Keine Rüge für „transphobe“ EMMA

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Die Wogen schlugen hoch, nachdem der Artikel „Ganserer: Die Quotenfrau“ Ende Januar auf EMMAonline erschienen war. Der Beitrag sei eine „menschenfeindliche Kampfansage“, befand der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Die taz erklärte, die grüne Abgeordnete Tessa Ganserer werde in dem Text „heftig diffamiert“, es handle sich um „transfeindliche Gewalt“. Den „Gipfel der journalistischen Schlampigkeit“ sah die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI) und reichte Beschwerde beim Deutschen Presserat ein.

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Da war die DGTI nicht die einzige. Insgesamt 63 Beschwerden gingen beim Presserat ein. Die BeschwerdeführerInnen waren offenbar der Ansicht, dass nicht erlaubt sei, was EMMA getan hatte: Nämlich über die Initiative „Geschlecht zählt“ zu berichten, die im November 2021 Beschwerde beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags eingelegt hatte. Anlass: Der Einzug der grünen Abgeordneten Tessa Ganserer in den Bundestag. Ganserer ist, wie EMMA erklärte, sowohl physisch als auch rechtlich ein Mann, der (noch?) keine Personenstandsänderung nach dem Transsexuellengesetz vorgenommen hat – und dies auch erklärtermaßen nicht tun will, aus Protest gegen die aktuell gültige Gutachtenpraxis nach dem Transsexuellengesetz.

Für die Grünen zog Ganserer auf einem Frauenquotenplatz ein, denn laut grünem „Frauenstatut“ fallen unter den Begriff Frau „alle, die sich selbst so definieren“. Die Beschwerde von „Geschlecht zählt“ richtete sich jedoch nicht gegen die Grünen, sondern gegen die Wahlbehörden, die Ganserer offiziell als Frau führen. „Es geht nicht um den persönlichen Fall Ganserer, sondern um die Neudefinition des Begriffs Geschlecht“, erklärte Hilde Schwathe, Sprecherin der Initiative.

Geht es darum, Berichterstattende mit dem Vorwurf der ‚Transphobie‘ einzuschüchtern?

Über all dies berichtete EMMA. Sachlich. Doch die BeschwerdeführerInnen verwechselten offenbar eine Berichterstattung, die nicht ihrer Meinung entspricht, mit Diffamation und Beleidigung – und verlangten, dass der Presserat gegen EMMA eine Rüge aussprechen möge.

„Der besagte Artikel ist eine sachliche Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, wenn ein Mensch, der seinen Personenstand nach dem geltenden Transsexuellengesetz (TSG) nicht geändert hat, vom Verwaltungsapparat dennoch offiziell als Mensch des anderen Geschlechts geführt wird“, antwortete EMMA in ihrer Stellungnahme an den Presserat. „Uns scheint, dass es den BeschwerdeführerInnen darum geht, eine wichtige gesellschaftliche Debatte zu verhindern und Berichterstattende, die ihren Blick auf die Problematik nicht teilen, mit dem Vorwurf der ‚Transphobie‘ einzuschüchtern und von der Berichterstattung abzuhalten.“ Und weiter: „Wir sind der Ansicht, dass wir als JournalistInnen das Recht haben sollten - und auch die Pflicht haben - über Fakten zu berichten.“

Das sieht der Deutsche Presserat genauso. „Es handelt sich um eine zulässige journalistische Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich hochbrisanten Thema, nämlich der Frage, wie Geschlecht definiert wird. Die Erwähnung des sozialen Outings und die Beschreibung der Geschlechtsdefinition von Tessa Ganserer in ihrer Partei und im Bundestag im Artikel ist nach Auffassung der Mitglieder zulässig, um die dadurch ausgelöste politische Debatte nachvollziehen und darstellen zu können.“ Und: „Die einstimmige Mehrheit der Mitglieder war der Auffassung, dass der Beitrag keine pauschalen und abwertenden Äußerungen über Transpersonen enthält.“

Einstimmig erklärt der Beschwerdeausschuss des Presserats die Beschwerde für „unbegründet“.

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