Ukraine: Zuhälter warten schon

Den Bomben entkommen, aber noch immer in Gefahr: Geflüchtete Ukrainerinnen am Bahnhof. - Foto: abaca/dpa
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Die Bilder sind ergreifend: Flüchtende Frauen, die mit ihren Kindern, darunter Babys, zu Fuß Richtung Karpatenvorland zum Grenzübergang Medyka in Polen laufen. Doch an der polnischen Grenze angekommen, sind sie noch nicht in Sicherheit. Zwar haben sie sich vor den russischen Bomben gerettet, doch die nächste Gefahr wartet schon: Menschenhändler.

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In Przemyśl, der nächstgrößten Stadt in Polen entlang der Grenze, sind Autos mit deutschem Kennzeichen aufgefallen, deren Fahrer sich als Helfer ausgeben und jungen, allein reisenden Frauen „eine Bleibe“ anbieten.

Menschenhandel ist ein großes Business, das von Kriegen befeuert wird!

Das ist einer der Gründe, warum die geflüchteten Ukrainerinnen es nicht wagen, in Autos aus Deutschland zu steigen. Natürlich sind neben den Zuhältern auch viele aufrichtige HelferInnen im Einsatz, doch das zu unterscheiden ist schwer. Deutsche HelferInnen aus Cottbus berichten, dass viele Frauen misstrauisch sind.

„Es ist traurig, aber nicht neu“, sagt Irene Hirzel vom „Beratungs- und Schulungszentrum gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“ in der Schweiz. Menschenhandel sei ein großes Business, das von Kriegen befeuert werde. „Zuhälter wissen ganz genau, wie sie die Notsituation der Frauen ausnützen können.“ Auch 2014, nach der russischen Annexion der Krim, gerieten zahlreiche Ukrainerinnen in die Fänge von Zuhältern.

Das gleiche Phänomen ist laut Hirzel auch auf Pornoseiten zu beobachten. Am Tag der Invasion sind die Google-Suchen nach „Ukrainian Girls“ prompt massiv angestiegen und bleiben seither hoch. Und auf Porno-Portalen wie Pornhub oder xHamster wird vermehrt nach Videos unter dem Stichwort „Kriegsvergewaltigungen Ukraine“ gesucht. Und in den dazugehörigen Social Media Accounts hoffen Freier auf „Frischfleisch aus der Ukraine“ und „dass nun endlich die Preise im Puff fallen“. Ein Mann schreibt im Freierforum: „Ich denke an all die jungen Ukrainerinnen, die bald hier aufschlagen werden, das wird ein Fest!“ Ein anderer postet ein Foto von Ukrainerinnen in Fußballtrikots und schreibt: „Endlich eine willkommene Flüchtlingswelle.“ Der Zynismus kennt keine Grenzen.

Aber nicht nur an der polnischen Grenze zur Ukraine, sondern auch an deutschen Bahnhöfen, vor allem in Berlin, stehen Zuhälter und Freier parat. Ehrenamtliche HelferInnen vom Berliner Hauptbahnhof berichten von dubiosen Männern, die durch die Reihen der Frauen gehen, die auf Züge warten, und ihnen Schlafplatzangebote machen. Auch allein reisende Jugendliche beiderlei Geschlechts werden von diesen Männern angesprochen. In den Chatgruppen, in denen sich die HelferInnen organisieren, wird vor Menschenhändlern gewarnt.

Wie ein Sprecher der Bundespolizei erklärte, hätten Männer Helfern am Hauptbahnhof, die sich um die Erstversorgung der ankommenden Geflüchteten kümmern, Geld geboten, wenn ihnen bestimmte Flüchtlinge „zugeteilt“ würden. Anzeigen wurden keine geschrieben.

Bernd Siggelkow, Leiter des Kinderhilfswerks "Die Arche" in Marzahn-Hellersdorf, kritisiert, dass derzeit kaum kontrolliert werde, wer die Personen sind, die Frauen und Kinder bei sich zu Hause aufnehmen würden. Er fordert, jetzt zügig mehr zentrale Ankunftsstellen für die geflüchteten UkrainerInnen zu schaffen, um sie vor Kriminellen zu schützen.

Zwar sind laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Bundespolizei und BKA bereits damit beauftragt, an den Bahnhöfen mögliche Schlepperbanden und Zuhälter dingfest zu machen, doch bislang wurden nur „Platzverweise“ ausgesprochen. Und: Seit Freitag kommen jeden Tag über zehntausend Menschen in Berlin an.

Leihmütter verharren in Bunkern in Kiew und bangen um ihre eigenen Familien

Ein anderes „Business“, dessen Zentrum die Ukraine, vor allem für KundInnen aus Deutschland, geworden ist, und Frauen ähnlich ausbeutet wie die Prostitution, tut derweil alles dafür, die ukrainischen Frauen vor Ort zu halten: die Kliniken für Leihmutterschaft.

Eine der ersten Gruppen, die in Sicherheit gebracht wurden – in Bunkern in der Hauptstadt Kiew – waren Leihmütter. Kommuniziert wurde dies von den Reproduktionskliniken selbst, die damit ihre KundInnen im Ausland beruhigen wollten. Zum einen wollen die Kliniken sich ihr Geschäft nicht kaputt machen lassen, zum anderen ist Leihmutterschaft in Deutschland verboten. Bringen also aus der Ukraine geflüchtete „Leihmütter“ ihr Baby in Deutschland zur Welt, sind sie die rechtlichen Mütter – und die Kinder können nicht mehr verkauft werden.

Die Leihmütter verharren nun also in den Bunkern, müssen unter widrigsten Bedingungen ihre Kinder bekommen und zudem um ihre eigenen Familien bangen.

Der Krieg trifft alle Menschen. Frauen auf besondere Weise.

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