Kritik an der Pille? Einspruch!

Pille? Hormonpflaster? Spirale? Enthaltung?
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Ich bin erschüttert über den Artikel „Bittere Pille". Ich arbeite seit 36 Jahren in einer gynäkologischen Praxis, in der auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, bin also mit diesem vielschichtigen Thema sowohl beruflich, als auch als Frau und Mutter von Töchtern bestens vertraut.

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Es fängt schon damit an, dass die Autorin ihre Erfahrungen mit der Pille als junges Mädchen so darstellt, als ob die Frauenärztin ihr die Pille gegen ihren Willen aufgenötigt und sie damit schleichend vergiftet hätte. Hat sie das damals auch so empfunden? Oder überwog nicht doch die Erleichterung darüber, Sexualität ohne Angst vor unerwünschter Schwangerschaft ausprobieren und erleben zu können? Hatte sie selber diese unerwünschten Wirkungen oder hat sie nur darüber gehört oder gelesen und dann die Pille abgesetzt, ohne mit ihrer Ärztin, das Für und Wider für sich persönlich abzuwägen?

Will frau immer wieder den Nervenkitzel mit der Pille danach?

Das Risiko, eine Thrombose zu bekommen (sicherlich eine schwerwiegende Erkrankung), ist vor allem genetisch bedingt und beträgt ganz ohne Pille 4:10.000, erhöht sich im ersten halben Jahr der Einnahme auf 8:10.000 und geht danach wieder auf das Grundrisiko von 4:10.000 zurück. Es wirkt sich also eher negativ aus, wenn man immer wieder absetzt und dann wieder neu anfängt. Zum Vergleich: das entsprechende Risiko einer Thrombose bei der Schwangerschaft beträgt 29:10.000! Sollte man deshalb jeder Frau von einer Schwangerschaft abraten?

Ist bezüglich Gewichtszunahme, Libidoverlust und Depressionen einmal nachgehakt worden, ob eventuell auch andere Ursachen dahinter stecken könnten? Zum Beispiel das Gefühl, ausgenutzt zu werden? Wenn man die Pille nach dem Wecker einnimmt und sich so zu ihrer Sklavin macht, braucht man sich über Pillenmüdigkeit nicht zu wundern. Bei einem Zeitfenster für die Pilleneinnahme von zwölf Stunden ist es viel einfacher, diese ganz selbstverständlich in den eigenen Lebensrhythmus einzubauen, wie man/frau das mit dem täglichen Zähneputzen schließlich auch macht.

Nüchtern betrachtet wiegen die Unannehmlichkeiten durch die Pille die körperlichen und seelischen Belastungen durch die Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft keineswegs auf. Will frau diesen „Nervenkitzel“ mit immer wieder „Pille danach“ und Schwangerschaftstest wirklich?

Hört endlich auf, die Pille so pauschal zu verteufeln! Hormone sind keine Gifte, sondern Botenstoffe, die der weibliche Körper meistens selber bildet und die bestimmte Vorgänge steuern. Die Pille simuliert einen durchaus natürlichen Zustand, nämlich dass Frauen schwanger werden und stillen (10 bis 15 mal im Leben) und in dieser Zeit die eigene Hormonproduktion herunterreguliert ist.

Auch hormonfreie Verhütungsmethoden sind nicht harmlos

Da in unserer Gesellschaft die Frauen erst viele Jahre nach der Geschlechtsreife Kinder bekommen und auch nicht mehr so viele, haben auch die Fehlsteuerungen wie Zystenbildung, Dysmenorrhoe und die Volkskrankheit Endometriose drastisch zugenommen. Dass die Pille diese Fehlsteuerungen bei sehr niedriger Dosis positiv beeinflusst, erwähnt die Autorin mit keinem Wort. Die Weiterentwicklungen der Darreichungsart in Form von Verhütungsring oder Verhütungspflaster, die vor allem die Anwendungssicherheit verbessern und die Leber entlasten, ebenso wenig.

Die hormonfreien Verhütungsmethoden, von denen sie bei weitem nicht alle erwähnt, sind auch nicht alle harmlos, was sie ja mit ihrer Kupferspirale sehr dramatisch selbst erlebt hat. Eher wäre das zehnmal höhere Risiko einer Eileiterschwangerschaft bei Schwermetallanwendungen in der Gebärmutter zu erwähnen.

Es ist wohl auch keine wirkliche Lösung des Problems, wenn wir Frauen uns wieder auf die Männer verlassen müssten. Die werden eben nicht selber schwanger, mit all den Folgen. Auch deshalb haben sie nicht so ein vitales Interesse an der Empfängnisregelung. Die Freiheit der eigenen Entscheidung, ob überhaupt, wann und von wem wir Kinder bekommen, sollten wir Frauen uns nicht mehr nehmen lassen.

Monika Hostenkamp, Freiburg

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