Alice Schwarzer schreibt

Parität im Kabinett: Geht doch!

Scholz mit seinen SPD-MinisterInnen: Lauterbach, Faeser, Lambrecht, Geywitz, Schulze. - Foto: Florian Gaertner/photothek.de/Imago
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Erstmals in der Geschichte ist die Hälfte eines deutschen Kabinetts weiblich. Olaf Scholz hat Wort gehalten. Erstmals haben gleich mehrere Frauen auch sogenannte „harte“ Ressorts, wie das Außen-, Innen- oder Bauministerium, die bisher Männern vorbehalten waren.

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Die neuen Ministerinnen sind fraglos auch dank ihrer individuellen Fähigkeiten auf diese Posten gekommen. Doch nicht nur. Sie sind es auch dank ihres Geschlechts. Denn es sollten in der Ampel-Koalition auf Biegen und Brechen 50 Prozent Frauen in der Regierung sein, versprach Scholz. Also schulden diese Ministerinnen allen Frauen etwas.

Bei der grünen Familienministerin, Anne Spiegel, liegt es auf der Hand. Die vierfache Mutter mit dem Hausmann im Rücken kündigt eine Frauen und Kinder fördernde und Männer fordernde Politik an.

Ohne Beteiligung der Frauen kein Frieden, keine Sicherheit, kein Ende des Hungers

Doch die grüne Außenministerin, Annalena Baerbock? Schweden ist stolz auf seine „feministische Außenpolitik“ seit 2014, will sagen: eine Politik, die sich dessen bewusst ist, dass es ohne Beteiligung der Frauen keinen Frieden, keine Sicherheit, kein Ende des Hungers gibt. Und dass es ohne Kampf gegen die Ungleichheiten in der Welt auch für Europa keine Ruhe geben wird.

Eine feministische Politik müsste also die Gleichstellung der Geschlechter und uneingeschränkte Menschenrechte für alle Frauen und Mädchen fordern und fördern; auch in Ländern, in denen Frauen bis heute gänzlich rechtlos sind. Wir alle kennen sie, diese Länder.

Wenn die deutsche Außenministerin China wegen seiner Repressionen gegen die muslimischen Uiguren mit Konsequenzen droht, wird das Reich der Mitte nicht erzittern. Die Chancen auf Einflussnahme sind Machtfragen, und China ist mächtiger als Deutschland. Aber in zahlreichen islamischen Ländern, Afghanistan allen voran, ist man auf Handel mit und Unterstützung durch den Westen angewiesen. Hier könnten wir etwas erreichen. Wenn wir nur wollen.

Und übrigens: Auch das Klimaproblem könnte durch eine geschlechtergerechte Politik entschärft werden. Denn eine der Ursachen für den Klimawandel ist die rasant wachsende Weltbevölkerung. Und längst ist erwiesen: Je gebildeter und berufstätiger Frauen sind, also ökonomisch unabhängiger, umso weniger Kinder bekommen sie.

Auch Innenministerin Nancy Faeser müsste eine feministische Innenpolitik betreiben. So sind zum Beispiel die Frauen in den endlich konsequent deutschlandweit zu bekämpfenden Clans die Sklavinnen der Patriarchen. Und auch die Frage der Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum ist existentiell für die Hälfte der Bevölkerung.

Feministische Politik? Uneingeschränkte Menschenrechte für alle Frauen!

Ebenfalls müsste die Integration dringend geschlechterbewusst gestaltet werden: Unterweisung der Männer, die aus Kulturen kommen, wo Frauen rechtlos sind, in Gleichberechtigung. Unterweisung der Frauen in ihre Rechte und in die deutsche Sprache. Verbunden mit Sanktionen bei Nichteinhaltung! Und das wären nur die ersten Schritte.

Auch Bauministerin Klara Geywitz wäre gut beraten, wenn sie bei den 400.000 im Jahr geplanten Wohnungen Frauen, Kinder und Generationen im Blick hätte: Generationen-gemischte Häuser, die die Menschen aus ihrer Isolation holen und die Familienarbeit auf mehr Schultern verteilt; sowie familienfreundliche Wohnungen, in denen die in der Regel kochenden Frauen nicht in Käfig-Küchen weggesperrt werden. Kurzum, eine Architektur, die bewusste ArchitektInnen wie Margarete Schütte-Lihotzky schon seit hundert Jahren entwerfen, von den neuen ganz zu schweigen. Kommen wir endlich auch in unserer Art zu wohnen in der Neuzeit an!

Und das sind nur ein paar Beispiele. Da geht noch viel mehr... Denn diese neuen Ministerinnen, die im Namen der Geschlechtergerechtigkeit ernannt wurden, schulden wie gesagt allen Frauen etwas. Und wo Frau draufsteht, sollte auch Frau drin sein.

Alice Schwarzer

 

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