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Emily Damari: Heldin von Israel

Emily Damari wird nach ihrer Befreiung in Israel als Heldin gefeiert. - Foto: Upi Photo/IMAGO
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Als das Pulitzer-Gremium dem aus Gaza stammenden Mosab Abu Toha den Preis für Journalismus verleiht, meldet sich eine Stimme laut zu Wort: Emily Damari. Die ehemalige Geisel der Hamas ist fassungslos. Abu Toha hatte die Geiseln „Killer“ genannt, ihre Entführung gerechtfertigt. „Mosab Abu Toha ist das moderne Äquivalent eines Holocaustleugners“, schreibt sie dem Gremium, „und indem Sie ihn ehren, stellen Sie sich mit ihm in den Schatten der Verleugnung. Dies ist eine Frage der Menschlichkeit. Und heute haben Sie versagt.“ 

Emily Damari fordert das Gremium auf, den Preis zurückzuziehen. Umsonst. Doch ihre Stimme hallt nach, besonders in Israel. Wenn es seit dem Hamas-Massaker eine Ikone gibt, die für unzerstörbaren Lebenswillen, Widerstandskraft und Optimismus steht, dann ist das Emily Damari.

Januar 2025. Ganz Israel hält den Atem an, als Emily Damari im Rahmen eines Waffenstillstandes zusammen mit zwei weiteren Frauen freikommt, von der Hamas in billige Trainingsanzüge gesteckt, vor laufenden Kameras und inmitten einer johlenden und drängelnden Menge in Gaza ans Rote Kreuz übergeben wird. 

Als Siegeszeichen hält Emily die verbundene Hand nach ihrer Befreiung lachend für ein Selfie mit ihrer Mutter Mandy in die Kamera. Bei ihrer Verschleppung am 7. Oktober 2023 aus dem Kibbuz Kfar Aza hatte ihr eine Kugel der Hamas Mittel- und Ringfinger weggeschossen.

Am Tag darauf lassen sich die ersten in Tel Aviv ein Bild von Emilys Hand tätowieren. Israelis lieben Ikonen. Die Hand geht viral, zuerst in sozialen Medien, dann als Tätowierung, später auf T-Shirts des Forums der Familien der Geiseln und Vermissten.

Emily Damari ist 28 Jahre alt und in Israel geboren. Ihre Mutter war aus England eingewandert. Sie kämpfte in den 471 Tagen von Emilys Geiselhaft unermüdlich für ihre Freilassung – auf Demonstrationen, in den Medien und bei Staatsoberhäuptern weltweit. Was sie und Emilys damalige Partnerin verschwiegen, war Emilys Homo­sexualität. Sie wussten nur zu gut, wie die Islamisten der Hamas mit queeren Menschen umgehen. Wäre mein Bruder homosexuell, prahlt einer ihrer Wärter in der Geiselhaft, würde ich ihn umbringen.

Israel dagegen, besonders Tel Aviv, ist ein Mekka für die queere Community weltweit. Auch wenn Emily Damari selbst mit ihrer Homosexua­lität zurückhaltend ist, trägt diese zu ihrem Heldinnenstatus bei.

Doch hinter dem steckt mehr. Der 7. Oktober war das tragischste Massaker und das größte Trauma für Juden seit der Shoah. An einem einzigen Tag zerplatzt der zionistische Nie-Wieder-Mythos des unbesiegbaren Israel. Ausgehungert und von Folter gezeichnet kehren Geiseln nach Israel zurück. Emily Damari, die mit erhobenem Kopf aus der Geiselhaft zurückkehrt, wird Israels unfreiwillige Heldin. Das Fernsehen nennt sie die ‚Amazone von Kfar Aza‘.

Im Krankenhaus, in dem ihre Hand operiert wird, sagt sie auf dem Weg zur OP: „Ich habe meine Hand, meinen Schmerz und meine Narben voll und ganz akzeptiert. Für mich stehen sie für Freiheit, Hoffnung und Stärke.“ Nicht nur für sie. 

Internationalen Medien gibt sie keine Interviews. Der israelische Fernsehsender Channel 12 strahlte jetzt eine Dokumentation über sie aus. Ihre Geschichten aus der Geiselhaft sind haarsträubend. Der Arzt, der sie in Gaza notdürftig operiert, stellt sich als „Dr. Hamas“ vor, bevor er ihr die Betäubungsspritze in den Arm sticht. Mehr als einmal spielt sie mit dem Gedanken, sich umzubringen. Doch als einer ihrer Wächter ihr Fernsehnachrichten zeigt und sie ihre Mutter sieht, siegt ihr Überlebenswillen. 

Ein paar Wochen nach ihrer Freilassung steht Emily Damari auf dem Feld des Bloomfield Fußballstadiums in Tel Aviv, um Maccabi Tel Aviv spielen zu sehen, die Mannschaft, für die ihr Herz schlägt. Im gelben Trikot der Mannschaft und mit dem Mikro­fon in der Hand spricht sie ohne einen Funken Lampenfieber und vor Energie sprühend zu den Spielern und 30.000 Fans. Das Stadium tobt.

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