Unbeschreiblich Weiblich
WALTRAUD PIRANTY: DIE PROVOKATEURIN
Ich bin eine Frau und keiner kann mir das Gegenteil beweisen“, sagt der Mann mit der Glatze und dem bulligen Körper. „Wenn ich sage, ich bin eine Frau, bin ich eine Frau, wenn ich sage, ich bin ein Eichkatzerl, bin ich ein Eichkatzerl, was wollen die machen?“ Da hat Waltraud Recht. Schließlich hat sie ein psychiatrisches Gutachten, das belegt, dass sie sich „als Frau fühlt“. Am 4. Oktober titelte die Wiener Kronen-Zeitung mit dem Glatzkopf in Militärhose und Hoodie, der vormals Walter hieß. Walter hatte früher ein Stundenhotel betrieben. Auf die Idee zum „Geschlechtswechsel“ sei der einstige Rotlicht-König gekommen, weil er eine dreimonatige Haftstrafe antreten sollte. „Ich dachte mir: Dann gehe ich eben ins Frauengefängnis. Ich freue mich besonders aufs gemeinsame Duschen und Spazierengehen mit den Frauen.“ Das war aber nicht die einzige schöne Aussicht. Prompt war nämlich der „Sehr geehrten Frau Piranty“, 60, ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt ins Haus geflattert: Statt mit 65 könne sie als Frau nun schon mit 61 in Rente gehen. Schließlich verkündete Waltraud, sie wolle jetzt wieder trainieren, um im Gewichtheben in Frauen-Wettbewerben anzutreten: „Da rechne ich mir Gewinnchancen aus.“ Der Fall Waltraud brachte die österreichische Politik ebenso in Wallung wie die Wiener Trans-Beratungsstelle „Courage“, die sich über den „dreisten Schwindel“ beschwerte. Dumm nur, dass es laut Waltraud just „Courage“ gewesen war, die sie bei ihrem „Coming Out an der Hand genommen“ und ihr den Psychiater vermittelt hatte. Die Wandlung von Walter zu Waltraud war übrigens möglich, obwohl Österreich noch gar kein „Selbstbestimmungsgesetz“ hat. Und dank Waltraud wird das wohl auch so bleiben.
Pierre Moret: Die Stoikerin
"Es ist erniedrigend, als Frau im Frauenbad abgewiesen zu werden, nur weil ich ‚zu wenig weiblich‘ aussehe“, sagt der 1,90-Meter-Mann mit dem Kaiser-Wilhelm-Schnauzbart. Und fragt empört: „Kann eine Person das Geschlecht einer anderen Person etwa einfach bestimmen?“ Natürlich nicht, weiß Pierre Moret. Vielmehr kann nur die betreffende Person selbst wissen, als was sie sich fühlt, so will es seit 1. Januar 2022 das Schweizer „Selbstbestimmungsgesetz“. Und Pierre Moret, 57, Besitzer eines Beleuchtungsgeschäfts in Zürich, fühlt sich eben als Frau. So hat er es im Januar 2025 auf dem Zivilstandsamt erklärt, 75 Franken Bearbeitungsgebühr bezahlt und war sechs Minuten später „Frau Pierre Moret“. Seinen Vornamen habe er nicht ändern wollen (und auch nicht müssen), die Beamtin habe das „super“ gefunden. Und dann: der Skandal! Als Frau Pierre im Juni an einem heißen Tag in der Zürcher Frauenbadi entspannen will, verwehrt ihr die Bademeisterin den Zutritt. „Ich lese Sie als Mann.“ Und das, obwohl im Ausweis von Pierre beim Geschlecht ein f steht. Die Diskriminierte beschwert sich bei der Gleichstellungsbeauftragten und meldet den Vorfall bei der LGBTQ-Helpline – vergebens. Darüber ist Pierre „sehr enttäuscht“. „Ich bin Teil der LGBTQ-Community und erwarte ein bisschen Unterstützung.“ Im Interview mit der Schweizer Weltwoche, die den woken Textbausteinkasten ebenso lässig beherrscht wie die Betroffene selbst („Fühlen Sie sich verletzt?“), erklärt Pierre: „Mein Sohn akzeptiert mich als Frau, nennt mich aber weiter ‚Papi‘. Für ihn bin ich derselbe Mensch. Meine Partnerin und ich leben nun als lesbisches Paar.“ Nur einmal fällt die stoische Pierre aus der Rolle und erklärt ihre Beweggründe: „Ich will den Staat mit dem Unsinn konfrontieren, den er in seinen Gesetzen festschreibt.“
Mirko Guth: Die Sympathin
"Ich glaube, ich habe keinen einzigen weiblichen Zug an mir“, sagt der Mann mit der Statur eines Kleiderschranks und den tätowierten Armen. Dennoch hatte der Sachse Mirko in der Welt angekündigt, seinen Geschlechtseintrag nach dem deutschen „Selbstbestimmungsgesetz“ in „weiblich“ ändern zu wollen. Denn: „Das ist der Paragraf, der meine Vergangenheit auslöschen wird.“ Mirko hat jahrelang im Knast gesessen: Drogen, Raub, Körperverletzung. Sein Vater sei „abgehauen“, als er fünf war, als Jugendlicher habe er „die falschen Leute kennengelernt“. Heute ist der 45-Jährige verheiratet, Vater dreier Kinder und arbeitet mit Jugendlichen, um sie von der schiefen Bahn abzubringen. Das Problem: Wegen seiner Vorstrafen kriegt Mirko weder einen Handyvertrag noch ein Netflix-Abo noch einen Führerschein. Die Lösung: das „Selbstbestimmungsgesetz“. Würde er „Martina“, wäre das ganze Vorstrafenregister weg. Wie Mirko auf die Idee kam? Weil er Workshops gab, um die Mitglieder der „Letzten Generation“ auf den Knast vorzubereiten. „Damit ich ihre Sprache verstehe“, machten die woken Klimaaktivist*innen dem Ex-Knacki eine Vokabelliste: Gendersternchen, nichtbinär, trans. So erfuhr Mirko, dass er sich per „Sprechakt“ zur Frau erklären kann. Eine Idee, die schon mehrere seiner (ex)kriminellen Kumpel hatten. Also fragte der 100-Kilo-Mann, als er im Frühjahr 2025 die Geburtsurkunde seines Kindes abholte, ob er sich als „Frau“ eintragen lassen könne. „Die Standesbeamtin hat gesagt, das wäre gar kein Problem!“ Der Weg zum „Geschlechtswechsel“ war also frei. Am Ende hat Mirko „es dann doch nicht übers Herz gebracht“. Inzwischen ist er nach Irland ausgewandert. Aber wenn es nach der Standesbeamtin gegangen wäre, dann wäre Mirko heute eine Frau ohne Vorstrafen.
Francisco: Die Soldatin
„Ich bin äußerlich ein heterosexueller Mann, aber innerlich eine lesbische Frau“, sagt der kräftige Mann mit dem Fünftagebart. Francisco Javier ist einer von 41 „Trans-Soldaten“ in der spanischen Enklave Ceuta in Nordafrika, die sich im März 2024 zu Frauen erklärten. Möglich macht das das spanische Selbstbestimmungsgesetz, das seit Februar 2023 den Wechsel des Geschlechtseintrags ohne jegliche Hürde ermöglicht. Selbst der Wechsel des Vornamens ist nicht nötig. Und so nutzten Francisco Javier, Roberto und die anderen die Chance, als selbsterklärte Frauen jene Vorteile mitzunehmen, mit denen Spanien mehr weibliche Soldaten anlocken will: 15 Prozent mehr Gehalt und eine höhere Rente. Und sie drehten das Rad noch ein Stück weiter: Mit dem vollbärtigen Juanjo als Präsidentin gründeten sie die „Asociación Trans No Normativos“ (TNN). Die nicht-normativen Trans-Soldaten sind aber nicht die einzigen, die das spanische Selbstbestimmungsgesetz weidlich ausnutzen. Beim Madrider Rettungsdienst Samur erklärten sich die Sanitäter Jesús und Antonio zu Sanitäterinnen und belästigen seitdem ihre Kolleginnen in der Umkleidekabine. Eine Beschwerde der Frauen blieb erfolglos. Die Chefs erklärten, ihnen seien aufgrund des „ley transsexual“ die Hände gebunden. Ebenso erklärten sich mehrere gewalttätige Ehemänner kurzerhand zu „Frauen“. Ihr Vorteil: Sie müssen nicht vor den speziellen Gerichten für Männergewalt (violencía machista) antreten, da sie ja offiziell keine Männer sind. Sie entgehen so den höheren Strafen. Ein Passus gegen Missbrauch ist im „ley transsexual“ nicht vorgesehen. Ganz wie im deutschen „Selbstbestimmungsgesetz“.
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