Ségolène Royal: Die Hoffnung:

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Ségolène Royal ist die Hoffnung der französischen Sozialisten – und der Frauen. Sie sagt von sich selbst: „Ich bin Feministin“.

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Porträts von Ségolène Royal beginnen mit ihrem umwerfenden Äußeren, den langen, schlanken Beinen, den feinen Gesichtszügen unter dem dichten, kastanienbraunen Haar, ihrer zeitlosen Schönheit. Und Porträts von Ségolène Royal werden in diesen Wochen viele geschrieben und gesendet, ist sie doch so ziemlich die einzige Lichtgestalt, mit der die Sozialistische Partei als größte Kraft der französischen Opposition im beginnenden Präsidentschafts-Vorwahlkampf aufwarten kann.

Die Konzentration auf das Erscheinungsbild der Politikerin führt mehr vor, als Royal recht sein kann: eine gewisse Leere, wann immer es um ein mögliches Präsidentenprogramm für eine fünf Jahre währende Amtszeit geht. Ihre Weltanschauung verpackt sie lieber in Slogans, die so appetitlich wie ihre Autorin wirken: desirs d’avenir, Sehnsüchte nach Zukunft. So hat sie ihre neue, persönliche Webseite betitelt, die sie als bürgernahe Einrichtung der „interaktiven Kommunikation“ verstanden wissen will.
Ségolène Royal macht eben alles etwas anders als die Herren Genossen, mit deren Chef François Hollande, dem Ersten Sekretär der Sozialistischen Partei, sie auch privat ihr Leben teilt. Die „Parteifreunde“ reagieren gereizt und nervös auf die unerwartete Konkurrentin, die in allen Meinungsumfragen den Spitzenplatz einnimmt. Laurent Fabius, der sich auf den Wettstreit mit dem von ihm „Walderdbeere“ getauften Hollande eingestellt hatte, ließ ein entgeistertes „Und wer kümmert sich dann um die Kinder?“ entweichen. Die Sozialistinnen haben ihm das nicht verziehen.
Für einen weiteren Konkurrenten, Jack Lang, den ewig Jugendlichen, endete Ségolènes Umfragenhöheflug mit dem bitteren Eingeständnis, dass jetzt wohl doch „das Zeitalter der Frauen begonnen“ habe. Und François Hollande, der Parteivorsitzende und Lebensgefährte von Royal, war eigentlich der Meinung, dass er an der Reihe sei, für den Präsidentensessel zu kandidieren.
Den Hahnenkämpfen in ihrer Partei hat Royal noch nie etwas abgewinnen können. Das bedeutet nicht, dass die elegante Offizierstochter zu feinsinnig wäre, einem heftigen Schlagabtausch standzuhalten. Nicht nur ihr Biograf (Hagiograph?) Daniel Bernard hebt in seinem 2005 erschienenen ‚Madame Royal‘ die „Virilität“ seines Studienobjektes hervor. Aber als Politikerin hat sie sich immer Themen ausgesucht, die von den männlich dominierten Politikkreisen als „zu seicht“ empfunden wurden: Gewalt im Fernsehen, Prostitution und Pornografie oder Familienzusammenhalt, Umweltschutz und gesunde Ernährung.
Ségolène Royal hat auf ihrem Lebensweg ziemlich gut die Widersprüche der modernen französischen Frau miteinander vereinbart, was vielleicht zu ihrer Beliebtheit beiträgt. Als viertes Kind einer acht Kinder zählenden Offiziersfamilie wurde sie mit Drill und Disziplin erzogen. Nach einem Aufenthalt in Afrika, wo sie am 22. September 1953 in Dakar (Senegal) zur Welt kam, ließ sich die Familie in Lothringen nieder. Die Eltern schickten Marie-Ségolène in die katholische Internatsschule Notre-Dame d’Epinal, „eine Befreiung“ aus den engen Regeln des Elternhauses, wie sie später sagte.
Die Aufnahmeprüfung zur Kaderschmiede Ena bestand sie im Anschluss auf Anhieb. An der Eliteverwaltungsschule fand Ségolène Royal auch den Mann ihres Lebens, den Arztsohn François Hollande, der im großbürgerlichen Neuilly-sur-Seine wohnte und einen sozialistischen Arbeitskreis animierte. Sozialismus hatte für „Sego“ den Reiz des Bruchs mit dem konservativen Elternhaus, in dem „die Zukunft der Frau in ihrer Heirat bestand“, sagte die Politikerin einmal. Der Bruch führte die Klosterschülerin direkt in den Präsidentenpalast, wo sie – mit 29 Jahren – als jüngste Beraterin Mitterrands erste Erfahrungen sammelte. 1992 ließ Mitterrand ihr das Amt der Umweltministerin übertragen. Da war Ségolène Royal gerade zum vierten Mal schwanger. Die Geburt ihrer jüngsten Tochter setzte sie für die Fotografen von Paris Match in Szene – ihren Ruf als „Supermama“ hat sie seither nicht eingebüßt.
Den Gegensatz zwischen ihrer Ablehnung der „bürgerlichen Institution“ der Ehe und der heilen Familienwelt mit vier Kindern sieht sie selbst. Ein ähnliches Spannungsverhältnis bestimmt auch ihre gesellschaftlichen Überzeugungen. Sie lehnt als eine von wenigen Sozialisten die Anerkennung homosexueller Verbindungen als „Ehen“ ab und will „der weiteren Aufweichung des Familienbildes entgegenwirken“.
Als beigeordnete Ministerin für das Schulwesen führte sie im Jahr 2000 wiederum die kostenlose Vergabe der „Pille danach“ an den Oberschulen ein, was ihr heftige Kritik von Elternverbänden und der katholischen Kirche einbrachte. Konsens erzielte sie mit dem 2001 verabschiedeten Vaterschaftsurlaub als Pendant zum Mutterschutz.
Während der Referendumskampagne zum europäischen Verfassungsvertrag war die Stimme von Madame Royal hingegen kaum zu vernehmen. Das interessierte Parteimitglied erfuhr gerade mal, dass auch die Lebensgefährtin des Parteichefs mit „Ja“ zu stimmen beabsichtigte, der Bruch in der Partei also ihr bekanntestes Paar nicht entzweite. Auch in der Banlieue-Krise blieb die Abgeordnete stumm. Ihre Meinung zu den „Reformthemen“ – Arbeitsmarkt, Krankenversicherung oder Renten – ist ebenfalls nicht bekannt.
„Es gibt eine gewisse Kluft zwischen mir und der Sozialistischen Partei“, gestand sie ein. Mit dem Parteichef bereitet sie sich auf einen diskussionsheißen Sommer vor. In den Ferien wollen die beiden entscheiden, wer von ihnen beiden sich um die Präsidentschaftskandidatur bewirbt: er oder sie.

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