Küssen im Café Prückel verboten?

Anastasia Lopez (links) und Eva Prewein erhielten wg. Küssen Lokalverbot. ©Kurier/Jeff Mangione
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Ausgerechnet im Prückel. Und ausgerechnet im Conchita-Land. Das Prückel ist ein traditioneller Treff für Emigranten. Und Österreich war der spektakuläre Song-Contest-Sieger 2014 dank Conchita Wurst. Aber so ganz scheint dieser liberale Geist noch nicht zu allen ÖsterreicherInnen durchgedrungen zu sein. Sonst hätte das nicht passieren können.

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Ein harmloses Busserl? Ein leidenschaft-
licher Kuss?

Anastasia und Eva waren im Prückel verabredet und begrüßten sich mit einem Kuss. Ob das nun ein harmloses Busserl war oder ein leidenschaftlicher Kuss, darüber streiten sich noch die Geister. Es sei vermutlich „a solider Zungenpitschler“ gewesen, kritisierte Toni Mahdalik, Sprecher der rechtskonservativen FPÖ. 

Folge des Begrüßungskusses war auf jeden Fall, dass die beiden jungen Frauen eine Stunde lang nicht bedient wurden. Als sie dann nach der Geschäftsführerin fragten, erklärte die, „es wäre eine Anweisung von ihr". Und sie meinte, solche Andersartigkeiten gehören ins Puff und nicht in ihr Traditionskaffeehaus. Es folgte ein Lokalverweis.

Geschäftsführerin Christl Sedlar steht zu ihrem Verhalten. Dem Kurier sagte sie: „Schmusen, das brauch ich nicht. Ich bin ein Alt-Wiener Kaffeehaus und will das nicht haben.“

Sehr enttäuscht waren die beiden jungen Frauen auch darüber, dass sich keiner der Gäste eingemischt hat. „Niemand ist da für uns eingestanden“, klagt Anastasia. Also setzten die beiden ihre Diskriminierung auf Facebook – und dann ging die Post ab.

Protest gegen das Kussverbot mit Kiss-In,
am 16. Januar
um 17 Uhr

Das Kussverbot für Frauen im Prückel erregte internationales mediales Aufsehen. Und national wird von mehreren Organisationen jetzt zum Protest aufgerufen: Kiss-In am Freitag um 17 Uhr vor dem Prückel! Schon jetzt haben sich über siebentausend angemeldet.

Die Sprecherin von Queeramnesty, Mariam Vedadinejad, nahm den Vorfall zum Anlass, auf eine Gesetzeslücke aufmerksam zu machen, gegen die Betroffene schon lange protestieren. In Österreich ist zwar die Diskriminierung wg. Sexueller Orientierung im Beruf verboten, „der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen“ jedoch sei nicht rechtlich geschützt für Minderheiten.

Inzwischen hat sich auch „Wien Tourismus“ zu Wort gemeldet und zeigt sich bestürzt. „Wir finden es beschämend für die Weltstadt Wien, dass es Anbieter gibt, die sich so verhalten“, erklärte Sprecherin Vera Schweder. „Ich persönlich schäme mich für das Kaffeehaus.“ Es steht nicht gut um den Ruf vom Prückel.

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Infos zum Kiss-In auf Facebook 
#prückel

 

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Ask Alice!

Ask Alice: Homophobie - wie dagegen angehen?

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Lieber Christian,

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du bist sehr bewusst und stark in deinen Argumenten gegen Voreingenommenheit und Diskriminierung. Darum meine ich, gerade du solltest dich nicht verweigern! Du solltest die Übung doch machen - oder aber auf jeden Fall zur nächsten Sitzung gehen.

Du bist 30 Jahre alt, also 1984 geboren. Nur elf Jahre vorher ist der §175 gestrichen worden, der männliche Homosexualität mit Gefängnis bestrafte. (Die weibliche wurde so ignoriert, dass man sie noch nicht einmal einer Strafe für würdig hielt.) Und bis heute gibt es viele Länder auf der Welt, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Das sind vor allem die Länder, die von fanatischen Islamisten beherrscht werden, aber nicht nur.

Die Menschen, für die es selbstverständlich war, dass Homosexualität auch in Deutschland ein Verbrechen war, leben noch. Sie sind heute erst 60, 70, 80 Jahre alt. Und sie haben mit ihren Ansichten ihre Kinder und Kindeskinder geprägt.

Was ich sagen will, ist: Die Freiheit des sexuellen Begehrens und die Erkenntnis, dass die Sexualität eines Menschen nur ein Faktor von vielen ist, der ihn definiert, sind relativ neu. Und hart erkämpft von der Frauenbewegung und der Homosexuellenbewegung. Dir scheint es verständlicherweise lang, aber in der Entwicklung der Menschheit ist es ein Wimpernschlag. Wir dürfen also nicht erstaunt sein, dass die alten Voreingenommenheiten und Klischees noch lebendig sind.

Du, Christian, hast offensichtlich das Privileg, ungebrochen und selbstbewusst homosexuell sein zu können. Nutze es!

Rede mit den anderen! Versuche, sie zu überzeugen! Und wenn das wirklich vergeblich ist oder die/der andere echt diskriminierend ist, sei gewiss: DU bist im Recht.

Ich wünsche dir Kraft!

Herzlich
Alice Schwarzer

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