Mette Frederiksen: Die Konsequente

Die Sozialdemokratin Mette Frederiksen siegte in Dänemark. - Foto: Ole Jensen/Getty Images
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Es ist gar nichts faul im Staate Dänemark! Im Gegenteil. Während die deutschen SozialdemokratInnen auf einer scheinbar unaufhaltsamen Talfahrt sind, hat ihre Schwesterpartei im Norden Anfang Juni die Parlamentswahlen gewonnen. Die „Socialdemokratiet“ ist die neue Regierungschefin: Mette Frederiksen. Die 42-Jährige ist die zweite Frau auf ­diesem Posten, der jüngste Ministerpräsident Dänemarks – und die erste alleinerziehende Mutter.

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"Linke" Sozialpolitik
und "rechte"
Einwanderungs-
politik?

Frederiksens „roter Block“ (aus insgesamt fünf Parteien) regiert mit einer für Dänemark nicht unüblichen Minderheitenregierung.

Die Tochter einer Lehrerin und eines Druckers hatte schon in der Vergangenheit eine erstaunliche politische Karriere hingelegt. Diese Wahl hat die Politikerin jedoch aus einem anderen Grund gewonnen: „Weil sie das Thema Migration endlich richtig anpackt“, so der Tenor der dänischen Medien.

Schon lange brodelt es im Volk der Dänen, spätestens seit die Tageszeitung Jyllands-Posten 2006 zwölf Mohammed-Karikaturen veröffentlichte und damit einen weltweiten Skandal auslöste. Mehrere Zeichner erhielten Todesdrohungen, der Karikaturist Kurt Westergaard wurde in seinem Haus überfallen und entkam dem Mordanschlag nur knapp. In der ganzen Welt verbrannten „gekränkte“ funda­men­ta­lis­tische Muslime die dänische Flagge und zündeten Botschaften an. EMMA war dann international eine der sehr raren Zeitungen, die aus Solidarität die Karikatur von Kurt Westergaard nachdruckte. Dennoch gibt es in Dänemark bis heute sehr liberale Gesetze, die es Extremisten leicht machen.

Die Sozialdemokratin Frederiksen zog daraus Konsequenzen. Sie steht für eine „linke“ Sozialpolitik und eine so genannte „rechte“ Einwanderungspolitik: schnelle Abschiebungen von Illegalen, Einschränkung beim Familiennachzug sowie „eine Obergrenze für nichtwestliche Einwanderer“. Auch sollten diese 37 Stunden in der Woche arbeiten, wenn sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Und auch das schon vom bisherigen mitte-rechts Ministerpräsidenten Rasmussen beschlossene Burka-Verbot unterstützt die Regierungschefin in spe.

Frederiksens Prinzip: Die Einwanderung begrenzen, gleichzeitig mehr Geld in Schulen und Sozialleistungen investieren und dafür Konzerne und Reiche höher besteuern. Mit diesem Programm hat die Sozialdemokratin der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei nun das Wasser abgraben, die stürzte von 21 auf 8,7 Prozent.

Sie sei selber in einem Arbeiterviertel aufgewachsen und ihr sei klar geworden, dass „die unteren Schichten den Preis für ungezügelte Globalisierung, Masseneinwanderung und Arbeitnehmer-Freizügigkeit bezahlen“. Das habe Folgen: „Wir haben die Sorgen unserer BürgerInnen über die negativen Folgen der Einwanderung zu lange übersehen.“

Einst galt die studierte Juristin als politisches Wunderkind des linken Flügels, sie kritisierte eine zu harte Abschottungspolitik. Ab 2011, als Arbeits- und später Justizministerin unter Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt, änderte sie ihren Kurs. Ihren Kritikern erwidert sie, sie sei keine „rechte“, sondern eine „traditionelle Sozialdemokratin“.

Ihre Biografie könnte in der Tat „traditioneller“ nicht sein.

Ihre Biografie könnte in der Tat „traditioneller“ nicht sein: Sie ist 1977 in Aalborg, im Norden Jütlands geboren, ihre Familie war in der dritten Generation in der Arbeiterbewegung engagiert. Am Küchentisch wurde heiß über Entlassungen oder hohe Mieten diskutiert. Als die kleine Mette nach einem Armbruch im Krankenhaus lag, bekam sie keinen Teddy geschenkt, sondern „So grün war mein Tal“, einen Roman über Arbeiterschicksale in Wales.

Als Teenager engagierte Mette sich für Südafrika, den Regenwald und die Rettung eines Pottwals namens Jens. Mit 15 trat sie der Jugendorganisation der Sozialdemokraten bei, mit 24 wurde sie jüngste Abgeordnete und scheute sich nicht, gegen die Parteilinie aufzumucken. Als erstes wollte sie die Bestrafung von Freiern nach dem Schwedischen Modell durchsetzen, scheiterte aber an ihren GenossInnen. Heute lebt die geschiedene Mutter zweier Kinder mit einem Fotografen zusammen. Seit 2015 ist sie Parteivorsitzende. Und jetzt also Ministerpräsidentin. Hjertelig til lykke!

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