Papst Leo XIV: Algerische Wurzeln

Der neue Papst, Leo XIV, verkörpert eine Welt, die mehr Gemeinsames als Trennendes hat.
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Nach der Ernennung des amerikanischen Papstes ging die Nachricht um die Welt: Er hat europäische Wurzeln. Ja, auch. Aber das wirklich Sensationelle ist: Der Papst hat auch algerische, also nordafrikanische Wurzeln. Bereits in seiner ersten Rede nach der Wahl erklärt er: „Ich bin ein Sohn von Augustinus“. Das meinte der Augustinermönch nicht nur spirituell, sondern auch ganz konkret: Seine Großmutter, Fatima, kommt aus Annaba, eine Stadt im Nordosten Algeriens, früher die Region Hippo. Der Heilige Augustinus hat in Hippo gewirkt und ist dort 354 n. Ch. gestorben. Er ist einer der großen Kirchenlehrer und hat auch die europäische Philosophie tief geprägt.

Die algerische Familie des Papstes emigrierte 1920 nach Amerika (in der Kolonialzeit hatten die Algerier die französische Staatsangehörigkeit). 1988 pilgerte Francis Prevost, damals noch Priester, nach Annaba, das bis heute eine katholische Hochburg in dem jetzt muslimischen Algerien ist. Außerdem war der Augustinermönch Prevost 20 Jahre lang Missionar in Peru (Er hat die doppelte Staatsbürgerschaft). Der neue Papst ist hoch sensibilisiert für die sozialen Probleme, für die Armen und Migranten. „Meine Familie waren ebenfalls Migranten“, hat er gesagt. Und die Migrationspolitik von Trump kritisierte er noch vor seiner Wahl zum Papst auf X mit den Worten, sie „verletze die Menschenwürde vieler Männer und Frauen“.

„Trumps Migrationspolitik
verletzt die Menschenwürde.“

Warum das alles von Bedeutung ist? Weil dieser Papst ein Universalist ist, und „eine Ohrfeige für alle Identitären“, schreibt die algerische Presse stolz. Papst Leo sieht eher das Gemeinsame als das Trennende. Er wird versuchen, die Welt nicht noch mehr aufzusplitten – in Ex-Kolonialherren und Ex-Kolonialisierte zum Beispiel oder in Muslime und Christen – sondern zusammenzuführen. Er kennt sich da aus. Er ist die Verkörperung der einen Welt.

Die Wahl dieses polyglotten Papstes, dessen Glaube aus der Tiefe der Menschheitsgeschichte zu kommen scheint, ist nicht nur hoch politisch, sondern auch hoch symbolisch und ein extrem kluger Schachzug der Kardinäle (vorbereitet von Franziskus). Denn in Amerika gibt es einen Aufbruch der Katholiken, den an vorderster Stelle der katholische Konvertit J.D. Vance verkörpert. Ihn hat der todkranke Papst Franziskus noch am Tag vor seinem Tod demonstrativ empfangen. Und Kardinal Prevost hatte ihn gleichzeitig kritisiert: nicht human genug. Vance ist nicht allein, hinter ihm stehen mächtige katholische Kräfte.

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In seiner Antrittsrede appellierte der neue Papst mehrfach sowohl an den Frieden, wie auch an die Missionierung. Die katholische Kirche scheint auf einen Überzeugungsfeldzug gehen zu wollen gegen die Fundamentalisten aller Couleur: gegen Islamisten wie Evangelikale.

Papst Leo ist Amerikaner, Europäer und Nordafrikaner. Er kommt aus der nordamerikanischen Arbeiterstadt Chicago, hat lange in Peru gelebt, ist für soziale Gerechtigkeit und Rassismus ist ihm fremd. Er weiß aus seinem eigenen Leben, dass der Unterschied zwischen den Menschen nicht groß ist, auch nicht der zwischen Muslimen und Christen. Papst Leo ist Universalist. Das alles ist vielversprechend. Dieser Papst steht mit seiner an die Wurzeln zurückgehenden Spiritualität und seinem Engagement für Frieden und soziale Gerechtigkeit fur die besten Werte des Christentums.

Und die Frauen? Vergesst es, liebe Katholikinnen. Priesterinnen? Niemals in diesem Männerbund. Das Recht auf Abtreibung? Für die katholische Kirche ist das unverhandelbar. Aber dieses Recht haben wir ja auch in der Zeit der Stärke der Liberalen und Linken nicht bekommen. Also dann wenigstens allgemeine humane und universelle Werte.

ALICE SCHWARZER
Dokumentation: Djamila Seddiki

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