Alice Schwarzer in anderen Medien

"Prostitution ist ein krankes System!"

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Es ist nicht so einfach, mit Cathrin Schauer-Kelpin über persönliche Angelegenheiten zu sprechen. Immer wieder kommt sie sofort auf ihre Arbeit und den Verein zurück. Ist es ihr Lebenswerk? "Ja, schon ein Stück weit", sagt sie. Auch wenn die 62-Jährige noch ein paar Jahre in dem Beruf arbeiten möchte. Sie habe das nie nur als Arbeit oder als Job gesehen: "Natürlich steckt da auch sehr viel Herzblut drin."

Gerade der "Heldinnen-Award" der Alice Schwarzer Stiftung berühre sie sehr. Der sei was ganz Tolles, weil er von Alice Schwarzer komme - also deren Stiftung. "Alice hatte uns damals, als wir 2004 als eingetragener Verein neu begonnen haben, das Geld erspielt bei Günther Jauch. Das ist noch mal ganz besonders berührend, dass sie schon mal dafür gesorgt hatte, dass wir durchstarten konnten. Und jetzt dieser Award, also das ist schon sehr toll."

Die ausgebildete Krankenschwester und studierte Diplom-Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin Schauer-Kelpin bewarb sich 1994 für ein Projekt gegen Zwangsprostitution - "auf Anraten einer Freundin".

Sie hat viele Fälle massivster Gewalt mitbekommen, auch Tötungsdelikte.

Das System Prostitution, Zwangsprostitution und Menschenhandel funktioniere über Abhängigkeiten. "Die Frauen müssen hier in den Regionen in der Woche bis zu 600 Euro für eine Wohnung bezahlen, für irgendeine abgewrackte Bude." Quittiert bekämen sie aber nur 200 Euro. Den Rest müssten sie so abdrücken.

Die Frauen würden jede Woche von einer Stadt in die nächste verschickt. "Die kommen schon hoch verschuldet irgendwo an, weil sie schon mal das Geld für die Miete von der vergangenen Woche gar nicht reinbekommen haben und wieder Schulden haben." Das sei ein furchtbarer Kreislauf. 

Cathrin Schauer-Kelpin erzählt, sie habe viele Fälle von massivster Gewalt mitbekommen, auch Tötungsdelikte. Aber jeder Fall sei krass, sagt die Sozialarbeiterin. Sie finde es auch schlimm, mit ansehen zu müssen, wie eine 45 oder 50 Jahre alte Frau der Prostitution nachgehen müsse und Woche für Woche in einer anderen Stadt lebe.

"Die Frauen müssen 600 Euro die Woche für eine abgewrackte Bude bezahlen."

Das System Prostitution sei ein krankes, schwerstkriminelles System. Es verstoße einfach gegen die Menschenwürde, so Schauer-Kelpin. Es sei ein Wirtschaftsfaktor und bestehe aus Milliardenumsätzen. "Das können wir als NGOs, als Vereinigungen, nicht komplett eindämmen. Wenn man aber nur eine Frau rausholen kann, ist das schon wichtig, nämlich für diese eine Frau, für dieses eine Menschenleben."

Natürlich habe der Verein schon sehr viele Frauen "rausgeholt". Zum Beispiel auch in Tschechien, wo der Verein zwei Mal pro Woche mit Streetworkern unterwegs ist. Diese Erfolge seien schwer erkämpft. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiteteten oft am Limit. Auch, weil der Verein seine Arbeit beinahe ausschließlich über private Spenden und Sponsoren finanzieren müsse. So erhalte er Unterstützung von verschiedenen Stiftungen.

Was Cathrin Schauer-Kelpin schlimm findet, ist, "dass sich nach diesen vielen Jahren nichts gebessert hat". Die Lebensverhältnisse der Frauen in der Prostitution seien katastrophal, ebenso die sogenannte Bezahlung der Frauen. Die Verelendung, die Verwahrlosung, alles was dazu gehört, sei eine Katastrophe. 

"Inzwischen gibt es ja zig internationale Abkommen zur Bekämpfung von Menschenhandel, Zwangsprostitution, bla bla bla... und die Zahlen steigen jährlich exorbitant." 

Denkt Sie manchmal ans Aufgeben? "Bis jetzt noch nicht, glücklicherweise", sagt die 62-Jährige.

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