Sei du selbst. Nur bitte in sexy!

Artikel teilen

Liebe deinen Körper, wie er ist! Alle Frauen „haben Makel, sie sind nicht perfekt!“, scheibt das britische Model Charli Howard auf ihrer Kampagnen-Webseite zum „All woman project“. Dieses Projekt hat sie gerade zusammen mit einer französischen Bloggerin namens Clémentine Desseaux gestartet. Howard hatte schon im vergangenen Jahr mit einem Protestbrief an ihre Agentur auf Facebook gegen den Schlankheitswahn in der Modebranche für Diskussionen gesorgt.

Anzeige

Was Howard aufregt: Frauenkörper seien vielfältig und trotzdem zeige die Modeindustrie immer nur die gleichen dünnen, bis zur Perfektion gephotoshopten Modeltypen. Das mache Mädchen und Frauen krank, klagt sie. Stattdessen hat sie für ihre Initiative zehn ganz unterschiedliche Frauentypen zusammengetrommelt, die selbstbewusst zu ihren Körpern stehen. Ein Speckröllchen hie, Cellulitis da. Ja, so sehen lebendige Frauen aus (Foto oben). Flankiert wird ihre Kampagne von Mode-Magazinen wie Vogue und Cosmopolitan.

Früher wurden künstlich-dünne Frauenkörper fetischisiert. Und heute?

Klingt doch gut, denken Sie jetzt bestimmt. Was wollt ihr Feministinnen denn? Schließlich kämpft ihr doch seit Jahrzehnten für ein realistisches Frauenbild in Medien und Werbung.

Ja, aber es gibt da einen kleines Restproblem... Bitte starten Sie an dieser Stelle das Kampagnen-Video zu #iamallwoman. Was sehen wir jetzt?

Wir sehen: Hintern in Nahaufnahme. Brüste in Nahaufnahme. Ein Model, das sich lasziv die Lippen leckt. Die Schulter streichelt. Zwinkert. Den Rock lüftet (Nahaufnahme, Oberschenkel). Immer wieder: „sexy" Blick in die Kamera, die Lippen leicht geöffnet. Ist das die Darstellung von Frauen, wie wir sie uns wünschen? Ja, die Körper in diesem Video sind vielfältig. Der Blick auf die Frauen ist es nicht.

Und das ist das Problem von vielen dieser Netz-Kampagnen für die „natürliche“ Frau, für „body love“: Sie machen weiter wie gehabt. Nachdem jahrelang der künstlich perfektionierte, dünne Frauenkörper fetischisiert wurde, wird jetzt der unperfekte Frauenkörper zum Objekt. Was bleibt: der sexistische Blick auf die Frauen. Was sich auch nicht ändert: Frauen werden über ihren Körper definiert.

Oder kennen wir eine einzige Kampagne, für die speckige, haarige Männer vor einer Kamera mit ihren Hüften wackeln und erklären: „Also ich, ich liiiiebe meinen Körper, mit all seinen kleinen Fehlern!“?

Artikel teilen

Alicia Keys: Schluss mit Make Up!

Artikel teilen

Einen gemusterten Schal um den Kopf gewickelt, große silberne Creolen und ein auffordernder Blick in die Kamera. Ihr Gesicht ungeschminkt, wir sehen Sommersprossen und leichte Augenringe. So sieht Alicia Keys also aus, wenn sie gerade frisch vom Sport kommt - und so erschien die Sängerin auch zum Fotoshooting für ihr neues Album „In Common“. Da dachte sie noch, dass sie gleich erst mal in der Maske verschwinden würde, wie üblich. Aber Fotografin Paola Kudacki hatte ganz andere Pläne. Sie wollte Alicia genau so ablichten: ungeschminkt. Keys stimmte zu, allerdings nur widerwillig. Als sie dann das Resultat sah, merkte sie: „Ich habe mich nie stärker, freier oder schöner gefühlt!“

Anzeige

Sie ist eine weltweit ge-
feierte Soul-Musikerin ...

Darüber hat die Soul-Musikerin jetzt einen Essay für den „Lenny Letter“ geschrieben, Lena Dunhams feministisches Newsletter-Magazin. Titel: „Time to uncover“ – etwa: Zeit, (seine Schönheit) aufzudecken. Oder auch: Zeit, sichtbar zu werden.

Alicia Keys war ja bisher nicht unbedingt für ein sparsames Make-Up bekannt. Aber seit ihres Aha-Moments beim Foto-Shooting erscheint sie überall quasi ungeschminkt. Bei der Vanity Fair genauso wie bei der Eröffnungszeremonie des UEFA Champions League Finale Ende Mai; oder gerade erst bei einer italienischen TV-Show.

Sie sei - das überrascht nicht - genau so unsicher wie so viele Mädchen und Frauen, erklärt Keys. Früher, da hat sie ihren wilden Afro sogar noch in einen strengen Pferdeschwanz gezwängt. Hat sich „unwohl“ gefühlt und „unsichtbar“ zwischen ihren „aufgestylten Mitschülerinnen“.

Mit 16 Jahren unterschrieb Alicia Keys ihren ersten Plattenvertrag. Aufgewachsen ist die Tochter einer schottisch-italienischen und alleinerziehenden Mutter in Clinton. Ein Stadtteil von Manhattan, der auch bekannt ist unter dem Namen „Hell’s Kitchen“ – unter anderem wegen der Bandenkriminalität, die dort bis in die frühen 1980er Jahre wütete. Alicia kam also aus der harten New Yorker Straßenszene und landete in der ebenso harten Unterhaltungswelt. Eine „schroffe“ Welt, schreibt Keys, die stets „urteilt“. Keys: „Ich wurde immer mehr zum Chamäleon. Ich war niemals vollständig ich selbst und habe mich ständig angepasst, damit alle mich akzeptieren.“ Alicia überschminkte ihre Unsicherheiten einfach. Mit sehr viel Make-Up.

... und hat keinen Bock mehr auf die ganzen Zwänge.

Inzwischen ist sie einer der größten Stars der Soulszene, hatte mehrere internationale Hitsingles („Girl on Fire“, „Fallin“) und verkaufte über zehn Millionen Platten. „In Common“ ist ihr sechstes Album. Nur zufrieden ist sie irgendwie nicht. „Ich schrieb eine Liste mit all den Dingen, die mich nerven. Zum Beispiel, wie sehr uns Frauen eingetrichtert wird, dass wir dünn, sexy, begehrenswert oder perfekt sein müssen. Die ständige Beurteilung der Medien, die uns dazu bringt zu denken, eine normale Kleidergröße wäre nicht normal. Oder dass sexy zu sein bedeutet, sich so nackt wie möglich zu zeigen". Alicia Keys findet: "Das ist verdammt frustrierend!“

Weiterlesen
 
Zur Startseite