Bitte ein bisschen mehr sexy...

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Schon vor 800 Jahren kickten die Frauen aber die Männer haben sie immer wieder vom Platz geschickt. Die Geschichte einer alten-neuen Liebe.

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Die Geschichte des Frauenfußballs ist verlorengegangen, nur Spuren gibt es von den Anfängen und der frühen Entwicklung dieses Sports. Denn zu allen Zeiten wurde Frauenfußball von Männern kleingehalten, zeitweise sogar verboten, immer aber belächelt. Obgleich der Ursprung des heutigen Männersports Fußball eigentlich auch Frauensache war.
Im Frankreich des 12. Jahrhunderts beteiligten sich wackere Bauersfrauen an dem Volkssport la soule, dem Vorläufer des modernen Fußballs. Auf Abbildungen sieht man sie gegen einen mit Schleifchen verzierten Ball treten. Auch Eskimo-Frauen haben nachweislich an fußballähnlichen Spielen teilgenommen.
In Deutschland finden sich erste Hinweise auf fußballspielende Frauen erst um 1900, allerdings kickten sich die Frauen brav im Kreis aufgestellt den Ball gegenseitig zu. Und schon diese harmlose gymnastische Übung war zu den damaligen Zeiten moralisch kaum vertretbar. Spreiz- und Grätschbewegungen sowie Hiebe und Stöße der Beine galten als indecent. Begründet wurde das damit, dass durch Springen und Beinspreizen die weiblichen Sexualorgane aus ihrer Lage gebracht werden könnten eine Mär, die sich bis zur offiziellen Anerkennung des Frauenfußballs in Deutschland gehalten hat.
Zu einem Wettkampfsport wurde Fußball erst mit der Vereinheitlichung der Regeln im Jahre 1863 und fortan auch bei Frauen zunehmend beliebter. Denn die wüsten Ausschreitungen des ehemals sehr harten Kampfspiels wurden verboten, und so konnten an den englischen Schulen auch die Mädchen erfolgreich mitmischen. Die Vorhaltungen ihrer Lehrerinnen (völlig unpassend für Frauen) schlugen sie in den Wind.
Nettie Honeyball gründete 1894 das erste englische Frauenfußballteam, die British Ladies. 10.000 Zuschauer sahen im Jahr darauf das erste Match, England-Süd gegen England-Nord. Ergebnis: 1:7. Der damalige Zeitungschronist zeigte sich allerdings nur von der sportlichen Tracht der Fußballpionierinnen beeindruckt natürlich im negativen Sinne: Eine oder zwei trugen einen kurzen Rock über ihren Knickerbockern, aber das störte eher das angenehme Gesamtbild der Kleidung. Denn der Rock wehte im Wind hin und her, und so wirkten die Bewegungen weniger graziös.
In diesem Punkt hat sich beim Frauenfußball in den vergangen 100 Jahren offensichtlich wenig getan: Noch heute zerbricht sich Kaiser Franz Beckenbauer den Kopf darüber, warum die Fußballerinnen sich nicht ein bisschen netter kleiden: Ein Designer sollt mal weiblichere Trikots für die Ladies entwerfen. Nicht so flattrig, dafür ein bisschen sexy.
Mit Hütchen und im schlankmachenden Längsstreifentrikot gingen Englands erste Fußballerinnen auf den Platz. Ladies Football wurde in den 20er Jahren auf der Insel zu einer massenwirksamen Publikumsattraktion. Zu wohltätigen Zwecken für verwundete Kriegsheimkehrer und bedürftige Familien veranstalteten Firmenteams wie die Dick Kerrs Ladies landesweite Frauenfußballturniere.
Innerhalb nur weniger Jahre hatten sich in ganz England Frauenfußballteams gegründet, eine bis heute einzigartige Hochzeit des Frauenfußballs war angebrochen. Williamson: Anfang 1921 war es, als ob ein Frauenfußball-Fieber das ganze Land ergriffen hätte. Jedes größere Dorf hatten nun ein eigenes Frauenteam, in den Städten vor allem im Norden gab es sogar mehrere gleichzeitig. 1920 folgten 53.000 (!) zahlende ZuschauerInnen der Spitzenbegegnung zwischen den Dick Kerrs Ladies und deren einzig ernstzunehmenden Konkurrenten St. Helens Ladies in Everton.

Ebenfalls in den Nachkriegsjahren hatten sich in Frankreich vereinzelt Frauenfußballteams etabliert und so kam es 1920 sogar zu einem ersten internationalen Vergleich. Die Dick Kerrs Ladies schlugen Femina Paris mit 2:1: In charmanter französischer Art wurde der Sieger gefeiert, die englische Spielführerin wurde von Mademoiselle Braquemond, der französischen Kapitänin, geküsst.
Doch die Frauenfußball-Blütezeit währte nur kurz. Man(n) einigte sich darauf, dass der Fußballsport eigentlich gänzlich unpassend für Frauen ist und nicht gefördert werden sollte. Das Verbot folgte auf dem Fuße und hielt die darauffolgenden 50 Jahre an.
Auch die deutschen Sportorganisationen bekleckerten sich in der Frage der Gleichbehandlung von Frauen nicht gerade mit Ruhm. Die Turnvereine akzeptieren Anfang des Jahrhunderts die Frau nur in ihrer traditionellen Rolle sie hatte so ehrenvolle Aufgaben wie das Bekränzen der Sieger oder das Besticken der Vereinsfahne. Die vielen sportbegeisterten Frauen fingen deshalb an, sich in selbständigen Vereinen zu organisieren: Unter der Leitung von Turnlehrerinnen erlernten sie Hockey, Radfahren, Leichtathletik und auch ein fußballähnliches Spiel.
Die ersten Spuren originärer Frauenfußball-Teams in Deutschland finden sich in den 20er Jahren. Die Frauenrechtlerinnen und der Krieg hatten den Frauen den Zugang zum öffentlichen Leben und damit auch zu der damals auflebenden Massenbegeisterung für den Sport möglich gemacht. Das Sportgirl wurde zum modischen Frauentyp. Lieselott Diem: Wir trauten uns alles zu sogar Gewichtheben und Stabhochsprung.
Doch diese sportliche Sturm- und Drangzeit währte nur kurz. Mit erhobenem Zeigefinger warnten die Gynäkologen vor der drohenden Vermännlichung von Sportlerinnen, die ihrer eigentlichen Bestimmung des Mutterwerdens auf kurz oder lang nicht mehr gerecht werden könnten. Die Zeitschrift Leibesübung 1926: Der Kampf gebührt dem Mann, der Natur des Weibes ist er wesensfremd. Natürlich zählte Fußball fortan nicht mehr zu den von Frauen auszuübenden Sportarten und wurde später von den Nationalsozialisten sofort verboten.
Der Gewinn der Weltmeisterschaft der Männer-Nationalmannschaft 1954 löste in Deutschland einen Fußball-Boom aus, der auch an den Frauen nicht spurlos vorüberging. Auf Privatinitiative gründeten sich etliche Frauenteams, so dass man sich im Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit der unliebsamen Frage beschäftigen musste, ob die Frauen in den Verband zu integrieren seien. Nach reiflicher Diskussion in den Gremien kam man zu dem rühmlichen Ergebnis, die Bildung von Damenteams fortan zu untersagen und die Zuwiderhandlung unter Strafe zu stellen.
Doch trotz aller Widerstände breitete sich Frauenfußball im ganzen Lande aus, selbst die Gründung eines eigenen Frauenfußball-Verbands wurde in den 60er Jahren diskutiert. Mit abstrusen pseudo-wissenschaftlichen Argumenten (Das Treten ist wohl spezifisch männlich & Jedenfalls ist das Nichttreten weiblich.) formierte sich zwar die männliche Gegnerschaft, aber die Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten. In Dänemark, Holland und der Tschechoslowakei hatte sich Frauenfußball bereits etablieren können und war jetzt auf dem Weg, eine international anerkannte Sportart zu werden.
Sparta Prag zum Beispiel, gründete 1968 das erste tschechische Frauenfußballteam. Für die deutschen Spielerinnen blieb das nicht ohne Folgen. In Sachsen sind die Tschechinnen über die Grenze gekommen und haben dort gekickt, erzählt der Frauenfußball-Experte Rainer Hennies, auf diese Weise ist im Prinzip der DDR-Frauenfußball entstanden.
Ende der 60er Jahre wurden auch in Deutschland-West die ersten Frauenfußball-Teams gegründet.
Offiziell aber war in beiden Teilen Deutschlands die Beteiligung von Frauen am Fußballspiel noch immer verboten. Interessanterweise aber ließ man sie in den dienenden Funktionen beim Spiel zu: Sie durften zwar nicht mitspielen, aber Schiedsrichterinnen waren beim Fußball jetzt erlaubt.
Schließlich gab man auch beim Deutschen Fußball-Bund, den Widerstand gegen die fußballspielenden Frauen auf. In Travemünde wurde am 30. Oktober 1970 die Mitgliedschaft des Frauenfußballs im DFB beschlossen und die Durchführung eines ordentlichen Spielbetriebs den Landesverbänden unterstellt. Nicht jedoch, ohne einige besonders unsinnige Regeln aufzustellen: Frauen sollten aufgrund ihrer schwächlichen Natur eine halbjährige Winterpause einhalten, Stollenschuhe wurden wegen ihrer Gefährlichkeit verboten und gespielt mit kleinen Bällen. Selbst über die Verkleinerung des Tores wurde laut nachgedacht. Fazit: Noch in den 90er Jahren spielten die ach so konditionsschwachen Frauen pro Halbzeit fünf Minuten kürzer als die Männer.
Einmal zugelassen, boomte der Frauenfußball in Deutschland. Die Kickerinnen stürmten die Vereine. Schon im Jahr eins nach der offiziellen Anerkennung gab es 1.110 Frauen-Teams, bis 1982 hatte sich diese Zahl bereits verdreifacht.
Heute ist Frauenfußball ein anerkannter Wettkampfsport in dieser Saison wurde die eingleisige erste Bundesliga eingeführt und damit der Grundstein zu einer späteren Professionalisierung gelegt.
Dass heute niemand mehr wagt, fußballspielende Frauen öffentlich lächerlich zu machen, haben die Frauen nur sich selbst zu verdanken. Wie sagte Monika Koch-Emsermann, als alle Welt das silberne Jubiläum des Frauenfußballs im DFB feierte: 25 Jahre Mitgliedschaft im DFB das sind 25 Jahre Widerstand!

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