Bald ist Muttertag!

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Schenken Sie Ihrer Mutter auch Blumen zum Muttertag? Natürlich, ist doch ein uralter Brauch. Irrtum. Den Muttertag kennt man in Deutschland erst seit 1923, dank des Verbandes Deutscher Blumengeschäftsinhaber. Er hatte die Idee aus Amerika importiert, wo man seit 1914 den ‚Mother’s Day‘ als Staatsfeiertag beging. So richtig zu Ehren kam der Muttertag in Deutschland allerdings erst zur Zeit der Hitler-Diktatur. Seit dem Kriegsjahr 1939 wurde er mit der Verleihung von 'Mutterkreuzen' an brave deutsche Mütter gekrönt, die dem Führer zahlreiche arische Söhne und Töchter schenkten.

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Zu Ehren kam der Muttertag in Deutschland zur Zeit der Hitler-Diktatur

In der Weimarer Republik begann der Werbefeldzug der Blumenhändler für den deutschen Muttertag erste Blüten zu treiben. Ein "zu starkes Hervortreten der Blumengeschäftsinhaber", darüber war sich ihr Verband im Klaren gewesen, würde der Muttertagsidee "nicht zum Vorteil" gereichen. Deshalb hatte er nach "irgendeiner gemeinnützigen Gesellschaft" gesucht, mit der sich die Idee von "neutraler Stelle" aus verbreiten ließ. Diese fand sich in der Arbeitsgemeinschaft der Volksgesundung, einer 1919 gegründeten Vereinigung, die sich "volkserzieherisch im Sinne geistiger Erneuerung und körperlicher Ertüchtigung unter besonderer Berücksichtigung bevölkerungspolitischer Bestrebungen" betätigte. Ihr gehörten Vertreter staatlicher Behörden, der Kirchen und freien Wohlfahrtsverbände an.

Die treibende Kraft in der Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundheit, Geschäftsführer Hans Harmsen, war gleichzeitig auch als Mitglied des Centralausschusses der Inneren Mission, Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Evangelischen Krankenanstalten und als Vorsitzender der von ihm initiierten Evangelischen Fachkonferenz für Eugenik tätig. Harmsen sah im Muttertag eine "überaus günstige Möglichkeit", die Ziele des Verbandes auch jenen Kreisen näherzubringen, die bisher dafür nicht zugänglich waren.

Dabei ging es nicht nur um erhöhte Kinderproduktion der Deutschen, sondern auch darum, "die Gesamtheit des Volkes von schädlichen Erbmassen" zu befreien. So sollte die Kinderzahl in den "erbbiologisch hochstehenden, sozial leistungsfähigen Schichten" auch deshalb besonders groß sein, um den Kinderreichtum der "untüchtigen, minderwertigen Bevölkerungsgruppen" auszugleichen.

Die Propaganda für den Muttertag war mit einer klaren Definition der Frauenrolle verbunden. Der "wahre Frauenberuf" bestehe darin, "an der Seite des Mannes Priesterin an seinem Herde und Mutter seiner Kinderschar" zu sein, proklamierte die Arbeitsgemeinschaft in einer Denkschrift von 1927. Gleichzeitig agitierte sie heftig gegen Abtreibung und sexuelle Freizügigkeit. Gerade in den Jahren von 1929 bis 1932, als die Bewegung gegen den Paragraphen 218 ihren Höhepunkt erreichte, wurde die Muttertagspropaganda intensiviert.

Außerdem warben neben der Arbeitsgemeinschaft weiterhin die Blumengeschäfte für den scheinbar unpolitischen Muttertag. Die Zusammenarbeit von Blumengeschäften und Bevölkerungspolitikern war ebenso unauffällig wie effektiv: Die Arbeitsgemeinschaft kaschierte das Interesse der Blumenhändler, und diese wiederum verdeckten das ideologische Anliegen der Arbeitsgemeinschaft. Der Muttertag begann, sich als Tradition im öffentlichen Bewusstsein festzusetzen, und der Blumenverkauf florierte.

Kaum waren die Nazis an der Macht, da bestimmten sie auch schon den zweiten Mai-Sonntag zum "Ehrentag der deutschen Mutter". Er wird Bestandteil des national­sozialistischen Feierkalenders, zu dem auch der „Geburtstag des Führers“ oder der "Tag der Machtergreifung" gehören. Jetzt werden im ganzen Land Muttertagsfeiern veranstaltet, auch an den Schulen, die aus diesem Anlass von Nazi-Dichtern verfasste Weihespiele, Sprechchöre und Szenen aufführen lassen.

Da sollen Mädchen und Jungen der „Heldin des Tages, der deutschen Mutter, den Schwur der Jugend“ darbringen. Die Jungen versprechen, die „Erde fruchtbar zu halten“ und das „Mutterland zu schützen“. Die Mädchen erklären, „unsere Kräfte ruhen in der Stille, in unserem Blute warm und tief“. In einer anderen Szene heißt es: „Der Jüngling strebt nach Taten – und nach Liebe. Das Mädchen strebt halb ahnungsvoll, halb bewusst – nun selber nach dem Mütterlichen. Es schließt sich dem Mann an und wird selber Mutter.“

Hitler selbst erläuterte die Aufgabe der Frauen im Nazi-Männerstaat immer wieder, so 1934 vor der ‚Reichsfrauenschaft‘: „Das Wort von der Frauenemanzipation ist nur ein vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort. (...) Wir empfinden es nicht als richtig, wenn das Weib in die Welt des Mannes, in sein Hauptgebiet eindringt, sondern wir empfinden es als natürlich, wenn diese beiden Welten geschieden bleiben. (...) Was der Mann einsetzt an Heldenmut auf dem Schlachtfeld, setzt die Frau ein in ewig geduldiger Hingabe, in ewig geduldigem Leiden und Ertragen. Jedes Kind, das sie zur Welt bringt, ist eine Schlacht, die sie besteht für Sein oder Nichtsein ihres Volkes, und beide müssen sich deshalb auch gegenseitig schätzen und achten, wenn sie sehen, dass jeder Teil die Aufgabe vollbringt, die ihm Natur und Vorsehung zugewiesen hat.“

Unterschwellig suggerierte Hitler sogar, Frauen seien eigentlich die besseren Menschen, weil sie sich beständig aufzuopfern hätten, während das Männeropfer nur im Krieg verlangt würde. So beschrieb auch die BDM-Führung das weibliche Leitbild: „Diese Frauen streben nicht nach Posten und Stellungen, sie beanspruchen keine ‚Rechte‘ außer dem des Dienendürfens und dem Recht, Pflichten auferlegt zu bekommen.“

Dinge, die dem Mann gehören, müssen auch dem Mann bleiben

Joseph Goebbels erklärte 1933 den Ausschluss der Frauen aus der „unmittelbaren Tagespolitik“: „Nicht, weil wir in der Frau etwas Minderwertiges, sondern weil wir in ihr und ihrer Mission etwas Anderwertiges sehen... Dinge, die dem Mann gehören, müssen auch dem Mann bleiben. Dazu gehört die Politik und die Wehr.“

Die verlogene Propaganda für eine angeblich moderne, tatsächlich aber reaktionäre Frauenpolitik war um so wirkungsvoller, als die klassische Rollenverteilung für einen erheblichen Teil der Bevölkerung, insbesondere den bürgerlichen Mittelstand, Lebensrealität war und diese Verhältnisse nicht nur positiv bestätigt, sondern geradezu verklärt wurden. Wie berechnend die frauenpolitische Propaganda war, enthüllte die einzige hochrangige NS-Politikerin, ‚Reichsfrauenführerin‘ Gertrud Scholtz-Klink, 1981 bei einem Gespräch mit der amerikanischen Historikerin Claudia Koonz: „Ihr jungen Frauen meint doch, ihr könnt den normalen Hausfrauen erzählen, sie hätten ihr Leben vergeudet... Lasst euch eins von mir sagen: Ihr müsst dort ansetzen, wo ihr Leben stattfindet – sie in ihren Entscheidungen bestärken, ihre Leistungen loben. In Küche und Kinderzimmer anfangen. Das haben wir getan.“

Lob und Ehre reichten allerdings nicht aus, um die erwerbstätigen Frauen – immerhin ein Drittel der berufstätigen Bevölkerung – wieder an den Herd zu bringen und zur erhöhten Kinderproduktion zu veranlassen. Doch die Nazis wollten gerade in den ersten Jahren ihrer Herrschaft unbedingt die weibliche Berufstätigkeit zurückdrängen, hatten sie doch mit ihren Kampagnen gegen die sogenannten Doppelverdiener ihren Wählern versprochen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ein Sündenbockrezept, das auch heute noch gerne von konservativen Politikern propagiert wird.   

Ein Gesetz vom 30. Juni 1933 schrieb die Entlassung verheirateter Beamtinnen vor, wenn das Einkommen des Mannes zum Lebensunterhalt ausreichte. Es ermöglichte außerdem, Frauen in niedrigere Besoldungsstufen einzureihen und wegen „dienstlicher Bedürfnisse“ Beamtinnen von leitenden Stellen zu entfernen. Was auch geschah: Allein im vormals sozialdemokratisch regierten Preußen ging von 1933 bis 1939 die Zahl der Direktorinnen an höheren Mädchenschulen um zwei Drittel zurück!

Die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung ordnete im August 1933 an, bei Neueinstellungen Männer vorzuziehen, auch um die „immer zäher und unverblümter auftretenden Ansprüche der Frauenemanzipation zurückzudrängen“. Seit Sommer 1933 wurde heiratswilligen Paaren „deutscher Abstammung“ mit „politisch einwandfreier Haltung“ sowie „körperlicher und erblicher Gesundheit“ ein zinsloses Darlehen bis zu tausend Mark gewährt, sofern die künftige Ehefrau ihre Berufstätigkeit aufgab. Für jedes Kind, das in der Ehe geboren wurde, brauchte ein Viertel der Summe nicht mehr zurückgezahlt werden.

Reichsinnenminister Wilhelm Frick verfügte im Dezember 1933, die Zahl der Studienanfängerinnen pro Jahr auf zehn Prozent aller neu immatrikulierten Studenten zu begrenzen. Von den 10.000 Abiturientinnen des Jahres 1934 konnten nur 1.500 ein Studium aufnehmen. Die Gesamtzahl der Studentinnen sank bis 1939 auf unter 6.000 – weniger als ein Drittel des Standes von 1932!

Mit einer neuen Zulassungsordnung für Kassenärzte wurde seit 1934 verheirateten Ärztinnen, deren Männer „genügend“ verdienten, die Zulassung entzogen. Bei der Zulassungsbewilligung hatten Frauen grundsätzlich hinter Männern zurückzustehen. Die Krankenhäuser wurden von den Behörden angewiesen, keine weiblichen Ärzte einzustellen. Offen standen ihnen dagegen Posten in Alters- und Pflegeheimen.

Seit 1935 musste der Stundenplan jeder Mädchenklasse in den höheren Schulen zwei Stunden Handarbeit in der Woche enthalten: dafür mussten eine Stunde Englisch und eine Stunde Mathematik ausfallen.

Im August 1936 verfügte Hitler, „dass Frauen weder Richter noch Anwalt werden sollen. Juristinnen können deshalb im Staatsdienst nur noch in der Verwaltung verwandt werden.“

Von dieser gelungenen Zurückdrängung der Frauen aus gehobenen Positionen profitierten Männer: nur fiel das Ergebnis arbeitsmarktpolitisch nicht sonderlich ins Gewicht, weil Frauen in solchen Stellungen gesamtwirtschaftlich noch eine absolute Minderheit darstellten. Das große Heer der berufstätigen Frauen machten Arbeiterinnen, mithelfende Familienangehörige sowie kleine Angestellte aus, die finanziell weitgehend auf das „Doppelverdienertum“ angewiesen waren.

Das Regime sah sich aber ohnehin gezwungen, bei der Berufstätigkeit von Frauen nach wenigen Jahren umzudisponieren. Die Konjunktur, angekurbelt durch die staatliche Rüstungspolitik, verlangte nach Arbeitskräften, und die Unternehmen bevorzugten billigere Beschäftigte – Arbeiterinnen erhielten nur 70 Prozent des Männerlohns. Deshalb wurden im Oktober 1937 auch die Bestimmungen für das Ehestandsdarlehen geändert: Die angehende Ehefrau brauchte ihre Berufstätigkeit nicht mehr aufzugeben.

Im Krieg mussten Frauen zwangsläufig mehr und mehr Männer im Arbeitsleben ersetzen. Hitler fiel es freilich schwer, die frauenpolitischen Ziele den kriegsbedingten Notwendigkeiten unterzuordnen. So lehnte er noch 1944, als bereits mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen Frauen waren, einen Vorschlag der Deutschen Arbeitsfront ab, die Frauenlöhne zu erhöhen, um die Arbeitsleistung zu verbessern: „Wollte man die Löhne der Frauen denen der Männer gleichstellen, käme man in einen völligen Gegensatz zum nationalsozialistischen Prinzip der Aufrechterhaltung der Volksgemeinschaft“, erklärte er bei einer Besprechung im Führerhauptquartier.

Der Krieg zwang die Nazi-Führungsspitze aber auch, gerade den Bereich in breitem Umfang wieder Frauen zu öffnen, den sie am konsequentesten beschnitten hatte: die Universitäten und die akademischen Berufe. Wie es in einem Vermerk der Reichskanzlei vom 2. Januar 1943 hieß, sollten „wenigstens Frauen“ die wissenschaftlichen Aufgaben wahrnehmen, „bis männlicher Nachwuchs wieder in ausreichendem Maße vorhanden“ sei.

Anstelle des Studiums, sollten Frauen „lieber dem Führer ein Kind schenken"

Diese aus der Not geborene Entwicklung wurde keineswegs immer von den Parteifunktionären mitgetragen. Drastisch bekundete dies der Münchner Gauleiter Paul Giesler im Januar 1943 vor Studentinnen. Anstelle des Studiums, so forderte er, sollten sie „lieber dem Führer ein Kind schenken“, am besten in jedem Universitätsjahr ein „Zeugnis in Form eines Sohnes“ (!) vorlegen, und „wenn einige Mädels nicht hübsch genug sind, einen Freund zu finden, würde ich gern jeder einen von meinen Adjutanten zuweisen, und ich kann ihr ein erfreuliches Ergebnis versprechen“.

Der Krieg machte die „rassereine“ Nachwuchsproduktion noch wichtiger. In diesem Zusammenhang ist auch die ‚Stiftung des Ehrenkreuzes der deutschen Mutter‘ zu sehen, die Hitler Weihnachten 1938 dem deutschen Volk verkünden ließ.

Das Mutterkreuz, das erstmalig am Muttertag 1939 verliehen wurde, gab es in drei Stufen: in Bronze ab vier, in Silber ab sechs und in Gold ab acht Kindern. Allerdings reichte Kinderreichtum allein keineswegs aus, um als „deutsche Mutter“ geehrt zu werden. Erste und wichtigste Voraussetzung, um dafür von den Nazis „ausgelesen“ zu werden, war die „Deutschblütigkeit“.

Wie man einem „Merkblatt für die Auslese“, das 1939 von der NS-Parteikanzlei für Verwaltungen und Parteistellen herausgegeben wurde, entnehmen kann, durfte die Mutter nicht „unwürdig“ sein und nicht aus „erbkranken“ und „asozialen“ Familien stammen. Als „unwürdig“ wurden Frauen eingestuft, die schon einmal wegen Abtreibung bestraft worden waren. Als „Erbkrankheiten“ galten den Nazis „Schwachsinn, Schizophrenie, manisch-depressives Syndrom, Veitstanz, Epilepsie, Blindheit, Taubheit, Stummheit, schwerer Alkoholismus, auffallende körperliche Missbildungen sowie gefährliche moralische Kriminalität“.

Als asozial galten zum Beispiel „Landesverräter, Rassenschänder, Arbeitsscheue, sexuell Hemmungslose, gewohnheitsmäßige Schmarotzer, Prostituierte, Süchtige“ und wiederum wegen Abtreibung Vorbestrafte.

Da Millionen deutscher Frauen das „Ehrenkreuz“ erhielten – auch die Seniorinnen – entstand für jene abgelehnten Mütter, deren Familien dem Regime nicht kritisch gegenüberstanden, erheblicher sozialpsychologischer Druck. Irmgard Weyrather hat in ihrer quellenmäßig gut belegten Untersuchung „Muttertag und Mutterkreuz. Der Kult um die ‚deutsche Mutter‘ im Nationalsozialismus“ plastische Beispiele für die durchaus beabsichtigte Wirkung des „Aussortierens“ genannt, so den einer 79jährigen Frau, deren Enkel alle in der Hitlerjugend waren. Sie schrieb an Hitler: „Mein Führer, ich bin nun so unglücklich, dass ich als alte Frau vor meinen Enkelkindern, die immer fragen, warum hat die Oma nicht das Kreuz bekommen, dass ich die Augen niederschlagen muss.“

Die ebenso lächerlichen wie menschenverachtenden Kriterien für das Mutterkreuz – in der Bevölkerung treffend „Kaninchenorden“ genannt – prägten eine, wenn nicht mehrere Frauengenerationen: Hinter der verheißungsvollen Mutter-Ehrungskampagne lauerte stets die Gefahr, von der propagierten, aber gegen jede Frau im Einzelfall auch noch vom untersten Parteifunktionär auslegbaren Anforderungsnorm der „guten deutschen Mutter“ abzuweichen. „Unwürdig“ oder „asozial“ wollte keine Frau sein.

Die abgelehnten Mutterkreuzanträge wanderten in die „Erbkarteien“ der Gesundheitsämter, von denen Zwangssterilisation, Deportation und Mord bürokratisch vorbereitet wurden. Die unterschwellige Angst, aus irgendeinem Grund „aussortiert“ zu werden, erhöhte die Anpassungsbereitschaft der Frauen. Der nationalsozialistische Männerstaat, der die gerade erst begonnene Frauenemanzipation abrupt gestoppt hatte, wirkte auch nach 1945 weiter.

Am 10. Mai ist wieder mal Muttertag. Glückwunsch!

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Irmgard Weyrather: Muttertag und Mutterkreuz – Der Kult um die "deutsche Mutter" im Nationalsozialismus (Fischer).

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