Sieg der KlimaSeniorinnen!

Die KlimaSeniorinnen nach der Urteilsverkündung. Foto: imago images
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Überglücklich liegen sich Rosmarie Wydler-Wälti (hier ihr Porträt) und ihre Mitstreiterinnen in den Armen. Die Schweizer KlimaSeniorinnen haben es tatsächlich geschafft! Sie haben ihr eigenes Land verklagt und zwingen die Schweiz nun, gerade ältere Frauen besser vor Hitze zu schützen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat am Dienstag das Urteil zur Klage der Klimaseniorinnen gesprochen. Das Gericht befindet, dass die Schweizer Regierung durch das Verfehlen früherer Emissionsreduktionsziele Menschenrechte verletzt hat. Außerdem hat das Gericht eine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und 6 (Zugang zum Gericht) der Menschenrechtskonvention festgestellt.

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Geht doch ins Pflegeheim, backt lieber Kuchen oder kümmert euch um eure Enkel!

Die von Greenpeace initiierte Gruppe älterer Frauen wollte mit der Klage erreichen, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen stärker reduzieren muss. Die Frauen sahen sich durch mangelnde Klimaschutzmaßnahmen in ihrem Recht auf Leben verletzt.

„Geht doch ins Pflegeheim oder backt Kuchen und kümmert euch um eure Enkelkinder!“ schallte es Rosmarie Wydler-Wälti und Mitstreiterinnen entgegen, als sie 2016 erstmals Klage einreichten bei der Schweizer Regierung. 2.500 Frauen hatten geklagt, alle im Rentenalter. Nachdem sämtliche Instanzen in Bern die Frauen abgewiesen hatten, zogen sie in Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Denn das Recht auf Leben und Gesundheit ist nicht nur in der Schweizer Verfassung, sondern auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert.

Die Präsidentinnen der Klimaseniorinnen Anne Mahrer (li.) und Rosmarie Wydler-Wälti. Foto: Imago images
Die Präsidentinnen der Klimaseniorinnen Anne Mahrer (li.) und Rosmarie Wydler-Wälti. Foto: Imago images

Der EU-Gerichtshof nahm sich 2023 der Klage an und machte damit die Schweizer „KlimaSeniorinnen“ ad-hoc international bekannt. Heute lacht niemand mehr über sie. Nun haben die KlimaSeniorinnen nichts Geringeres als ein Menschenrecht auf Klimaschutz erstritten.

Die Idee zur Klage stammt nicht von den Frauen selbst, sondern von Greenpeace Schweiz. Die Umweltorganisation hat nach der vulnerabelsten Gruppe ihres Landes gesucht, die vom Klimawandel betroffen und damit klageberechtigt ist. Und das sind in großer Mehrheit Frauen ab 75 Jahren. Sie leiden am stärksten unter den Hitzewellen und haben oft weniger Geld als gleichaltrige Männer zur Verfügung – alles Risikofaktoren für hitzebedingte Sterblichkeit. In den Hitzesommern 2003 und 2022 starben in Europa jeweils um die 70.000 ältere Menschen. Drei von vieren davon waren weiblich.

Das Urteil hat Signalwirkung für strengere Vorgaben beim Klimaschutz

Das Urteil, gegen das keine Berufung eingelegt werden kann, zwingt die Regierung in Bern dazu, bessere Maßnahmen zur Emissionsreduzierung zu ergreifen, einschließlich einer Überarbeitung ihrer Emissionsreduzierungsziele für 2030. Das Urteil stellt zum ersten Mal die Verbindung zwischen den Grundrechten und der Klimaveränderung her.

Die Richter haben klar gezeigt, dass sie die Ansicht vertreten, dass das Klima und die Gesundheit besser geschützt werden müssen. Sie überlassen der Schweiz die Wahl der Mittel dazu. Das Urteil schreibt dem Bund nicht vor, was er konkret tun muss, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Über die konkreten Maßnahmen muss nun in der Schweiz diskutiert werden.

Der EGMR gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Im Europarat sitzen die EU-Staaten, aber auch andere Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Das Urteil dürfte also eine Signalwirkung für strengere Vorgaben beim Klimaschutz haben. Rosmarie Wydler-Wälti: „Das haben wir uns erkämpft! Aber letztlich ist es für uns alle.“

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