Gegen Geschlechter-Apartheid!

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Am 25. Juli, also zwei Tage bevor die Olympischen Spiele in London feierlich eröffnet werden, wird in London eine Beerdigung stattfinden. Es wird eine ganz besondere Beerdigung sein: Zu Grabe getragen werden die „olympischen Werte“. Die Gleichheit der Geschlechter zum Beispiel, das Diskriminierungsverbot oder das Verbot für AthletInnen, bei den Wettkämpfen politische oder religiöse Symbole zu tragen.

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All das steht in der Olympischen Charta, „aber das Internationale Olympische Komitee tritt sie mit Füßen“, klagt Annie Sugier. Deshalb organisiert die französische Präsidentin der „Internationalen Liga für Frauenrechte“ (einst von Simone de Beauvoir mitgegründet), gemeinsam mit neun weiteren Organisationen die symbolische Beerdigung – und noch ein paar Proteste mehr. Motto: „Londres 2012 – Justice pour les femmes!

Denn in Sachen Geschlechter-Gerechtigkeit gibt es auch 114 Jahre nach dem Neustart der olympischen Spiele noch ­einiges zu tun. So ist der Anteil der weiblichen Athleten bei Olympia zwar kontinuierlich gestiegen und liegt jetzt bei 43 Prozent, aber „die Zahl der Athletinnen, die die Länder laut IOC zu den Spielen schicken dürfen, ist immer noch niedriger als die der Athleten“, erklärt Sugier. So traten bei Olympia in ­Peking rund 1700 mehr Männer als Frauen an. Sie bekamen in 165 Kategorien Medaillen, Frauen nur in 127.

Auch bei den Funktionären herrscht Frauenmangel. Laut IOC-Beschluss sollte bis zum Jahr 2005 jedes fünfte Mitglied der Nationalen Olympischen Komitees und natürlich des IOC selbst weiblich sein. „Jetzt schreiben wir das Jahr 2012 und wir sind von diesem Ziel weit entfernt!“ So sitzt im 19-köpfigen „London Organising Comittee of the Olympic Games“ nur eine Frau: Prinzessin Anne.

Das zentrale Anliegen der Initiative aber ist ihr Kampf gegen die „Geschlechter-Apartheid“. Denn immer noch gibt es Länder, die frauenfrei zu den olympischen Spielen antreten. Zum Beispiel Saudi-Arabien, wo Frauen nicht wählen, nicht Auto fahren – und eben auch nicht öffentlich Sport treiben dürfen. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen die Menschenrechte, sondern auch gegen die Olympische Charta, die besagt: „Jede Art von Diskriminierung aus Gründen der Rasse, Religion, Politik oder des Geschlechts ist unvereinbar mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung.“

24 Jahre lang hatte das IOC deshalb Südafrika von den Spielen ausgeschlossen, denn das Land hatte sich geweigert, Schwarze zu Olympia zu schicken. Als Südafrika nach dem Ende der Apartheid 1992 in Barcelona zum ersten Mal wieder dabei sein durfte, trat es natürlich mit schwarzen Athleten an – 35 Länder aber kamen weiterhin ohne Frauen, wie Saudi-Arabien, Sudan oder Niger. Länder wie der Iran erlaubten Frauen nur solche Disziplinen, die „in angemessener Kleidung“, sprich: dem Tschador auszuführen waren. Dieser Sexismus aber schien niemanden zu stören, auch das IOC nicht.

Nun traten die Französinnen auf den Plan. Sie waren nicht gewillt hinzunehmen, dass „die Geschlechter-Apartheid nicht genau so behandelt wurde wie die Rassen-Apartheid“. Gemeinsam mit der Pariser ­Anwältin Linda Weil-Curiel und der Abgeordneten Anne-Marie Lizin gründete Sugier das Komitee „Atlanta Plus“, benannt nach dem Austragungsort der olympischen Spiele 1996. „Atlanta Plus“ bombardiert seither Sportverbände, PolitikerInnen und Medien mit ihrer Forderung an das IOC: Die „Einhaltung der Charta durchzusetzen, indem es allen Delegationen, die Frauen ausschließen, die Teilnahme untersagt“.

Der systematische Druck der von „Atlanta Plus“ mobilisierten PolitikerInnen und Medien entfaltet langsam Wirkung. 2008 schickten nur noch drei Länder null Athletinnen nach Peking: Saudi-Arabien, Katar und Brunei. Und bei diesen Olympischen Spielen in London soll es, so hatte das IOC verkündet, keine einzige frauenfreie Delegation mehr geben. Man erwarte, erklärte das Komitee (das aus 95 Männern und 11 Frauen besteht), dass jedes Land mindestens eine Frau zu den Spielen schicke. Selbst das aber ist Saudi-Arabien zu viel. So erklärte Prinz Nawaf bin Faisal ­kategorisch: „Wir unterstützen keine saudischen Frauen bei der Beteiligung an diesen Olympischen Spielen oder bei anderen internationalen Meisterschaften.“

„Warum akzeptiert das IOC ein Land, das die Olympische Charta ganz klar verletzt?“, fragt Aktivistin Annie Sugier. Die Antwort ist einfach. Der saudische Prinz ist Mitglied des IOC.

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