SCHWEIZ: Warum trat Männerbeauftragter

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Er war kaum einen Monat im viel beachteten Amt, da trat er schon wieder zurück. Der erste „Männerbeauftragte“ des Kantons Zürich, dessen Ernennung Schlagzeilen bis nach Australien gemacht hatte, ist nicht mehr im Amt. Seine Dienstherrin, die „Kantonale Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann“ hatte den Männeraktivisten vor die Wahl gestellt: Entweder er gibt seine Funktion als Vorsitzender von männer.ch, dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen, auf – oder seinen neuen Job. Grund: Neue Schlagzeilen, und diesmal höchst unerfreuliche. „Lehrer sollen Schülern Pornos zeigen“ hatte die Schweizer Zeitung 20minuten getitelt. Dies, so das Blatt, habe männer.ch gefordert. Das stimmt, verbiegt aber das eigentliche Anliegen von Theunert und seinen Mitstreitern gewaltig.

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Was war passiert? männer.ch hatte bereits im Oktober 2011 eine Stellungnahme zu einer geplanten Gesetzesänderung abgegeben. Es ging um die „Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs“.
männer.ch wies darauf hin, dass zur Verhinderung sexueller Ausbeutung auch die Prävention gehöre und damit auch die Auseinandersetzung mit der grassierenden Internet-Pornografie, die bereits unter 16-Jährige konsumierten. Dazu schlug männer.ch vor, dass „Eltern und geschulte Fachleute sich nicht strafbar machen, wenn sie mit klarem pädagogischen Ziel innerhalb eines sorgfältig gewählten und klar definierten Settings pornografische Darstellungen unter 16-Jährigen zugänglich machen.“ So solle „eine sorgfältige Sexualerziehung möglich werden, die dem Umstand Rechnung trägt, dass pornografische Inhalte heute in hohem Maß verfügbar sind und daher im Rahmen von Aufklärung und Prävention auch thematisiert werden müssen.“ Diese Forderung wird auch von Sexualpädagogen seit Jahren erhoben.
Dass sich die Medien gezielt auf die 20minuten-Schlagzeile stürzten und das männer.ch-Statement skandalisierten, dürfte also wohl vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass Markus Theunert so manchem ein Dorn im Auge war. Allen voran den Maskulisten (LK), die den laut Selbstdefinition „gleichstellungsorientierten Mann“ als „Lila Pudel“ beschimpften. Auch die konservative SVP fand den Männerbeauftragten „vollkommen überflüssig“.
Interessant ist allerdings auch, was die Medien ignorierten. Denn männer.ch sah in der Stellungnahme auch „Handlungsbedarf“ im Bereich der Prostitution. Hier gälte es, „die Gesetzgebung von moralisch geprägten Regelungen zu befreien“ Mit Blick auf Schweden, Norwegen und Island, die den Sexkauf als Verstoß gegen die Menschenwürde betrachten und ihn deshalb kriminalisieren, erklärt der Männer-Dachverband: „Wir würden uns entschieden dagegen wehren, wenn in der Schweiz Bestrebungen zur Kriminalisierung der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen auch unter Erwachsenen ergriffen würden.“ Stattdessen forderten Theunert und seine Mitstreiter ein „Gütesiegel für faire Prostitution“.
"Wir erwarten nun, dass der Posten nicht wiederbesetzt und die überflüssige Fachstelle aufgehoben wird“, erklärte die Zürcher SVP. Das wäre schade. Denn eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik ist wichtig. Aber die sollte dann von jemandem gemacht werden, der, ganz wie die französischen Kollegen vom Männer-Netzwerk „Zéromacho“ erkennt, dass die Behandlung der Frau als verfügbare Ware das Gegenteil von Gleichstellung ist.

EMMAonline, 25.7.2012

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