„Mein Leben war wunderschön!“

Hourvash Pourkian kam 1974 nach Deutschland. Sie lebt heute im Hamburger Exil.
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"Wir sind im Dezember 1974 nach Deutschland gezogen. Mein Vater war kurz davor gerade in Hamburg zu Besuch gewesen, weil mein Bruder seine Promotion abgeschlossen hatte. Da hat er einen Iraner kennen gelernt, dem er von einem aktuellen Buchprojekt berichtete. Mein Vater hat viele Sachbücher geschrieben, auch zusammen mit mir: Eines über Frauen und Macht.

Damals allerdings sollte es um Demokratisierungsprozesse im Iran gehen – nicht um Kritik am Schah. Kurz darauf hat ein Freund angerufen, der beim iranischen Militär war. Er hat meinen Vater gewarnt: „Wenn du zurückkommst, werden sie dich noch am Flughafen festnehmen. Der Iraner, mit dem du gesprochen hast, ist der Chef des iranischen Geheimdienstes in Europa.“ Daraufhin hat mein Vater meine Mutter, meine Brüder und mich nach Hamburg geholt. Ich ging ­damals noch in die elfte Klasse.

Ich hatte bis dahin ein wunderschönes Leben in Teheran. Wir hatten eine tolle Clique und haben die Welt auf den Kopf gestellt. Wenn ich meinen Freundinnen heute in Deutschland von all den Freiheiten erzähle, die ich während meiner Jugend im Iran hatte, dann wollen sie mir oft gar nicht glauben. Dass ich am Kaspischen Meer im Bikini Fahrrad gefahren bin zum Beispiel. Oder Motorrad. Das war ja die Hippie-Zeit, und so sahen wir auch aus.

Mein Vater hat Simone de Beauvoir gelesen und immer gesagt: Ich werde meine Töchter stärker fördern als meine Söhne. Denn meine Söhne werden ja schon automatisch von der Gesellschaft gefördert.

Die Islamische Revolution habe ich also aus dem Exil erlebt. Ich erinnere mich noch an eine Nacht in London im Dezember 1978,  ich war mit einer Freundin auf einer iranischen Party gewesen. Sie wollte in London studieren, und ich habe sie besucht. Da war ich gefühlt die einzige in einem Raum mit rund 100 IranerInnen, die kritisch mit Khomeini war. „Ihr spinnt ja wohl!“ habe ich zu denen gesagt. Aber sie waren sich sicher: Der Tschador ist nur ein Übergang, wenn der Schah weg ist, werden die Frauen wieder frei sein. Kurz darauf war der Schah weg – der Tschador blieb. Ich habe zu dieser Zeit gerade eine Ausbildung in einem deutsch-iranischen Unternehmen gemacht und wir haben uns dann intensiv um Iranerinnen und Iraner gekümmert, die vor den Mullahs nach Deutschland geflüchtet sind. Ich bin mit ihnen zur Ausländerbehörde gegangen und habe dafür gesorgt, dass ihre Kinder versorgt sind. Ich war also Zeit meines ­Lebens mit iranischer Politik beschäftigt, bis heute.

Über zwanzig Jahre habe ich in der Textilbranche gearbeitet, am Ende hatte ich ein eigenes, sehr erfolgreiches Mode­label. Und ich saß auch mehrere Jahre im Integrationsrat der Stadt Hamburg. Mit meiner Initiative „SwitchMind“ organisieren wir derzeit Workshops in Flüchtlingsunterkünften, in denen es auch um Themen wie Gleichberechtigung und die Ehe für alle geht. Vor einem Jahr habe ich einen Frauenmarsch in Hamburg organisiert, der sich gezielt gegen Rechtspopulismus und Islamismus gerichtet hat (EMMA Juli/August 2017). Der Marsch wurde damals unter anderem von der Hamburger Schura, dem Rat der Moscheen, boykottiert, weil ich im Vorfeld als Iranerin das Kopftuch kritisiert hatte. Wen wundert das? Teil der Schura ist ja auch die Blaue Moschee. Von denen wissen wir, dass sie die Ideologie des iranischen ­Regimes nach ganz Europa importieren – sie werden ja nicht umsonst vom Verfassungsschutz beobachtet. Aber ich habe keine Angst vor ihnen! Mein Großvater war sogar ein hoher Kleriker, ein Groß­ayatollah. Wären wir Regimeanhänger gewesen, hätten wir richtige Vorteile gehabt. Aber nicht einmal mein Großvater war begeistert von den Mullahs.

Als ich dann 1995 das erste Mal wieder in den Iran gereist bin, war ich erschüttert. Das Teheran, das ich kannte, gibt es nicht mehr. Der Iran hat mich eher an den südafrikanischen Apartheidstaat erinnert. Ich habe damals Freunde wiedergetroffen, die alle schwere Depressionen hatten. Sie fragten sich: Was haben wir da bloß getan? Warum haben wir uns so beeinflussen lassen? Der Schah wollte das Land zumindest modernisieren. Die Islamisten wollten immer nur eins: Die iranische Kultur vernichten.

Ich habe mir auch geschworen, nicht mehr in den Iran zu reisen, bis das Land frei ist. Und ich bin optimistisch, dass es bald soweit sein wird! Die Frauen, die im Iran jeden Tag ihre Kopftücher abnehmen, werden immer mehr! Sie werden auch immer mutiger! Meine Prognose ist: Wenn Europa sich Trump anschließt und auch aus dem Atom-Deal aussteigt, dann ist es in einem Jahr mit dem Regime vorbei. Sie konnten sich bisher nur mit den Milliarden von Obama weiterfinanzieren.

Ich finde auch, dass wir Migrantinnen uns alle viel besser vernetzen müssten, Türkinnen, Kurdinnen, Afghaninnen und auch Iranerinnen. Daran arbeite ich gerade. Und ich will wieder einen Frauenmarsch auf die Beine stellen. Diesmal aus Solidarität mit den „Mädchen der Revolutionsstraße“. Wir haben sogar schon ­einen Termin: den 1. September in Hamburg."

Protokoll: Alexandra Eul

Weiterlesen:
Human und Hourvash Pourkian: Macht macht müde Frauen munter, IHV.

Kontakt:
www.pourkian.com, www.internationalwomenpower.com

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