Guck ma, unsre Bärbel
Bärbel Bas schreitet strammen Schrittes voran. Alle haben ein wenig Mühe, ihr auf dem Weg durch die Duisburger Fußgängerzone zu folgen: ihr Pressesprecher, die Abgeordnete aus dem Duisburger Wahlkreisbüro, die EMMA-Reporterin. Das liegt erstens daran, dass die Bundestagspräsidentin mit ihren knapp 1,80 Meter Körpergröße die mit Abstand längsten Beine der Gruppe hat, aber auch an der ihr eigenen Forschheit. Bärbel Bas will vorankommen.
In der Tat hat die 53-Jährige bisher einen beeindruckenden Weg vom Ruhrpott in die Hauptstadt zurückgelegt: Die Tochter eines LKW-Fahrers und einer Hausfrau aus dem Duisburger Norden wurde am 26. Oktober 2021 mit Dreiviertel-Mehrheit zur Bundestagspräsidentin gewählt. Damit ist sie seit Gründung der BRD im Jahr 1949 die dritte Frau an der Spitze des Parlaments (mit Sabine Bergmann-Pohl, die 1990 ein halbes Jahr lang Präsidentin der DDR-Volkskammer war, die vierte) und als solche – nach dem Bundespräsidenten – die zweite Frau im Staat. Heute will Bärbel Bas zum Stand der DGB-Frauen. Es ist der 8. März, Internationaler Frauentag, und zu diesem Anlass haben sich die Gewerkschafterinnen in der Duisburger Fußgängerzone postiert. Bärbel Bas hat versprochen, dass sie vorbeischaut. Eine Woche lang ist sie jetzt in ihrem Wahlkreis Duisburg I unterwegs, und das erklärtermaßen sehr gern. „Hier iss halt Heimat“, sagt sie. Und Berlin? „Das ist wie auf Montage fahren.“
Mit Bärbel Bas unterwegs zum DGB-Stand in der Duisburger Fußgängerzone
Jetzt also: Heimat. Kurz wird unsere Gruppe ausgebremst von zwei Mädchen mit Migrationshintergrund. „Können Sie uns sagen, wo es zur KKH geht?“ Die zweite Frau im Staat zückt ihr Handy und schaut auf Google Maps nach, wo die Kaufmännische Krankenkasse ihre Geschäftsstelle hat. „Da lang!“ zeigt sie. „Iss aber noch ordentlich zu laufen!“
Wir laufen ebenfalls ordentlich und prompt am DGB-Stand vorbei. Erstens wegen des flotten Tempos der Parlamentspräsidentin, die man sich bei dieser Gelegenheit sehr gut als Linksaußen auf dem Fußballplatz vorstellen kann, die sie früher war, aber auch, weil der DGB-Stand nur ein handtuchgroßer Klapptisch ist, der leicht zu übersehen ist. Auf lila Pappwürfeln stehen kecke Slogans: „Lieber HälfteHälfte als bessere Hälfte“ oder „Feminismuss“. Und gerade werden die zu verteilenden weißen Rosen ausgepackt.
Bärbel Bas hingegen ist nicht zu übersehen. „Ey, Bärbel!“ brüllt ein Passant mittleren Alters, der die Präsidentin offensichtlich recht gut kennt. Die hat sich inzwischen auch mit weißen Rosen ausgestattet und will dem Mann eine überreichen. „Damit du einmal deiner Frau Blumen mitbringst!“ – „Ich bin doch ein Macho!“ – „Ja, eben!“ sagt Bas und lacht.
Ein Weißhaariger rollt mit seinem Rollator heran. „Ach, die Präsidentin iss da! Dat hab ich sofort erkannt!“ Der betagte Herr möchte mit Bärbel Bas über den Krieg in der Ukraine sprechen. „Es kommen so viele Erinnerungen an damals hoch“, klagt er. Das verstehe sie gut, erklärt Bas. „Wir müssen ins Gespräch kommen und eine Waffenruhe hinkriegen“. Erst kürzlich, erzählt sie, seien zwei ältere Bundestagsabgeordnete zu ihr gekommen, die noch Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg hätten. „Die haben beide geweint.“
„Frau Bas, können wir ein Foto machen? Ich arbeite mit Ihrer Schwester zusammen beim Medizinischen Dienst!“ – „Ach nee, echt?“ Na klar, schnell ein Selfie. „Und grüßen Sie meine Schwester!“ Auch die drei etwa zwölfjährigen Jungen, deren pechschwarze Haare ebenfalls auf eine Migrationsgeschichte hindeuten, wollen ein Foto. Woher sie Bärbel Bas kennen? „Wir haben im Unterricht durchgenommen, dass sie Bundeskanzlerin ist! Nein, Bundestags… äh…“ Egal. Hauptsache, ein Foto mit der berühmten Frau.
Eine Reporterin von Radio Duisburg will ein Statement zum Internationalen Frauentag. „Wir müssen die Lohnlücke schließen“, spricht Bärbel Bas ins Mikro, „damit Frauen nicht bis zum 7. März umsonst arbeiten“. Am 7. März war Equal Pay Day, also der Tag, bis zu dem Frauen arbeiten müssen, um im Jahr das gleiche Geld zu verdienen wie Männer bis zum 31. Dezember.
„Guck ma, unsre Bärbel!“ Eine Gruppe älterer Frauen kommt an den Stand. Dass die Präsidentin aus der Hauptstadt nach Duisburg gekommen ist, sorgt für eine gewisse Zufriedenheit bei den Ruhrpottlerinnen. „Frau Bas, Sie vergessen Ihre Heimat nicht!“ Woher sie „unsere Bärbel“ kennen? „Mein Mann war mal bei ihr im Wahlkreisbüro und wollte ein paar Sachen mit ihr besprechen“, erklärt eine der Frauen. Und wie findet sie es, dass die Abgeordnete jetzt Bundestagspräsidentin ist? Zuerst sei sie ja skeptisch gewesen, „aber jetzt muss ich sagen: Sie hat ne ruhige Art, ne sonore Stimme. Da muss ja jemand hin, der sich durchsetzen kann.“
"Wir müssen die Lohnlücke schließen", so Bas. "Damit Frauen nicht umsonst arbeiten."
Es dürfte außer Frage stehen, dass Bärbel Bas das kann: sich durchsetzen. Nicht nur wegen ihrer auffallend tiefen Stimme. Nicht nur wegen der Größe. Nicht nur, weil man auf dem Fußballplatz lernt, dass man nach vorne muss und dabei zwar nicht foulen, aber auch nicht zimperlich sein darf. Man darf keine Angst haben, mit dem Gegner auch schonmal aneinanderzurumpeln – und frau schon gar nicht.
Auch ansonsten springt ins Auge, dass Bärbel Bas nicht im Team Prinzessin spielt. Deutschland hat eine Bundestagspräsidentin, die leidenschaftlich gern Motorrad fährt und sich im Wahlkampf eine Harley Davidson kaufte. Und schweißen kann sie auch. Da kommt einiges zusammen. Aber von vorn.
In einem Café sitzt Bärbel Bas, ruhrpottkonform unter einem großformatigen Foto einer heute vermutlich stillgelegten Industrieanlage, und erzählt mit der besagten tiefen Stimme, wie das Mädchen aus dem Duisburger Norden seinen Weg gemacht hat. Sie lacht nicht oft, aber wenn, dann richtig. Dann gluckst es aus den Tiefen dieses großen Körpers, dann hat die Präsidentin offenbar wirklich Spaß. Bärbel Bas kommt 1968 in Walsum, das erst 1975 nach Duisburg eingemeindet wird, als zweites von insgesamt sechs Kindern zur Welt. „Meine Eltern haben auf Parität geachtet: drei Mädchen und drei Jungs.“ Bärbel hat einen älteren Bruder, sie ist das älteste Mädchen der Familie. Es gibt nicht viel Geld und nicht viel Platz, das Kinderzimmer der drei Mädchen besteht aus einem Etagen- und einem Einzelbett mit einem kleinen Gang dazwischen. „Deshalb sind wir zum Spielen immer rausgegangen und haben zuerst gegen Dosen gekickt und irgendwann auch gegen einen Ball. Der war zu finanzieren, im Gegensatz zu anderen Sportarten.“
Bald spielt Bärbel bei Glückauf Möllen. Der Vater findet das okay, denn seine Söhne sind nicht so fußballaffin wie seine Tochter, die es bis in die Landesliga schafft „und sogar mal in der Mannschaft von Martina Voss aushelfen durfte“. Auch die heutige Bundestrainerin der Frauen-Fußballnationalmannschaft stammt aus Duisburg. Noch so eine berühmte Tochter der Stadt. Berühmte Söhne in dieser Liga hat Duisburg eher nicht zu bieten.
Bärbel Bas spielt nicht im Team Prinzessin, sie fährt leidenschaftlich gern Motorrad
Als Bärbel zehn ist, lassen sich die Eltern scheiden. Die Kinder leben zunächst bei der Mutter, gehen aber nach vier Jahren zum Vater und seiner neuen Lebensgefährtin. Da ist Bärbel 14.
Sie macht den Hauptschulabschluss mit Fachoberschulreife. Dass sie weiter zur Schule geht, steht nicht zur Debatte. „Es war klar, dass ich eine Ausbildung mache und Geld verdiene.“ Sie will technische Zeichnerin werden, findet aber keinen Ausbildungsplatz. Sie überbrückt mit einem Jahr auf der Berufsfachschule für Technik in Dinslaken. „Und da hab ich Schweißen gelernt.“ Und einen U-Stahl feilen, ihr Abschlussstück, einen Bohrerständer, hat sie noch heute. „Nur, dass da jetzt keine Bohrer drinstehen, sondern Stifte.“
Sie war in der Klasse natürlich die einzige Frau, die „Henne im Korb“. Sie hat mit den Jungs in der Pause Skat gespielt und sich weiter in der Gestandenheit geschult, die heute so angenehm an ihr auffällt. „Ich hab da gelernt, mich durchzusetzen und contra zu geben. Kam von einem ein dummer Spruch, kam von mir was Passendes zurück.“ Nach dem technischen Jahr bekam sie immer noch keinen Ausbildungsplatz, nach der 80. Absage reichte es dem Vater. Sie solle sich jetzt gefälligst bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft bewerben – als Bürogehilfin. Das war für das technisch versierte Mädchen natürlich ein Alptraum. „Aber mein Vater hat gesagt: ‚Das ist mir egal, du bewirbst dich da jetzt!‘“ Das sei damals nicht schön gewesen, aber lehrreich fürs Leben. Wenn sie heute in Duisburger Schulklassen geht, was sie oft und gern tut, erkläre sie den SchülerInnen: „Es läuft nicht immer alles glatt im Leben. Ihr müsst auch mal einen Umweg machen.“
Der Umweg der Bürogehilfin wider Willen wird bald zur Schnellstraße. Bas wird „Sozialversicherungsfachangestellte“, macht eine Fortbildung zur „Krankenkassenbetriebswirtin“ und legt noch ein Studium zur „Personalmanagement-Ökonomin“ drauf. Auch in der Politik startet sie durch: Bei der DVG gibt es eine SPD-Betriebsgruppe. 1988 tritt sie in die SPD ein, bald darauf wird sie Unterbezirksvorsitzende der Jusos, 1994 sitzt sie für die SPD im Stadtrat. „Das war für mich die Partei, die sich für Arbeitnehmerinteressen einsetzt“, erklärt sie. Die CDU war für die Arbeitertochter indiskutabel, die Grünen „waren fast alle an der Uni und gaben sich so intellektuell. Das war einfach nicht meine Wellenlänge“.
Bis heute verortet sich Bärbel Bas im linken Flügel der SPD. Was das im Zeitalter der Aufl ösung des Rechts-Links-Lagerdenkens für sie heißt? „Dass ich für die Menschen da sein möchte, die jeden Tach aufstehen und zur Arbeit gehen und trotzdem nicht so viel haben. Für die Menschen, die man nicht so sieht.“ Sie weiß, dass viele, gerade im Ruhrgebiet, den Sozialdemokraten vorwerfen, genau diese Menschen aus dem Blick verloren zu haben. Und sie findet diesen Vorwurf richtig. In der Flüchtlingskrise zum Beispiel „haben mir die Leute oft gesagt: Ich muss für meine Waschmaschine sparen – und die Flüchtlinge kriegen die dahingestellt.“ Sie kann den Groll verstehen. Duisburg belegt mit gut elf Prozent Arbeitslosigkeit immer einen der traurigen Spitzenplätze im Ruhrgebiet.
Und jetzt kommen die Frauen und Kinder aus der Ukraine. Selbstverständlich müsse man ihnen helfen, übrigens auch mit genügend Kinderbetreuungsplätzen, aber der Bund könne das nicht wieder nur den Kommunen überlassen, die er 2015 „auf die lange Strecke alleingelassen hat. Da muss Berlin bitte aus Zweifuffzehn lernen. Meine arme Stadt Duisburg schafft das nicht noch einmal allein.“
Hartz IV ist auch so ein Thema. Bärbel Bas hat damals beherzt gegen die eigenen Genossen und Genossinnen gekämpft. „Ich habe gesagt: Ihr setzt diejenigen gleich, die ihr Leben lang gearbeitet haben, und die, die noch nie gearbeitet haben. Da war ich richtig auf Krawall!“ 2005 tritt Hartz IV unter Kanzler Schröder in Kraft, 2009 wird die Hartz IV-Gegnerin Bas mit 42 Prozent der Erststimmen als Direktkandidatin in den Bundestag gewählt. 2013 wird Bärbel Bas Parlamentarische Geschäftsführerin, dann stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Und jetzt eben Bundestagspräsidentin.
„Ich habe nicht selbst den Finger gehoben, das stimmt. Aber ich habe im richtigen Moment Ja gesagt.“ So hat sie das in ihrer ersten Ansprache im Bundestag formuliert. Im Duisburger Café klingt es bodenständiger: „So geht das bei mir immer“, erklärt sie das Prinzip ihrer Karriere. „Da ruft einer an und sagt: Mach ma!“ Und Bärbel macht.
So richtig hatte sie wohl kaum jemand auf dem Schirm, als es um den Posten ging. Doch als unangenehm auffiel, dass die Genossen ihre Partei– und Staatsämter – Bundespräsident, Bundeskanzler, Fraktionsvorsitz – ausschließlich männlich besetzt hatten, musste wenigstens der zweite Mann im Staat eine Frau werden – die dritte Parlamentspräsidentin nach Annemarie Renger (SPD) 1972 und Rita Süßmuth (CDU) 1988 bzw. vierte nach Sabine Bergmann-Pohl (CDU) 1990.
"So geht das bei mir immer: Da ruft einer an und sagt: Mach ma!" Und Bas macht.
Und jetzt also Bärbel Bas, die sich erstmal dran gewöhnen musste, dass sie jetzt ständig im Fernsehen ist. „Es tut unserem Land gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger sehen: Im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung“, hat sie bei ihrer Eröffnungsrede gesagt. Wieder klingt das in Duisburg prosaischer. „Es ist schon ein tolles Gefühl und eine große Verantwortung, wenn ich auf dem Platz der Präsidentin sitze und alle im Blick habe.“
Aber das ist natürlich nicht alles. Bärbel Bas ist nun auch internationaler unterwegs, sie spricht mit ParlamentspräsidentInnen anderer Länder, aktuell geht es dort vor allem um mögliche Hilfen für das Parlament in der Ukraine.
Macht es einen Unterschied, ob sie auf diesem Parkett Männern oder anderen Frauen begegnet? Ein klares Ja. „Das ist ein anderer Gesprächsauftakt. Man kommt gleich auf die frauenpolitischen Themen und es geht ganz schnell um die Frage, wie wir uns als Frauen vernetzen können.“
Apropos Frauenpolitik. Wie stehen aus Sicht der Bundestagspräsidentin, die ja immer noch SPD-Bundestagsabgeordnete ist, die Chancen auf Fortschritte mit der Ampel? Dass der Mindestlohn ab 1. Oktober auf zwölf Euro steigen wird, was überwiegend Frauen zugutekommen wird, ist ja schonmal ein guter Anfang. Aber die langjährige Gewerkschafterin weiß, dass es leichter ist, einen Lohn anzuheben, als Frauen im Land der „Rabenmütter“ aus der ewigen Teilzeit zu kriegen.
Natürlich müsse „das Ehegattensplitting weg“, und Bärbel Bas guckt etwas zerknirscht, weil sie natürlich auch weiß, dass ihre eigene Partei diese staatliche Subventionierung der Hausfrauenehe in noch keiner Regierungs-Konstellation jemals angetastet hat.
Was hält sie von der Freierbestrafung? Die findet sie "durchaus bedenkenswert".
Auch mit der Prostitutionspolitik ihrer Partei ist Bas nicht ganz im Reinen: Duisburg belegt nicht nur mit seiner Arbeitslosenquote einen Spitzenplatz, sondern ist auch für sein Rotlichtmilieu bekannt, in dem Hells Angels und Bandidos besonders hemmungslos aktiv sind. „Ich sehe das Elend und dass es mit der Zwangsprostitution immer schlimmer wird“, sagt Bärbel Bas. Und wie steht sie zum sogenannten Nordischen Modell, also die Freierbestrafung bei gleichzeitiger Entkriminalisierung der Prostituierten plus Ausstiegshilfen? Das findet sie „durchaus bedenkenswert“. Eins jedenfalls sei klar: „So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“
Sie sieht gute Chancen, dass es mit einer „gesicherten Basis-Finanzierung der Frauenhäuser“ diesmal endlich klappt. Versteht sich die zweite Frau im Staat als Feministin? Bärbel Bas zögert nur kurz, weil sie anders als andere „nicht als erste mit der Fahne voranmarschiert ist“. Aber dann doch: Ja. Für Frauenthemen hat sie sich schließlich immer eingesetzt. So wie jetzt auch für ein Paritätsgesetz, das sie als Bundestagspräsidentin vorantreiben will: „Unbedingt!“ Sie weiß aber auch, dass eine Quotierung der Wahllisten bei Parteien, die viele Direktmandate holen, wie zum Beispiel ihre eigene, nur bedingt hilft, um endlich 50 Prozent Frauen in den Bundestag zu kriegen. Sie könnte sich da aber eine Lösung vorstellen, wie sie die Franzosen seit Jahren mit Erfolg praktizieren: Die Wahlkreise vergrößern und pro Wahlkreis ein Mann-Frau-Duo aufstellen, das nur gemeinsam gewählt werden kann. „Die Modelle liegen alle bei uns auf dem Tisch.“ Bärbel Bas arbeitet dran.
„In meinem Leben war mir immer klar, dass ich mich nicht über einen Mann definieren und eigenes Geld verdienen möchte.“ Bas verdiente in ihrer Ehe nicht nur eigenes Geld, sondern erklomm die Karriereleiter gen Berlin, während ihr Mann Siegfried Ambrosius fast vier Jahrzehnte lang als Geschäftsführer der SPD Duisburg im Ruhrpott die Stellung hielt. Ihr 27 Jahre älterer Mann, der im Alter an Parkinson litt, starb im September 2020 an einer Infektion im Krankenhaus. „Würde er noch leben“, sagt Bärbel Bas, „hätte ich das Amt nicht angenommen.“
Im Amt muss sie neutral sein, "nur manchmal verrutscht mir schonmal ein Tweet", so Bas.
Bärbel Bas ist eine meinungsfreudige Person. Aber jetzt ist sie zweite Frau im Staat, was bedeutet, dass sie „im Amt neutral sein muss“. Meistens kriegt sie das gut hin, findet sie, „nur manchmal verrutscht mir schonmal ein Tweet“, sagt sie und grinst. Kürzlich musste sie mit Friedrich Merz einen Entschuldigungs-Kaffee trinken gehen. „Da hatte ich einen Post weitergeleitet, auf dem sein Gesicht durchgestrichen war.“ Aus Versehen, versteht sich. Der Kaffee mit Merz sei aber durchaus nett gewesen.
„Guck ma, Bärbel, da iss unsre Christel!“ ruft es vom DGB-Stand durch die Fußgängerzone. Die Ruferin ist die ehemalige Duisburger Gleichstellungsbeauftragte Doris Frehrs und „unsre Christel“ die langjährige Vorsitzende des Frauenausschusses im Rat. Doch Bärbel Bas fachsimpelt gerade ein paar Meter weiter über das Spiel des MSV Duisburg am letzten Samstag. Wenn sie in der Heimat ist, geht sie natürlich ins Stadion, wenn der Drittligist spielt. Aktuell steht der MSV auf Platz 14, aber am letzten Samstag „haben sie mal gewonnen – wahrscheinlich, weil ich da war“.
Ein Paar weiße Rosen hat Bärbel Bas noch zum Verteilen in der Hand. „Möchten Sie eine Blume?“, fragt sie eine Passantin. „Nein, ich hasse Blumen!“ bescheidet die die Bundestagspräsidentin unwirsch. Heimat halt. „Ich mag Blumen, aber bei mir überleben die nicht lange“, sagt Bas zu der Passantin. Und zur EMMA-Reporterin: „Ich liebe meine Stadt!“
Wie gut, dass sie erst am nächsten Montag wieder auf Montage muss.
CHANTAL LOUIS