Strauss-Kahn - Folge X: Was deutsche

Artikel teilen

Angesichts der Beweislage ist diese Ankündigung der Staatsanwaltschaft überraschend. Um es zurückhaltend zu formulieren. Bewiesen ist: Strauss-Kahn hat am 14. Mai das Zimmermädchen oral penetriert und körperlich malträtiert, wie Spermaspuren und Verletzungen bis hin zu einem Bänderriss an der Schulter zeigen. Die Gerichtsmedizin, die die Frau gleich in den darauf folgenden Stunden untersuchte – ohne zu wissen, wer der Täter war! -, stellte lakonisch fest: Es handelt sich nicht um „einvernehmlichen Sex“, sondern um „Aggression, Vergewaltigung“.

Anzeige

Zu Anfang hatte es geheißen, die vor acht Jahren in die USA eingewanderte Guineanerin, Witwe und alleinerziehende Mutter einer Tochter, habe einen „untadeligen Ruf“. Über Wochen brachten auch Dutzende von in Amerika wie Afrika recherchierende Journalisten und das von Strauss-Kahns Ehefrau Anne Sinclair beauftragte Detekteibüro nichts anderes zu Tage.

Dann endlich, endlich wurde etwas gefunden: Die Frau soll bei ihrem Asylantrag geschwindelt haben. Dabei hätte es schon genügt, wenn sie einfach darauf hingewiesen hätte, dass sie genitalverstümmelt ist. Aber das wusste die Afrikanerin nicht, die Analphabetin und in einem winzigen Dorf im Urwald geboren ist. Ach ja, und mit einem Freund im Gefängnis soll sie telefoniert haben, der ein Verbrecher sei. Inzwischen wissen wir, so wir es wissen wollen, dass dieser Freund wegen Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz im Gefängnis sitzt. Wie so viele.

Nach der 30-Sekunden-Vorstellung der Staatsanwälte erklärte Nafissatous Anwalt Thompson: „Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Cyrus Vance, hat einer Frau das Anrecht verweigert, in einem Vergewaltigungsfall zu ihrem Recht zu kommen. Er hat damit nicht nur dieses Opfer im Stich gelassen, sondern auch alle forensischen, medizinischen und körperlichen Beweise in diesem Fall ignoriert. Wenn sich schon der Staatsanwalt von Manhattan, der gewählt wurde, um unsere Mütter, Töchter, Schwestern, Ehefrauen, um unsere Lieben zu beschützen, nicht für sie einsetzt, wenn sie vergewaltigt werden, wer wird es dann tun?“

Tja, die Machtverhältnisse waren offensichtlich doch zu gewaltig. Eine schwarze, arme Frau gegen einen weißen, sehr mächtigen Mann, der in den vergangenen drei Monaten zweifellos all seine Beziehungen in der internationalen Wirtschaft und Politik hat spielen lassen, um freizukommen. Da bleibt die Gerechtigkeit schon mal auf der Strecke.

Doch damit konnten selbst Pessimisten nicht rechnen: Dass noch nicht einmal ein Gerichtsverfahren stattfinden, sondern der Prozess vorher einfach eingestellt würde! Vor vier Tagen ist die verzweifelte Nafissatou Diallo noch einmal vor die Medien getreten. Der Auftritt ist u.a. im Internet auf Focus Online zu sehen. Sie sagte:

„Vieles von dem, was über mich gesagt wird, ist nicht wahr. Während der vergangenen zwei Monate habe ich viel durchgemacht. Ich weine viel, ebenso wie meine Tochter. Aber jüngst sagte meine Tochter zu mir: ‚Mama, bitte versprich mir, dass du aufhörst zu weinen. Die Leute reden schlecht über dich, weil sie dich nicht kennen. Du musst daran denken, dieser Mann hat sehr viel Macht. Jeder weiß das. Aber dich kennen nur deine Kollegen, Nachbarn oder die Leute zuhause. Und sie reden gut über dich, weil sie dich kennen. Bitte Mama, hör auf zu weinen und sei stark für mich.’ Ich habe versprochen, stark für sie zu sein. Und für jede andere Frau auf der Welt. Was mir passiert ist, wünsche ich keiner Frau auf der Welt. Das ist einfach zu viel für mich. Es ist zu viel für mich und meine Tochter.“

Es ist zu viel für alle Frauen der Welt.

 

Artikel teilen

Thema: Sex, Macht, Gewalt

Artikel teilen

Vergewaltigung ist ein Politikum
In Amerika gilt sie als Hate-Crime, als Hassverbrechen - hierzulande behandelt man sie als "Privatsache". Das Editorial von Alice Schwarzer. Artikel lesen

Anzeige
Weiterlesen

Mehr zum Thema

 
Zur Startseite