Ich war Prostituierte: Die Wahrheit

Artikel teilen

Vor ein paar Monaten habe ich mit Manfred, meinem jetzigen Freund, versucht zu schlafen. Es hat nicht funktioniert. Aber bei ihm kann ich mir endlich gestatten, zu fühlen, auch das Nega­tive. Neulich habe ich ganz bewusst versucht, ihn zu streicheln, aber ich habe es heulend wieder aufgegeben. Noch nach zehn Jahren konnte ich meinen Geliebten nur streicheln wie einen Freier, ganz unbeteiligt. Und trotzdem ist er der erste, mit dem ich darüber sprechen kann. Wenn er mich streichelt, sagt er oft: „Du schottest dich ab.“ Dann liege ich da und bin erstarrt. Orgasmusblockade. Ausgerechnet jetzt kommt der Ekel wieder hoch. Jetzt, wo ich versuche, jemanden zu lieben.

Anzeige

Es ist eben alles abgespalten. Als Hure kannst du es dir nicht leisten, zu fühlen. Du musst deinen Körper benutzen wie ein Werkzeug. Du langst da hin und machst was oder lässt was mit dir machen; du versuchst, es einfach zu erledigen. Und diese Erledigungsmentalität brennt sich in deinen Körper ein. Was hab ich alles an mich rangelassen, und in mich rein. Jetzt will ich keine Wichsgriffel mehr auf mir spüren.

An meine Gefühle von damals kann ich mich nicht erinnern, die waren überwiegend negativ. Das Schlimmste ist, ich kann mich nicht mal mehr an meine Gedanken erinnern. Ich glaube, ich hab nicht gedacht in der Zeit. Als junges Mädchen hab ich Konstantin Wecker gehört und die EMMA gelesen. Aber als ich da ankam, hab’ ich nichts mehr gelesen und nichts mehr gehört. Ich hab mir nur noch den letzten Dreck im Fernsehen angeguckt und aufgehört zu denken. Ich hab mir das Denken abgewöhnt. Mein einziges Gefühl war die Liebe zu meinem Zuhälter.

Von zu Hause kannte ich nur Eiseskälte. Als meine Mutter meine Schwester gekriegt hat, war sie 17; als ich geboren wurde, 19. Sie hat wenig mit uns Mädchen gesprochen, vor allem in der Zeit unserer Pubertät. Sie hat es wohl nicht besser gewusst. Als ich mit 15 mit einem geschlafen hab, hat sie mich „Flittchen“ geschimpft. Heute weiß ich, dass meine Mutter als Kind von den Liebhabern ihrer Mutter geschlagen wurde.

Meine Eltern sind beide Lehrer, aber von Pädagogik haben die keine Ahnung. An der Schule haben die es vielleicht drauf, aber zu Hause nicht. Ich war immer die Nummer 1 in der Schule, die Nummer 1 auf dem Tennisplatz, damit meine Mutter stolz auf mich sein konnte.

Meine Mutter arbeitet an einer Hauptschule. Mein Vater war am Gymna­sium, jetzt ist er pensioniert. Inzwischen hat mich meine Mutter um Verzeihung gebeten, sie war ja damals für Kinder viel zu jung.

Den Jürgen habe ich über meine Freundin Steffi kennen gelernt. Ich war 17, und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich wollte diesen Mann, weil er so anders war als mein Vater. Mein Vater war schwach und hat uns vor unserer Mutter nie geschützt. Ich war über Silvester bei Steffi zu Besuch. Zu dem Zeitpunkt hat sie schon angeschafft. Aber als ich hinfuhr, wusste ich das noch nicht.

Wir sind in die Disco gegangen, ich hab den Jürgen gesehen, und zack bin ich umgefallen und war in den verliebt. Der Jürgen war mit der Lisa da, seiner Freundin. Später hab ich erfahren, dass er noch eine Ehefrau hatte, die Angie. Und eine Geliebte, die Melanie, von der die anderen beiden Frauen nichts wussten. An dem Abend haben Jürgen und ich schon Händchen gehalten, hinter dem Rücken von der Lisa, schändlicherweise. Dann hat er die Lisa nach Hause gefahren, und wir haben gleich zusammen geschlafen.

Er war nicht der erste, mit dem ich geschlafen hatte. Aber er war ein richtiger Mann, 13 Jahre älter als ich. Dann bin ich wieder nach Hause gefahren, aber immer wieder hingefahren. Bei diesen Übernachtungen bin ich in einer Reihe von Appartements gelandet. Da war ich gerade mitten im Abitur. Zu dem Zeitpunkt lagen meine Mutter und ich total im Clinch. Ich war dabei, mich zu Hause abzukapseln. Ich hab mir einen extra Telefonanschluss in mein Zimmer legen lassen, um mit Jürgen zu telefonieren.

Kurz vorm Abi hatte ich eigentlich vor, Psychologie zu studieren. Unter anderem deshalb, weil meine ältere Schwester schon mit 16 Jahren ihre erste Depression hatte. Damals sind wir uns aus dem Weg gegangen und haben leider nicht zusammengehalten – sonst wäre uns vieles erspart geblieben.

Mitten im Abitur hab ich dann beschlossen: Ich geh zu ihm. Wenn man mich heute fragt, ob ich gewusst hab, dass ich dann anschaffen muss – ich weiß es nicht. Ich hab es vielleicht geahnt. Ich wusste ja inzwischen, dass er Frauen hat, die anschaffen. Ich hab einen Koffer und eine Kiste gepackt und beim Mittagessen zu meiner Mutter gesagt: „Ich geh’ heute abend mit dem Jürgen mit.“ Meine Mutter hat nur die Hand ausgestreckt und gesagt: „Dann gib sofort den Hausschlüssel her.“ Dann ist sie zum Tennis­spielen gefahren. Mein Vater war daheim. Ich sehe ihn heute noch, wie er in der Einfahrt steht und winkt.

Wir fuhren in ein Dorf in Franken, und das Auto hielt vor einem ziemlich großen Appartmenthaus. Wir sind mit dem Aufzug hochgefahren, er schließt die Tür auf, und wir stehen in einem total versifften Schweineloch mit Hundekacke auf dem Boden. Die, die da vorher gearbeitet hatte, hatte da ihren Hund zwei Tage lang eingesperrt und dann die Bude so hinterlassen. Das Telefon klingelte ununterbrochen, und mir schwante, dass das ein Anschaff-Appartment war. Irgend­wie muss es Jürgen geschafft haben, mir binnen einer Stunde klarzumachen, dass er nur für mich zu haben ist, wenn ich erstens anschaffe und zweitens nachts auf ihn verzichte, weil er auf gar keinen Fall bei mir übernachten kann.

Solange ich angeschafft hab, war er für mich da – zumindest am Anfang. Ich wusste zwar, dass es die anderen Frauen gab, aber ich war seine Prinzessin – dachte ich. Ich war so fixiert auf diesen Typen, ich wollte nicht mal das Abitur fertig machen. Komischerweise hab ich es dem Jürgen zu verdanken, dass ich noch zum Mündlichen hingegangen bin. Er sagte: „Mach bloß dein Abi, eines Tages bist du mir noch dafür dankbar.“

Mein heutiger Lebensgefährte hat mich mal gefragt: „Sag mal, warum bist du nicht an dem ersten Abend gegangen?“ Mir ist überhaupt nie in den Sinn gekommen, zu gehen. Ich bin nicht heulend zusammengebrochen, ich war das ja gewöhnt. Ich war damals so drauf, dass ich alles gemacht habe, was man mir gesagt hat – für Liebe.

Am nächsten Tag hab ich saubergemacht, und dann kam der erste Freier. Ich hab die Steffi angerufen und gefragt: „Wie mach ich das denn nun?“ Da hat sie mir erst mal erklärt, wie man einem Mann einen Gummi überzieht, und wie die ­Regeln sind. Wenn so ein Appartment erst mal angelaufen ist und die Adresse bekannt ist, dann erwarten die Freier, dass da jemand sitzt und auf sie wartet. Es kam also einer, und den habe ich bedient.

In den ersten drei Monaten bin ich glücklich gewesen. Am Anfang kam Jürgen jeden Tag für zwei, drei Stunden – wenn nicht zwischendurch ein Freier geklingelt hat. Der hat mir Zeit mit Jürgen weggenommen. Es gab zwei Zimmer, das Wohnzimmer und das Fickzimmer. Aus dieser Welt bin ich nur noch rausgekommen, um einzukaufen und zum Friseur zu gehen. Sonntags hab ich mich in die Pizzeria gesetzt.

In diesen ersten drei Monaten hab ich angefangen, zu trinken, und binnen kurzem hab ich heftig gesoffen. Bald war ich so weit, dass ich morgens zum Frühstück Bacardi-Cola trank, so ‘ne halbe Flasche Bacar­di pro Tag ging drauf. Das Geld musste ich komplett abgeben. Ich hab das dann so eingerichtet, dass ich mittags einkaufen ging. Bis dahin hatte ich ja schon was verdient. Was dann noch bis zum Abend reinkam, das hat der Jürgen abgeholt.

Ich habe es geschafft, das Appartment von 300 auf 1.000 Mark tägliche Einnahmen hochzuschrauben. Wenn man zwischen 100 und 300 Mark pro Freier rechnet, waren das zwischen drei und zehn Freier pro Tag. Es gab Tage, da kamen zehn, die alle nur für 100 wollten. Das war der Preis für Normalverkehr mit Gummi, ohne Gummi waren es 300.

Dann habe ich beschlossen, ich hör jetzt auf zu saufen. Und dann hab ich mir über einen Freier einen kleinen Bungalow im Nachbardorf besorgt, möbliert, für 500 Mark, mit Garten. Jürgen war einverstanden.

Die Rechte waren unter Jürgens Frauen aufgeteilt: Wann er mit welcher Frau übernachtet, wieviele Stunden er mit jeder verbringt und wieviel Geld jede für sich ausgeben darf, ohne dass er sauer wird. Seine Ehefrau, die Angie, hatte ein wunderschönes Haus, mit goldenen Wasserhähnen. Die hatte auch sehr viel Freiheiten, aber auch sie musste anschaffen. Zu dem Zeitpunkt war sie schon vollständige Alkoholikerin. Seine Freundin, die Lisa, hatte auch ein eige­nes Haus, ein privates, und sie hatte ein Kind vom Jürgen.

Ich hatte mich inzwischen an der Uni Würzburg in Psychologie immatrikuliert. Ich war so naiv zu glauben, ich könnte das verbinden. Ich bin dann mit dem Fahrrad von dem Dorf aus zwölf Kilometer nach Würzburg gestrampelt, um Seminare und Vorlesungen zu besuchen. Das hat der Jürgen rausgekriegt und mich zusammen­geschlagen. Da hab ich das Studium sein lassen.

Aber ich hab ihn immer wieder gefragt: „Sag mal, wie lange muss ich denn noch?“ Und dann hat er immer geantwortet: „Nicht mehr lange.“ Dann hab ich ­gefragt: „Und was ist mit den anderen Frauen?“ Und dann hat er gesagt: „Wir beide gehen irgendwann in die Schweiz.“ Und ich hab das gefressen. Irgendwann hab ich nicht mehr gefragt. Irgendwann hab ich nur noch gearbeitet.

Als das Kind da war, hat die Lisa aufgehört zu arbeiten. Die Angie hat dann auch irgendwann aufgehört, und zum Schluss waren nur noch die Melanie und ich, die das Geld reingebracht haben. Da hat Jürgen zwischendurch mal ‘ne Neue aufgerissen, eine ganz junge. Nicht im Fickzimmer, in meinem Schlafzimmer hat er die gevögelt. Und ich lag im Wohnzimmer auf der Couch und hab geheult. Und dann kam er raus und hat mir ‘ne Ohrfeige verpasst. „Das musst du doch verstehen“, hat er gesagt, „Wir brauchen doch ‘ne Neue. Das Geld reicht doch hinten und vorne nicht.“

Und dann hab ich mich mit der Melanie zusammengetan. Es fing damit an, dass wir jeden Tag miteinander telefonierten. Bald trafen wir uns öfter, und zum Schluss war es dann so, dass wir auch die Wochenenden miteinander verbrachten. Jürgen haben wir gesagt: „Geh du ruhig zur Lisa am Wochenende.“ Am Anfang hat er nicht geschaltet. Er hatte ja allen seinen Frauen streng verboten, miteinander über ihn zu reden. Wenn der gewusst hätte, worüber wir reden – das hätte eine Prügelorgie gegeben.

Melanie und ich haben uns immer lieber gewonnen, wir haben in einem Bett geschlafen, und auch ab und zu miteinander geschlafen. Wir haben uns alles erzählt, zum Beispiel, was er im Bett sagt, was er uns verspricht. Und wir haben gemerkt: Er erzählt jeder dasselbe.

Er hat mir mal gesagt, mich hätte er am meisten von allen Frauen geschlagen. Die anderen hätten sich besser eingefügt. Trotzdem habe ich damals jedem, der es wissen wollte, gesagt: Es macht mir nichts aus. Meine allerbeste Freundin aus der Schulzeit, die Nicki, hat mich mal besucht. Der habe ich erzählt – sie hat mich erst kürzlich wieder daran erinnert –, dass ich mit dem Leben als Hure überhaupt keine Probleme hätte, dass man doch damit prima Geld verdienen kann, sie solle das auch ruhig machen, und dass ich den Sex mit Jürgen und den Sex mit den Kunden prima trennen könne. Ich war so drauf wie die Hydra-Frauen: „Das macht einem nix, das schadet nicht, wir brauchen nur noch eine Sozialversicherungsnummer.“ Alle Hu­ren reden so – solange sie drin sind. Ich hatte eben immer noch die Illusion: Der Jürgen liebt mich.

Er hat mir auch einiges erzählt. Er war wegen versuchtem Mord im Knast gewesen. Zum Schluss hab ich nur noch gehofft, dass er nicht kommt. Oder wenn er kommt, dass er mal einen weniger perversen Tag drauf hat. Wenn er zu Melanie und mir kam, hat er uns oft als erstes in den Mund geschissen.

Wie ich da rausgekommen bin? Dank der Sache mit den Immobilien. Der Jürgen hatte das ganze Geld in Immobilien gesteckt. Er hat alte Häuser aufgekauft, hat sie modernisiert und als Eigentumswohnungen wieder verkauft oder vermietet. Er hat später mal zu mir gesagt, ich hätte etwa eine Million verdient, nur ich allein, in vier Jahren. Die Immobilien waren alle auf den Namen seiner Frau eingetragen. Irgendwann hat er sich überlegt, Häuser auf meinen Namen zu überschreiben, schon hatte ich das erste Haus auf meinen Namen: auf Kredit. Jürgen hat für mich eine gefälschte Verdienstbescheinigung an die Bank geschickt, und ich hab von denen einen Kredit über 300.000 Mark gekriegt. Da wurde es mir mulmig.

Ich bin zu meiner Mutter gefahren, ausgerechnet am Muttertag, und hab gesagt: „Mama, ich hab viereinhalb Jahre lang angeschafft. Ich will nicht mehr. Hilfst du mir da raus?“ Das hat sie dann organisiert, mein Vater hat auch mitgemacht. Aber wenn meine Mutter mir die Tür ins Gesicht geschlagen hätte – was hätte ich dann noch machen können? Ich hätte vielleicht versucht, den Jürgen umzubringen. Ich hatte mir schon überlegt, an seinem Motorrad die Bremsen zu manipulieren, oder ihm Zyan­kali ins Essen zu mischen.

Dann hat meine Mutter mich über eine Freundin in einer Wohnung in München untergebracht. Ich bin untergetaucht. Und sie ist mit mir zum Rechtsanwalt. Dort haben wir ein Papier ausgearbeitet, das an Jürgen geschickt wurde. Darin stand, dass er sich mir nicht nähern darf, weil ich ihn sonst sofort anzeige. Wenn er mich aber in Ruhe lässt, hat er keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Ich wollte nicht, dass er mich als Gefahr einschätzt. Er hat immer gesagt: „Wenn du mich verlässt, bring ich dich um. Ich finde dich überall.“

In München hab ich regelrecht unter Verfolgungswahn gelitten, obwohl er mich eigentlich nicht finden konnte. Ich war verkleidet, mit Sonnenbrille, volle Montur. Wenn ich mit meinem Hund Gassi gegangen bin, hab ich überall nach Autonummern geguckt. Auf Zuhälterei sollte es lebenslänglich geben.

In den drei Monaten in München lebte ich wie in einem luftleeren Raum. Ich mied jeden Kontakt. Ich hatte das Gefühl: Du willst in deinem Leben nie wieder Sex haben, und du willst dich nie wieder verlieben. Dann bin ich in die Nähe meiner Mutter nach Stuttgart gezogen und habe angefangen zu studieren, Psychologie. Von meinen Eltern hab ich Geld gekriegt. Ich durfte eine ganz normale Studentin sein. Ich war gut im Studium, ich habe wieder angefangen zu denken und zu fühlen – und mich zu verlieben, in einen sehr jungen Studenten, er war noch Jungfrau.

Ich hatte den ganzen Dreck in Schub­laden gepackt, aber da blieb er leider nicht drin. Ich fing an zu kiffen. Die Beziehung ist an der Sexualität gescheitert. Er hatte keine Erfahrung, und ich war zu zärtlichem Sex nicht in der Lage. Mit Hingabe hatte ich schlechte Erfahrungen gemacht, da sperrte sich mein ganzer Körper. Zärtlich konnte ich auch nicht sein, ich hatte doch immer die Freier gestreichelt. Ich war doch „das Schmusekätzchen“. Jetzt fang ich die dritte Psychotherapie an. Es hängt mir manchmal so zum Hals raus.

Wenn mich die Manie überfällt, muss ich reden. Über mein Elternhaus und über die Anschafferei. Immer wieder. Das kommt in der Manie hoch. Einmal bin ich zum Pfarrer, zur Beichte. Ich wollte Vergebung, er hat sie mir gegeben. Aber das nutzt mir wenig. Ich muss es schaffen, mir selber zu vergeben.

Dann bin ich in meine erste schwere Depres­sion gefallen. Ich war drei Monate im Krankenhaus und hab nur geheult und geschrien. Die haben immer weiter Chemie in mich reingekippt. Da bin ich auf den fünften Stock gestiegen und hab gedacht: Springste jetzt oder springste nicht? Ich bin nicht gesprungen, aber die manisch-depressive Erkrankung bin ich nicht mehr losgeworden – seit zehn Jahren.

Wegen der Krankheit musste ich das Studium abbrechen. Vier Jahre lang war ich krank. Ich habe mit einer Rehabilitierungsmaßnahme angefangen und das Programm durchgezogen, trotz meiner Depression. Da bin ich heute noch stolz auf mich: Ich saß da in einem Buchhaltungsbüro, voll depressiv, und habe gebucht. Und danach habe ich die Umschulung für Ex-Akademikerinnen gemacht, als Kauffrau. Für Ex-Huren gibt es keine Berufsumschulung. Dazwischen bin ich nochmal depressiv geworden, statt zwei Jahre Umschulung waren es also vier. Aber ich war auch da Klassenbeste. Die haben mich voll mitgetragen, das war eine Reha-Einrichtung mit einer Übungsfirma. Ich bin da aber Präzedenzfall!

Wenn man einen guten Arzt hat, kann man es wagen, die Schubladen mit dem stinkenden Müll aufzumachen. Zwischendurch mal ein Pillencocktail und eine gute Psychotherapie. Und wenn man dann noch einen liebenden Partner hat, kann man vielleicht wieder heile werden. Das ist meine Hoffnung.

Das Härteste war, als mein Onkel mir erzählt hat, dass er zu einer Hure gegangen ist. Da ist in mir etwas zerbrochen. Da war ich gerade ausgestiegen. Ich hatte immer gedacht: Der macht es nicht. Er hat sich noch damit gerechtfertigt, das Mädchen sei ganz lieb zu ihm gewesen und hätte sich mit ihm unterhalten. Da hab ich zu ihm gesagt: „Was hab denn ich gemacht? Ich war auch ganz lieb zu den Freiern."

Alle Namen von der Redaktion geändert.

Artikel teilen
 
Zur Startseite