Die schwangere Politikerin

Artikel teilen

"Na, Frau Glawischnig, wo ist denn nun ihr Sohn?", fragte ein Journalist einer Tageszeitung die grüne Parteichefin beim ersten politischen Interview nach der Geburt ihres Sohnes. Die junge Mutter war perplex. Inzwischen kontert sie auf derartige Fragen mit einer Gegenfrage: "Haben Sie diese Frage auch schon mal einem Politiker gestellt?"

Anzeige

Als Glawischnig im Frühjahr 2009 zum zweiten Mal schwanger war, waren Interviewwünsche zu dem Thema an der Tagesordnung. Und pünktlich zum Muttertag gab sie ausführliche Interviews mit der Hand auf dem Babybauch. Warum das? "Man braucht als Politikerin die Medien, wie sie die Politiker brauchen", sagt ihre Pressesprecherin.

Dabei ist Eva Glawischnig ein gebranntes Kind. Die frohe Botschaft ihrer ersten Schwangerschaft plauderte sie im Radio aus. Auch ihre Hochzeit mit einem TV-Moderator wurde nicht gerade geheim gehalten: Die Politikerin landete mit ihrem bauchfreien Hochzeitskleid auf der Titelseite der auflagenstarken Kronen Zeitung. Und für ein buntes Frauenmagazin ließ sich die Schwangere mit verträumtem Blick in die Auslage eines Nobel-Babyshops ablichten. Sie zeigte sich auch mit Acht-Monate-Babybauch auf der Titelseite – à la Demi Moore, nur immerhin bekleidet.

Für diesen Flirt mit dem Boulevard heimste die österreichische Grünen-Chefin viel Kritik ein, auch parteiintern. Ihre Glaubwürdigkeit als Kämpferin für Umweltschutz und Frauenrechte habe durch diese Aktionen gelitten, heißt es. Ihr eigenes Resümee nach dem Medienrummel lautet schlicht: "Babybauch schlägt Feinstaub."

Die deutsche FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin war vier Jahre zuvor einen Schritt weiter gegangen. Sie zeigte im Stern ihren nackten Babybauch und wollte das als "Provokation und als dramatisches Zeichen der Emanzipation" verstanden wissen. "In Deutschland eine schwangere Politikerin zu sein, die Karriere machen will, ist ein Politikum", sagte sie.

Auch die österreichische Ex-Justizministerin Karin Gastinger wurde 2006 im Amt schwanger. Den Rummel um das erste Babyfoto löste sie ganz einfach: Nach der Geburt ließ sie ein Foto von ihrem Sohn medial verbreiten. Das große Geheimnis war gelüftet, sie hatte fortan ihre Ruhe. Zwei Wochen nach der Geburt kehrte sie in ihr Amt zurück, weil ein Wahlkampf zu schlagen war. Das Baby hatte sie öfters im Büro dabei, auch wenn ihr Mann sie unterstützte. Eine große Diskussion um ihre Mutterschaft war nie richtig aufgekommen. "Wenn man klar eine Grenze zieht, dann wird das schließlich auch von den Medien akzeptiert", meint Politologe Peter Filzmaier.

Cool agierte auch die spanische Verteidigungsministerin Carmen Chacon: Das Bild der Schwangeren, die eine Truppenformation abschritt, ging um die Welt. Doch starken Gegenwind bekam auch sie: Die Medien fragten besorgt, was denn geschehe, wenn Chacon in den 16 Wochen dauernden Mutterschutz gehe? Na ja, die Welt ist jedenfalls nicht eingestürzt. Im Mai 2008 präsentierte die oberste Befehlshaberin der Armee ihren Miguel, im Juli nahm sie ihren Dienst wieder auf – und kündigte die Ablösung der Führungsspitze der Streitkräfte an.

2009 waren dann in Frankreich die bunten Gazetten voll mit Berichten über die schwangere Justizministerin Rachida Dati. Die Franco-Algerierin erdreistete sich auch noch, den Namen des Kindsvaters nicht zu verraten. Als die inzwischen in die Europapolitik Abgeschobene fünf Tage nach dem Kaiserschnitt wieder zur Arbeit eilte, sorgte das für heftige Debatten. Wie die Mütter in der Politik es auch machen. Es ist immer falsch.

Klar ist: Die Situation für Politiker ist anders. Der langjährige österreichische Minister Martin Bartenstein, nun Parlamentarier, hat mit seiner Ehefrau Ilse fünf Kinder. Medial war das nie ein Thema. Einem erfolgreichen Mann steht eine Familie im Hintergrund sogar gut. Es zeigt, dass man auch ein erfolgreiches Privatleben führt. Für Wahlkampfauftritte ist es auch nicht schlecht.

Als der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer im September 1997 alle Wahlkampftermine absagte und zu seiner Frau ins Spital eilte, freuten sich alle über die Geburt seines Sohnes. Die Wahlen hat er dann souverän mit 42 Prozent der Stimmen gewonnen. "Bei Spitzenpolitikerinnen wird Familienzuwachs mit Argusaugen beobachtet und sorgt für Irritationen. Bei Politikern wird der 'Familienhintergrund' eben im Hintergrund gelassen und anerkannt", kommentiert Politologe Filzmaier. Spitzenpositionen würden für Eltern "berufliche Intensität" mit sich bringen und folglich eine "zeitliche Vernachlässigung" der Kinder, weiß auch der Politologe. Die seien mit Hilfe aber gut abzufedern. "Vorwürfe hören jedoch nur Politikerinnen, nicht Politiker."

"Als Spitzenpolitiker kannst du kein guter Vater sein, aber wichtig ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren", erklärte Landeshauptmann Pühringer. Er räumte ein, dass er den Balanceakt Politik und Familie nur deshalb schafft, weil "meine Gattin mitspielt und für die Kindererziehung in erster Linie zuständig ist". Von Journalisten wurde der dreifache Vater "nicht sehr häufig" nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefragt. Auch kein Chefredakteur und kein Manager muss darauf eine Antwort geben.

Der österreichische Gesundheitsminister Alois Stöger ist dafür, dass sich die Institutionen anpassen, denn "Elternschaft muss in jeder Berufsrolle möglich sein". Er war früher als Krankenkasse-Chef alleinerziehender Vater einer Tochter. "Ich habe lernen müssen, dass ich früher nach Hause muss, weil sie auf mich wartet. Das ist schließlich akzeptiert worden. Aber manchmal musste ich quasi zaubern, um alles unter einen Hut zu bringen."

Als Minister stellt er sich die Frage der Vereinbarkeit nicht mehr, weil seine Tochter mittlerweile erwachsen ist. Zum Glück. "Ich hätte sicher Schwierigkeiten. Es ist schwerer kompatibel, man müsste vieles anders organisieren", sagt der Vater. Und er rät den schwangeren Spitzenpolitikerinnen zu Zurückhaltung. "Es kann von Vorteil sein, als Politikerin die Schwangerschaft öffentlich zu thematisieren, weil es ein Anlass für gesellschaftspolitische Debatten sein kann. Das ist legitim. Aber dann sollte es auch genug sein."     

Artikel teilen
 
Zur Startseite