Alice Schwarzer schreibt

"Das Negative darf nicht siegen"

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Am 24. September, 26 Tage nach Hannahs Tod, schreibt mir der Vater. Er will "etwas tun gegen die sexuelle Gewalt", will, dass nach "Hannahs entsetzlichem Tod wenigstens etwas passiert". Ich antworte umgehend. Denn auch ich hatte die Berichterstattung über Hannahs Ermordung verfolgt – und war besonders erschüttert, nicht nur über die grausamen Umstände der Tat, sondern auch von Hannahs Foto: Sie war ein so sichtbar starkes, stolzes und lebensfrohes Mädchen. Zwei Wochen später kommt Hannahs Vater vom benachbarten Königswinter nach Köln. Wir beraten, was zu tun wäre. Und er schlägt vor, dass wir ein Gespräch für EMMA machen. Er und seine Frau wollen endlich reden über das, was bisher noch kaum gesagt wurde: Dass es bei so einer Tat nicht nur ein Opfer gibt, sondern die ganze Familie und ihr Umfeld existenziell erschüttert wird. Unser Gespräch verschiebt sich, weil die öffentliche Bekanntgabe der Details der Tat auf der Pressekonferenz vom 5. November Hannahs Eltern und ihre Schwestern tief zurück schleudert in das Entsetzen. Wir bleiben in Kontakt, tauschen Informationen über die Möglichkeiten des geplanten Projektes gegen sexuelle Gewalt aus. Am 25. Januar kommen beide in die EMMA-Redaktion: Hannahs Vater und die Mutter, die erstmals ihr Verstummen bricht. Sie ist Heilpädagogin und, ganz wie ihr Mann, in der Behindertenarbeit. Beide haben von Anfang an nur halbtags gearbeitet, um sich die Familienarbeit teilen zu können. "Das war uns von Anbeginn an wichtig", sagt er. Entsprechend emanzipiert haben sie ihre Töchter erzogen. "Das sind starke, stolze Mädchen geworden, so wie wir es wollten", sagt sie. Das Gespräch fällt uns allen dreien nicht leicht – aber am Ende ist uns das Herz etwas weniger schwer als zu Beginn.

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Das Interview mit Hannahs Eltern in EMMA 2/2008

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