Wie Vater Staat die Mütter erziehen will

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Es stand in der Bild-Zeitung: "Minister Geißler: Vater Staat, ist noch viel lieber zu Mutter und Kind." Damit meint der Familienminister das Erziehungsgeld, das "auch Mütter (oder Väter), die nicht berufstätig sind - also auch die sogenannte Nur-Hausfrau, die Winzerin, die mithelfende Handwerkerfrau, die Bäuerin bekommen und das nicht auf die Sozialhilfe oder andere Sozialleistungen angerechnet wird".
Aber noch bevor frau sich über so viel staatliche Vaterliebe richtig freuen kann, liest sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und im "Handelsblatt", das Erziehungsgeld sei nur eine "Geburtenprämie", eine "falsche Hilfe" für die Mütter und ein "Einstellungsrisiko" für junge Frauen. Was sollen Frauen bei so viel Männerweisheiten denken: Kriegen sie was geschenkt oder eine Geburtenprämie mit Einstellungsrisiko?
Noch kriegt sie gar nichts. Nach dem Gesetzentwurf über Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, der Herbst im Bundestag erst mal beraten wird, soll das Erziehungsgeld von 600 DM im Monat ab 1986 für 10 Monate und ab 1988 für 12 Monate nach der Geburt eines Kindes gewährt werden. Ab dem 7. Monat soll es bei höherem Einkommen der Eltern stufenweise gekürzt werden. Voraussetzung ist, dass die Mutter (oder der Vater) persönlich das Kind betreut und nicht oder nur Teilzeit, höchstens 20 Stunden in der Woche, erwerbstätig ist.
Für die nicht erwerbstätige Ehefrau ist das Erziehungsgeld also ein echtes "Geschenk", ein "Staatslohn" fürs Kinderkriegen sozusagen. Nach dem "Gießkannen"-Prinzip wird es sechs Monate lang der Ehefrau des Spitzenmanagers ebenso gezahlt wie der Ehefrau des Hilfsarbeiters.
Anders sieht es schon aus für selbständig berufstätige Mütter. Um das Erziehungsgeld zu erhalten, müssten sie den Beruf aufgeben oder auf 20 Wochenstunden reduzieren.
Wie aber sollen Bäuerinnen, Einzelhändlerinnen, Ärztinnen oder Rechtsanwältinnen das arrangieren? Sie werden also auf die Baby-Prämie verzichten oder die 20-Stunden-Grenze missachten.
Noch schlechter sieht es aus für Arbeitnehmerinnen. Sie, die angeblich bisher gegenüber allen anderen Müttern begünstigt sind, verlieren mit dem neuen Gesetz den sechsmonatigen Mutterschaftsurlaub mit Mutterschaftsurlaubsgeld und Arbeitsplatzgarantie. Es bleibt ihnen der Mutterschutz von acht Wochen nach der Geburt mit Mutterschaftsgeld, auf welches das Erziehungsgeld angerechnet wird.
Danach müssen sie, um das Erziehungsgeld zu erhalten, Erziehungsurlaub beantragen oder Teilzeitarbeit vereinbaren. Das bedeutet Verlust an Einkommen und Gefährdung des Arbeitsplatzes, denn die sogenannte Arbeitsplatzgarantie ist, zugunsten der Arbeitgeber, sehr durchlöchert worden. So wie sie jetzt aussieht, ist sie alles andere als ein sicheres Netz.
Es wird dann wohl so kommen, dass jungen Frauen nach dem neuen Beschäftigungsförderungsgesetz weitgehend nur noch befristete Arbeitsverträge ohne jeden Kündigungsschutz angeboten werden. Besonders benachteiligt werden dabei alleinstehende Mütter sein. Sie haben keinen "Familienernährer" und sind auf Erwerbstätigkeit angewiesen.
Da bleibt ihnen nur die Wahl, entweder auf das Erziehungsgeld zu verzichten oder mit einem Teilzeitjob auf Sozialhilfeniveau abzusinken. Es ist schon eine eklatante Unverfrorenheit, wie hier "Vater Staat" die Lebenssituation lediger Mütter erschwert, die er gleichzeitig mit seiner Stiftung "Mutter und Kind" zum Kinderkriegen verführen will.
Mit dem geplanten Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub wird also keineswegs die von Familienminister Geißler behauptete "Gleichheit" zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Müttern geschaffen. Es entstehen im Gegenteil drei Mütter-"Klassen": von der eindeutig begünstigten Hausfrau über die benachteiligte berufstätige Frau bis hin zur eindeutig diskriminierten ledigen Mutter.
Von Vätern, denen theoretisch gleichberechtigt Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub zustehen, brauchen wir gar nicht zu reden. Die lassen sich mit 600 DM im Monat nicht für Kind und Küche gewinnen. Aber selbst wenn sie das wollten und könnten falls sie nicht die Allein- oder Hauptverdiener der Familie sind - haben sie beim geplanten Gesetz nicht die Möglichkeit einer wirklich partnerschaftlichen Arbeitsbeteiligung.
Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub können nach den jetzigen Plänen nämlich weder nach Monaten je zur Hälfte zwischen den Eltern aufgeteilt werden, noch können beide Eltern auf Teilzeitarbeit übergehen. Dreimal darf frau raten, wer unter diesen Umständen die Kinderarbeit mal wieder macht ...!
Mit dem Erziehungsgeld wird also weder eine "Wahlfreiheit" zwischen Familien- und Erwerbstätigkeit gefördert noch die "Erziehungskraft" der Familie anerkannt, wie es im Entwurf des Familienministers als Zielsetzung verkündet wird. Dazu hätte "man" das Kindergeld nicht nur fürs erste Lebensjahr erhöhen und einen Elternurlaub mit Lohnausgleich, lückenloser Arbeitsplatzgarantie und obligatorischer Halbteilung für Väter und Mütter einführen müssen. Das hätte viel gekostet. Es wäre aber den wahren politischen Zielsetzungen weniger dienlich gewesen: Frauen sollen schließlich zu mehr Kindern und weniger Erwerbstätigkeit animiert werden.
Ein Konzept dieser besonderen Art gibt es, soweit feststellbar, heute in keinem anderen Staat. Aber ältere Frauen erinnern sich vielleicht noch, dass nach 1933 ein sogenanntes Ehestandsdarlehen gewährt wurde, wenn die Ehefrau nicht berufstätig war. Es konnte "abgekindert" werden, das heißt, es gab eine Rückzahlungsminderung je Geburt eines Kindes. Das war Bestandteil eines "Gesetzes zur Verminderung der Arbeitslosigkeit".
Hört, hört. Heute können Frauen sich dagegen wehren, als bevölkerungspolitische und arbeitsmarktpolitische Manövriermasse missbraucht zu werden. Fachfrauen und Journalistinnen sagen das deutlich. Anders ist es mit den Frauen in Frauenverbänden und Parteien (von den Grünen abgesehen).
Das 600-DM-"Geschenk" verhindert nicht nur eine Solidarität zwischen Hausfrauen und Berufsfrauen. Es mindert offensichtlich auch die Fähigkeit der Frauen in der Politik, die subtilen Frauendiskriminierungen des geplanten Erziehungsgeldes grundsätzlich zu entlarven. Oder sollten wir den Protest einer CDU-Frau gegen den neunmal schlauen Heiner überhört haben?

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