Unsere Traumhochzeit

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Sie kannten sich schon 20 Jahre und konnten immer noch gurren und schnurren: Camilla: „Einen Sonntagabend ohne dich kann ich kaum aushalten.“ Charles: „Ich tank dich auf.“ Camilla: „Ja, das tust du.“ Charles: „Dann wirst du mit allem fertig.“ Camilla: „Dann geht es mir gut“.

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Den ersten öffentlichen Kuss erlaubten sie sich erst im Jahr 2001. Da waren sie bereits 30 Jahre befreundet, vertraut, liiert. Und nun nimmt die Jahrhundertaffäre ein Ende mit Tusch. Camilla und Charles heiraten am 8. April. Die Heimlichkeiten, die Skandale machen der formellen Würdigung einer großen Liebe Platz, endlich.

Eigentlich sollte die überraschende Royal Wedding bestenfalls Gegenstand der Herzundschmerzpresse und der einen oder anderen Fernseh-Sondersendung sein. Doch die Romanze von Charles und Camilla ist auch ein Exempel für Frauen- und Klassenpolitik. Das doppelte C symbolisiert eine Welt doppelter Standards, und Millionen Frauen, die mit Royalty nichts am Hut haben, sind klammheimlich entzückt, dass die Konventionen diesmal nicht gewinnen. Die 57-jährige Camilla Parker Bowles bekommt ihren 56-jährigen Charles, den romantischen, interessanten, reichen Prinzen. Wie hat Camilla das hingekriegt – fragen die Boulevardblätter verblüfft. (Und Bild kalauerte: „Was hat die, was Di nicht hatte?“)

Der schüchterne Charles traf die kesse Camilla 1972. Es soll Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Die praktische Camilla Shand wusste, dass sie mit ihrem Vorleben keine Chance hatte, am Königshof als künftiges Fräulein Braut zu reüssieren. Bei den Windsors galt: „A bedded can’t be wedded.“ Also stellte die Tochter aus der Oberschicht sich dem Thronfolger vor mit dem berüchtigt gewordenen Satz: „Meine Urgroßmutter war die Geliebte Ihres Ururgroßvaters – wie steht’s also mit uns?“

Ein Auftakt mit Augenzwinkern, sehr typisch für eine Frau, die von Freunden als warm, humorvoll und – lebendig gelobt wird. Weder besonders hübsch noch besonders intellektuell, aber für Jagd, Reiten, Fischen und Party-Scherze immer zu haben. Schlagfertig und sportlich liebt sie das Landleben und lustige, unkomplizierte Abendgesellschaften, ganz wie Charles. Dem verschrobenen Thronfolger muss sie wie ein froheres Spiegelbild vorkommen. Und dass er als ein bisschen britisch-tuntig und sie als ein bisschen britisch-kerlig gilt, sorgte von Anfang an für eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe.

Camilla, inzwischen verheiratete Parker Bowles und zweifache Mutter, entschied sich für den Stand der königlichen Geliebten und Seelengefährtin, ihr Gatte nahm es hin. In diesem Arrangement zeigte sie jahrzehntelang Loyalität, Diskretion und Haltung. Während Charles selbstmitleidig seine Sündenfälle in die Mikros hauchte und Diana sich mit Paparazzi, Playboys und Psychotherapeuten gemein machte, schwieg Camilla eisern und stolz. Sie ließ sich wegen Ehebruch mit echten Rosinenbrötchen und echten Beleidigungen bombardieren und hielt mit Grandezza durch.

Camilla the Rottweiler. Camilla mit dem Pferdegesicht. Camilla mit den Gummistiefeln. Camilla mit dem „Charme eines ranzigen Sahneschnittchens“, wie eine deutsche Tageszeitung sie beschrieb. 16 Monate älter als Charles und keinen Hang zur Nulldiät oder zu Schönheitsoperationen: Wie konnte diese Landpomeranze ernsthaft gegen die ätherische, urbane Diana konkurrieren? War das nicht altes England mit dem Geruch nasser Jagdhunde gegen das postmoderne Cool Britannia? Vielleicht. Es ist auf jeden Fall verschrobene Elite gegen oberflächliche Mediendemokratie. Und es ist sexueller Spaß gegen ohnmächtige Frigidität.

Diana, die Junge, das Idol, die perfekte Mutter zweier Prinzen „hatte doch alles“, wie Camilla ihr ins Gesicht sagte. Doch ihre geballte Demonstration zerbrechlicher Weiblichkeit war eben nicht genug, um Charles zu betören. Im Gegenteil: Der Prinz liebt in Camilla die starke Gefährtin und hat offensichtlich keine Angst vor Ebenbürtigkeit. Und das ist das Märchenhafte am Happyend …

Hinter der Häme und Hysterie gegenüber Charles’ Mätresse verbarg sich beim englischen Volk auch die Frustration über die Windsors, die viele Steuermillionen kosten, aber sich so schlecht benehmen wie Krethi und Plethi. Mit ihren vielen piefigen Skandalen hatten sich die Royals im Laufe der 80er entzaubert, mehr und mehr ähnelten sie dem „Eurotrash“, den Kontinent-Aristokraten mit ihren Krächen, Ehebrüchen und zweifelhaften Geschäften. Die Medien machten aus Buckingham Palace eine Soap Opera. Da röchelte das Opfer Diana, so kläglich, so mager. Mit Rehaugen und in Designerklamotten. Da stampfte die Täterin Camilla, so faltig, so füllig. Mit Schlupflidern und im Tweedkostüm.

Doch weder Medien noch Massen kamen je auf die Idee, dass diese unmodische Amazone tatsächlich heiß liebte und wiedergeliebt wurde, dass dieser schmierige Ehebruch in Wahrheit Ausdruck tiefer, schöner Treue zwischen zwei Seelengefährten war. Dem doppelten C wurde stets die „wahre“ Leidenschaft abgesprochen, die großen Gefühle schienen in der Boulevardwelt der echten Prinzessin, der Diana, beheimatet. Kein Wunder also, dass die berühmten Telefonmitschnitte aus dem Jahr 1992 Camilla endgültig zur Hexe stempelten und Charles zum Trottel. Die ganze Welt erfuhr, dass der verheiratete britische Thronfolger eine wundersame Vorstellung davon hatte, wo es am schönsten sei: als Tampon in ihr. Der Skandal war riesengroß. Wie – tja – eklig! Wie gaga! – Dabei war dies die freieste und verwegenste Liebeserklärung, die je im Haus Windsor ausgesprochen wurde.

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