung kennen.
Uzo: Ja, die Frauen sind nicht nur eingesperrt, sie haben oft auch vergessen, dass sie mehr sind als eine Nummer in der Gefängnis-Akte. Aber auch diese Frauen haben eine Geschichte, einen Background, eine Familie, sie sind Mütter und Töchter. Jenji hat mit der Serie auch ein Licht auf das Strafsystem geworfen – und auf die Ungerechtigkeiten, die Frauen widerfahren. Und das hat sie auf sehr geschickte, sehr lustige und dramatische Weise gemacht. Und das ist doch die beste Art von Kunst: Wenn sie dich zum Nachdenken bringt, weil du in einem Moment lachst – und es dir im nächsten Moment im Halse stecken bleibt.

Drehbuchautorin Kohan hat schon angekündigt, dass es insgesamt „etwas düsterer und zynischer“ in der vierten Staffel zugehen wird. Das Gefängnis von Litchfield muss ab sofort Profit erwirtschaften und dazu weitere Insassinnen aufnehmen – die Situation wird noch beengter, noch härter. Und: Das Geheimnis um Suzannes Vergangenheit wird – wie üblich in Rückblenden – gelüftet!

Uzo, du spielst Crazy Eyes, die mit den verrückten Augen, die eigentlich Suzanne heißt. Frauen werden ja oft beschuldigt, verrückt zu sein, weil sie aus der Rolle fallen.
Uzo: Ja, und Frauen wurden mit der Diagnose Hysterie eingesperrt! Aber Suzanne ist gar nicht verrückt, sie ist einzigartig! Was ich besonders an ihr mag: Sie ist immer sie selbst – und sie entschuldigt sich nicht dafür. Sie liebt wie verrückt – und macht sich damit sehr verletzlich. Alles, was sie sagt oder tut, macht für mich Sinn. 

Alle Hauptdarstellerinnen der Serie sind ja Frauen. Wie ist das beim Rest der Crew? 
Uzo: Auch in den höheren Positionen sind der Großteil Frauen: in der Produktion und, klar, die Drehbuchschreiberin. 
Dascha: Sogar beim Dreh sind es mehrheitlich Frauen. Wir haben girl gaffers …
Uzo: …und Kamerafrauen und Regie-Assistentinnen! Orange ist schon etwas Besonderes. Das ist mir in der ersten Staffel klargeworden. Es war ein richtiger Schock, durch das Set zu gehen – und da saßen all diese Frauen! Ich habe so etwas bisher nur ein einziges Mal in meinem ganzen Leben erlebt, am Theater.
Dascha: Und das zeigt doch: Auch wir Frauen können ein wirklich großartiges Produkt erschaffen. 
Uzo: Ja, hoffentlich setzt der Erfolg der Serie endlich mal dem Vorurteil ein Ende, Frauen seien nicht so tüchtig und nicht so fähig wie Männer.

Wie ist denn die Stimmung bei den Dreharbeiten?
Uzo: Wir sind schlimmer als ein Sack junger Katzen! Eigentlich fühlt es sich an wie in einer WG.
Dascha: Ich bin fürs Partymachen zuständig! (lacht)

Wir sehen in Orange ja auch ganz viele unterschiedliche Frauenkörper… 
Beide: Jaaaaa! 
Dascha: Das ist mir in diesen letzten vier Jahren so oft passiert, dass Frauen aus dem Publikum zu mir kamen und sagten: Endlich kann ich mal jemanden im Fernsehen sehen, der aussieht wie ich! Es macht mich stolz, das ich mithelfen kann klarzumachen: Wir sehen eben nicht alle gleich aus, wir sind wie ein Regenbogen verschiedener Körper, Hautfarben und so weiter ... 

Die Pressefrau winkt, die Viertelstunde ist gleich um. Das ging aber verdammt schnell! Und ich darf das Selfie nicht vergessen! Ich quetsche mich zwischen die beiden Orange-Stars aufs Sofa. Und plötzlich ist mir mein kleiner Speckbauch völlig egal. 

Die vierte Staffel von „Orange Is The New Black“ startet am 17. Juni, hier geht es zum Trailer. Eine Zusammenfassung der ersten bis dritten Staffel gibt es hier.   

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Alice Schwarzer über Orange is The New Black
 

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