Was wird hier verschleiert?

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"Die Pflicht zu strikter Neutralität im Bereich der staatlichen Schule wird verletzt, wenn eine Lehrerin im Unterricht Kopftuch trägt.“ So urteilte das Bundesverwaltungsgericht am 4. Juli 2002 und gab damit dem Land Baden-Württemberg recht, das sich geweigert hatte, die Muslimin Fereshta Ludin nach dem Referendariat in den Staatsdienst zu übernehmen. Denn die eingebürgerte Deutsche aus Afghanistan bestand darauf, auch als verbeamtete Lehrerin verschleiert zu unterrichten.

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Prompt beklagte Zeit-Herausgeber Michael Naumann in einem Leitartikel, dass dieses „Lehrverbot“ das Grundgesetz verletze: nämlich das im Artikel 4 der deutschen Verfassung garantierte Recht auf freie Religionsausübung. Ludins Kopftuch sei ja noch nicht einmal ein religiöses Symbol, befand der Liberale, sondern „allenfalls ein modischer Glaubenshinweis aus dem Alltagsleben unserer religiös-pluralistischen Gesellschaft“. Naumann: „Die deutschen Schulen haben andere Probleme, bei Gott.“ – Hier irrt der Kollege. Denn die Folgen der Missionierungsoffensive islamischer Fundamentalisten, gerade auch gegen gemäßigte Muslime, sind eines der Hauptprobleme deutscher Schulen. Siehe Pisa.

Schon 1998, als der Kopftuchstreit durch alle Instanzen entbrannte, verteidigte die Zeit Ludins vorgeblich religiösen Freiheitsrechte. Politisch korrekt, aber journalistisch unkorrekt. Hätte die Zeit wie EMMA recherchiert, hätte ihr etwas auffallen müssen.

Fereshta Ludin wird 1972 in Afghanistan geboren, von einer Mutter, die ebenfalls Lehrerin ist, aber ohne Kopftuch. Der als weltläufig bekannte Vater ist Innenminister in Kabul, bald darauf wird er Botschafter in Bonn. Danach lebt die Familie einige Jahre in Saudi-Arabien. Dort beginnt Fereshta mit 13 plötzlich den Schleier zu tragen. Seither hat sie ihn nie wieder abgelegt. Vermutlich ist Ludin als junges Mädchen bei den fanatischen Saudis unter Einfluss geraten und sodann als junge Frau vom Regen in die Traufe. Fereshta ist erst 18, als sie in Schwäbisch-Gmünd den fünf Jahre älteren Raimund „Hamid“ Prochaska heiratet: einen zum Islam konvertierten arbeitslosen deutschen Pädagogen mit Vollbart.

Ab dem Wintersemester 1993 studiert Ludin an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch-Gmünd, wo sie im Rahmen ihres Studiums „Fortbildungsveranstaltungen“ für LehrerInnen organisieren darf. Etwa ab 1995 weigert sich die Pädagogik-Studentin, Männern an der Hochschule die Hand zu geben. Bei Moschee-Führungen im Auftrag des 'Deutschsprachigen-muslimischen Frauenkreises' pflegt sie zu betonen, ihr Kopftuch sei für sie „ein Schutz vor der westlichen Dekadenz“.
Und als EMMA 1997 mit ihr telefoniert – da ist Ludin schon Referendarin – und die gebürtige Afghanin bei der Gelegenheit auch zur Verletzung der Menschenrechte in Afghanistan durch die Taliban befragt, antwortet die angehende Lehrerin kurz angebunden: „Dazu möchte ich mich nicht äußern.“

Als Ludins Rechtsstreit gegen das Land Baden-Württemberg durch alle Instanzen entbrannte, erschien in den Medien eine Welle von Berichten, die sich darüber empörten, dass die „naive junge Muslimin“ nicht ganz einfach das ihr „vom Islam auferlegte Kopftuch“ so tragen können soll wie eine Christin „ihr Kreuzlein an der Kette“ (Zeit). Ludin habe „stets betont, dass sie mit der für sie selbstverständlichen Kopfbedeckung keinerlei missionarischen Zwecke“ verfolge, schrieb auch der bereits in der letzten EMMA-Ausgabe zitierte Jurist Mathias Rohe: hauptamtlich Professor für Internationales Privatrecht mit Lehrstuhl an der Universität Erlangen, nebenberuflich Richter am Oberlandesgericht und zudem „einer der wenigen deutschen Scharia-Experten“ (taz).

Aber warum unterrichtet Ludin dann heute ausgerechnet an der „Islamischen Grundschule Islam Kolleg Berlin e.V.“? Über diese umstrittene Einrichtung vermeldete die taz am 26. April 2002: „Das Landgericht Berlin hat gestern entschieden: Das Islam Kolleg Berlin e.V., Träger der islamischen Grundschule, darf als Tarnorganisation von Milli Görüs bezeichnet werden. Eine einstweilige Verfügung gegen die taz ist aufgehoben.“

Auch EMMA, die seit langem kritisch über den sich weltweit verbreitenden islamischen Fundamentalismus berichtet und dafür bisher „nur“ politisch angegriffen wurde, erhielt jüngst erstmals ebenfalls eine juristische Drohung. Der von uns als Befürworter der Scharia auch innerhalb der Demokratie Deutschland kritisierte Rechtsprofessor Rohe kündigte wegen der Verkürzung in der Überschrift eines im Fließtext in Originallänge zitierten Ausspruchs eine „Strafanzeige“ und weitere „gerichtliche Schritte“ an (nachstehend die gewünschte „Richtigstellung“).

Hinter diesen juristischen Attacken gegen die journalistische Freiheit steckt oft die gleiche Strategie wie im Fall Ludin und ihrem Kopftuchstreit durch alle Instanzen – der übrigens von der LehrerInnengewerkschaft GEW tatkräftig unterstützt wird. Die Einschüchterungstaktik der Islamistenfront setzt darauf, dass demokratisch aufgeklärte Deutsche weniges so scheuen, wie als „intolerant“ und „ausländerfeindlich“ zu gelten. Und so ganz nebenbei wird dank dieser falschen Toleranz die totalitäre Scharia auch ins deutsche Rechtssystem eingeführt.

Der Islamwissenschaftler Hans-Peter Raddatz warnt in seinem neuen Buch 'Von Allah zum Terror': „Erste Schritte in Richtung einer Rechtssprechung im Sinne des Islam sind erkennbar, beherzt verstärkt vom Erlanger Juristen Rohe, der richtungsweisend für das Entstehen eines parallelen Rechtswesen werden könnte.“ Und auch die Marburger Religonswissenschaftlerin Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann sorgt sich um eine zunehmend dräuende „Zweigesetzlichkeit in Deutschland“ und einen „massiven Angriff auf unser Rechtssystem“: unter anderem auch gerechtfertigt von Prof. Rohe, der damit argumentiere, „dass in England eine Scharia-Institution als Mittler für das Verständnis islamischer Rechtsvorstellungen positiv tätig“ sei.

Was Mathias Rohe mit „positiv“ meint, ist in seinem Buch „Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen“ nachzulesen. Das 'Islamic Sharia Council' in Großbritannien ist für den deutschen Rechtsprofessor ein „erfolgreiches Beispiel“ für die „Vermittlung im Konfliktfall“: „Dies betrifft in erheblicher Anzahl Fälle, in denen eine muslimische Ehefrau ein englisches Scheidungsurteil erwirkt hat und nun die ‚islam-rechtliche’ Bekräftigung durch den Ehemann herbeiführen möchte.“

Einen solchen Scharia- bzw. Fiqh-Rat gibt es inzwischen auch in Deutschland, gegründet wurde er von der 'Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen'(IRH). In diesem umstrittenen Bund sind nach Erkenntnissen des Verfassungschutzes auch islamismusverdächtige oder eindeutig islamistische Vereinigungen organisiert.

Dennoch stellte Oberlandesrichter Rohe den hessischen Fiqh-Rat im März 2001 auf einer Konferenz über die „Suche nach europäisch-islamischer Identität“ an der Universität Erfurt vor. Dort sagte Rohe laut Neue Zürcher Zeitung: Der IRH-Rat für islamische Rechtsfragen arbeite „an ersten Gutachten, Fatwas“. Und in der Ankündigung zu einem Rohe-Vortrag auf dem Deutschen Orientalistentag 2001 heißt es: Anhand von drei Beispielen – u.a. das der 'Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen' – soll „gezeigt werden, wie sich eine europäische Scharia konkret entwickelt und weiterentwickeln kann“.

Deutsche Behörden scheinen schon kräftig befasst zu sein mit der europäischen Scharia. Die Frankfurter Rundschau titelte am 17. Juni 2002: „Scharia sickert durch Hintertür in deutsches Recht ein.“ Anlass war der Fall einer Marokkanerin, Mitte 20, die seit Jahren in Deutschland lebt und auch hier bleiben möchte. Doch als sie auf dem Aachener Standesamt einen Deutschen heiraten wollte, habe der Standesbeamte eine schrifliche Einwilligung des Vaters der volljährigen Frau verlangt, die von marokkanischen Behörden beglaubigt sein müsste: „Das aber taten die erst, nachdem Fatimas Verlobter zum Islam übertrat.“

Das heißt: Deutsche Behörden und deutsche Justiz handeln bereits, und dies keineswegs klammheimlich, nach der rechtsstaatliche Prinzipien verhöhnenden Scharia, die nicht nur diese eine Marokkanerin entmündigt und dem Terror der Schriftgläubigen ausliefert. Dies ist auch eine ernst zu nehmende Gefahr für alle 1,5 Millionen ausländische Musliminnen in Deutschland und ebenso für die schätzungsweise 40.000 deutschen Frauen, die zum Islam übergetreten sind.

So manche von ihnen wurde gezielt von einem – oft schon verheirateten –  Fundamentalisten geehelicht: „Durch Heirat mit einer Deutschen sichern sich Islamisten saubere Pässe, Bleiberecht und perfekte Tarnung. Für die Frauen aber kann eine solche Ehe die Hölle sein.“ (Der Spiegel)

Die gute Nachricht am Schluss: Zeit-Herausgeber Michael Naumann löste mit seinem gar zu liberalen Leitartikel über das „Kreuz mit dem Tuch“ einen vehementen Proteststurm seiner LeserInnen aus. Und die da so entschieden über eine ganze Zeit-Seite protestierten, meldeten sich nicht etwa im Namen Gottes oder Allahs zu Wort, sondern im Namen der Demokratie.

Weiterlesen
"Die Kopftuchlüge – Streit um die Lehrerin Fereshta Ludin" (EMMA 1/99)
A. Schwarzer (Hrsg.): „Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz“, (KiWi).

Richtigstellung
Wir haben in der Ausgabe 4/2002 von EMMA in dem Artikel "Muslim-Freund Möllemann & und die neuen KonvertitInnen" auch über den Erlanger Richter Prof. Rohe berichtet. In einer Bildunterschrift haben wir die Frage gestellt, ob Prof. Rohe ein verdeckter Konvertit ist. Nachdem er uns schriftlich darauf hingewiesen hat, möchten wir hiermit richtig stellen, dass sich Prof. Rohe zum evangelischen Christentum bekennt. In einer Zwischenüberschrift haben wir Richter Rohe mit den verkürzten Worten zitiert: "In Deutschland wenden wir jeden Tag die Scharia an. Wir akzeptieren selbstverständlich auch die polygame Ehe." Prof. Rohe legt Wert auf die Feststellung, dass er gegenüber der Frankfurter Rundschau das gesagt hat, was auch im Fließtext der EMMA vollständig zitiert worden war: "Wir wenden hier in Deutschland jeden Tag die Scharia an... Wenn ein Mann einreist, der in seinem Heimatland nach den islamischen Vorschriften rechtmäßig mehrere Ehefrauen geheiratet hat, akzeptieren wir diese polygame Ehe auch hier."

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