"Wir Frauen sind nicht unrein!"

Julia Klöckner pocht auf Werte wie Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit. - FOTO: picture alliance / dpa
Artikel teilen

Frau Klöckner, beim Besuch eines Flüchtlingsheims in Idar-Oberstein hat sich ein Imam geweigert, Ihnen die Hand zu geben. 
Der Imam hatte mir durch einen THW-Mitarbeiter ausrichten lassen, dass er mir beim Zusammentreffen nicht die Hand reichen würde, weil ich eine Frau bin. Also habe ich mich entschieden, auf das Gespräch zu verzichten. Ungleichbehandlung von Frauen halte ich für nicht akzeptabel, nicht in einer aufgeklärten Gesellschaft. Frauen sind weder „unrein“ noch weniger wert als Männer. Mir macht Sorge, dass der Vorbeter ein Vorbild für die Neuankömmlinge ist, sein Rollenbild der Vergangenheit wird deren zukünftiges Denken prägen oder unterstützen. So kann Integration nicht gelingen.

Und wie waren die Reaktionen?
Von Männern habe ich gemischte Reaktionen bekommen. Da gab es auch einige Journalisten, die kommentiert haben, ich solle mich nicht so anstellen, das sei ein Einzelfall. Drei Viertel aller Zuschriften aber kamen von Frauen. Von denen habe ich einen riesigen Zuspruch bekommen. Sie haben geschrieben: „Frau Klöckner, was Ihnen da passiert ist, erleben wir täglich!“ Viele Lehrerinnen haben gemailt, wie sie von Jungen aus dem muslimischen Kulturkreis nicht ernst genommen werden. Eine Schuldirektorin hat berichtet, dass Väter beim Elternsprechtag nur mit männlichen Lehrern reden wollen. Eine Maklerin, die einer Flüchtlingsfamilie eine Wohnung zeigen wollte, wurde von den Männern aufgefordert, ihren Kollegen zu schicken. Die meisten Frauen ärgert, dass man ihnen nahelegt, nicht darüber zu reden. Stellen wir uns doch mal vor, jemand gäbe einem Farbigen nicht die Hand, weil er schwarz ist. Dann würden sich alle aufregen – zu Recht!

Bekommen Sie auch Applaus von der falschen Seite?
Den Applaudierenden kann man sich leider nicht aussuchen. Fakt ist, dass im Moment auch Männer mit einem Frauenbild ins Land kommen, das nicht unserer aufgeklärten Gesellschaft entspricht. Darüber müssen wir offen reden, auch über eine Hausordnung Deutschland, die von Anfang an den Neuankömmlingen klar macht: Frauen sind gleichberechtigt, auch als Vorgesetzte zu respektieren. Homosexuelle Partnerschaften sind legal und  akzeptiert. Die Scharia ersetzt nicht das Grundgesetz.

Sie fordern eine Integrationsvereinbarung, auf die sich Asylbewerber verpflichten sollen.
Ja. Schritt 1: Wer durch die Tür Asylrecht nach Deutschland kommt, muss wissen, dass wir in diesem Haus tragende Wände haben, die wir nicht verrücken oder einreißen werden. Das sind Werte wie Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit. Wir haben darum eine solche „Hausordnung Deutschland“ in zehn Punkten zusammengefasst. Die sollte auf jedem Kopfkissen in jeder Erstaufnahmeeinrichtung, in der jeweiligen Muttersprache liegen, sie sollte allen verteilt werden, die neu hier ankommen. Schritt 2: Wer dann ein Bleiberecht hat, muss sich in einer Integrationsvereinbarung verpflichten, auch aktiv seinen Beitrag zu leisten. Zum Beispiel dazu, Sprach- und Integrationskurse zu belegen. Oder dazu, Lehrerinnen zu respektieren und seine Töchter zum Sportunterricht zu schicken. Und bei Nichteinhaltung folgen Sanktionen. Auch das sollte in  einem Integrationsgesetz stehen. 

Was passiert, wenn zum Beispiel ein Familienvater erklärt, dass seine Frau nicht zum Sprachkurs gehen kann, weil sie sich um die Kinder kümmern muss? 
Bei uns ist es üblich, dass auch Väter nach den Kindern schauen, auch das kann man lernen. Frauen wie Männern müssen wir klar machen, dass Frauen bei uns das gleiche Recht auf Sprache und Bildung wie Männer haben. Haben Sie mit diesen Forderungen Rückhalt in Ihrer Partei? Ich bekomme sehr viel Zustimmung und habe mich auch mit der Kanzlerin dazu ausgetauscht. In Rheinland-Pfalz lehnt die rotgrüne Koalition den Vorschlag ab.  Aber ich bin ja schon froh darüber, dass wir inzwischen Probleme benennen können, über die man vor einem halben Jahr noch gar nicht hätte reden dürfen. Und wir werden jetzt eine Initiative starten, damit der Stein ins Rollen kommt.

Sie fordern schon länger ein Burka-Verbot. Bestärkt Sie die aktuelle Debatte darin?
Ja und nein. Auch wenn wir keine Flüchtlinge in dieser Vielzahl hätten, bleibt es ein Thema. Auch wenn einige sagen, es seien doch so wenige. Das kann ich nicht gelten lassen. Nicht die Quantität der Betroffenen entscheidet bei uns über die Qualität des Frauenbildes. Wenn wir rechtssystematisch immer so argumentieren würden, müssten wir einige unserer Gesetze über Bord werfen! Auch das Argument der so genannten „Freiwilligkeit“ finde ich absurd. Außerdem: Eine vollverschleierte Frau wirkt auch auf die Gesellschaft. Sie dokumentiert damit, dass sie mit der Außenwelt nichts zu tun haben will oder darf. In einer freien, offenen Gesellschaft dürfen wir die Vollverschleierung von Frauen nicht akzeptieren!

Artikel teilen
 
Zur Startseite