US-Wahlen: Geschlechterkrieg!

Wählerinnen jubeln über den Sieg der Demokraten im Repräsentantenhaus.
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Donald Trump hat die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Diese Schlappe haben der Präsident und seine Republikaner vor allem den Frauen zu verdanken. 55 Prozent der weiblichen Wähler stimmten gegen den bekennenden Sexisten.

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Schon bei den Präsidentschaftswahlen 2016, die Trump den Wahlsieg brachte, hatten die Medien den „größten Gender Gap“ der amerikanischen Geschichte ausgerufen. 54 Prozent der Wählerinnen hatten für Hillary Clinton gestimmt – aber nur 41 Prozent der Männer. Die wollten mehrheitlich den Macho-Man.

Diesmal, bei den „Midterms“, sprechen die Medien schon nicht mehr nur von einem „Gender Gap“, einem Geschlechter-Graben, sondern von „Gender Wars“: dem Krieg der Geschlechter.

Statt Gender Gap nun Gender War: Krieg der Geschlechter

Die Amerikanerinnen hatten die Kriegserklärung des „You can grab them by the pussy“-Präsidenten angenommen, dem Dutzende Frauen sexuelle Belästigung vorwerfen. Die Frauen machten mobil: Millionen gingen beim „Women‘s March“ auf die Straße; sie fegten mit #MeToo Hunderte sexuell gewalttätige mächtige Männer von ihren Posten.

Jüngster Höhepunkt des Geschlechterkriegs war die Ernennung des erklärten Abtreibungsgegners Brett Kavanaugh zum Richter am Supreme Court. Nachdem die Republikaner den Richter, dem mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatten, dennoch bestätigten, hatte Trump erklärt: „Dies ist eine beängstigende Zeit für junge Männer.“ Auch diesmal protestierten Frauen massenhaft gegen Trump - und mobilisierten für die Wahl.

„Die Midterm-Wahlen waren von Frauen definiert“, erklärt USA Today. „Weibliche Kandidaten, weibliche Wähler und Frauenthemen standen überall im Vordergrund.“

Denn Trump hat nicht nur die Wählerinnen mobilisiert, sondern auch Politikerinnen, die bis dato noch keine waren. 239 Frauen hatten sich zur Wahl gestellt (davon 187 für die Demokraten), viele zum ersten Mal. Bei den Wahlen 2016 waren es noch 167 gewesen. Resultat: Noch nie waren so viele Frauen im Kongress wie nach dieser Wahl: 95 von 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sind künftig Frauen. 22 von 97 Mitgliedern des Senats sind weiblich.

Mehr Frauen denn je zuvor kandidierten für das Amt als Gouverneur

Auch bei den Kandidaturen für die Gouverneurs-Wahlen brachen die Frauen einen Rekord: Für 36 zu wählende Gouverneurs-Posten stellten sich 16 Kandidatinnen zur Wahl.

Die Organisation „Emily’s List“, die für mehr Frauen in der Politik kämpft, meldet: Seit Trumps Sieg 2016 haben sich mehr als 40.000 Frauen bei ihr gemeldet, um selbst in der Politik aktiv zu werden. „Wir erleben den Beginn einer neuen Ära.“ Debbie Walsh vom „Center for American Women and Politics“ bestätigt: „Die Frauen haben begriffen: Wenn sie Kandidaten wollen, die die Anliegen vertreten, die ihnen am Herzen liegen, müssen sie selbst kandidieren.“

Das hatte schon Susan B. Anthony (1820-1906) gewusst, als sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts für das Frauenwahlrecht kämpfte, und gesagt: „Es wird niemals komplette Gleichheit geben, bis Frauen diejenigen wählen können, die die Gesetze machen – und bis sie selbst Gesetze machen können.“

Nach dem Gang zur Wahlurne traten zahlreiche Frauen den Weg zum Grab der berühmten Vorkämpferin an. Dort klebten sie ihren Aufkleber „I voted“ auf Anthonys Grab. Schwester Susan wäre zweifellos stolz gewesen, was die Amerikanerinnen bei diesen Wahlen geschafft, haben.

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Fall Kavanaugh: She said – he said

Christine Blasey Ford sagt vor dem Justizausschuss aus - Foto: Imago/MediaPunch
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Die Anhörung vor dem Justizausschuss sollte klären, was an einem Sommerabend des Jahres 1982 bei einer Party unter Jugendlichen in einem upper-class-Vorort von Washington passiert ist. Mal gefasst, mal den Tränen nahe berichtete Christine Blasey Ford, wie der von Donald Trump für den Supreme Court nominierte Brett Kavanaugh sie als 15-Jährige in ein Schlafzimmer stieß, auf das Bett warf und begrabschte. „Er versuchte, mich auszuziehen. Aber er war zu betrunken, und ich trug einen Badeanzug unter meiner Kleidung. Ich ging davon aus, dass er mich vergewaltigen wollte“, erklärte die Psychologieprofessorin 36 Jahre später. „Ich versuchte, um Hilfe zu rufen. Aber Brett legte mir die Hand auf den Mund. Das war das, was mich mein Leben lang am heftigsten verfolgt hat“, erinnerte sich die 51-Jährige. „Ich konnte kaum atmen und fürchtete, dass Brett mich aus Versehen umbringen würde.“

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Blasey Ford:
Er wollte mich
vergewaltigen

Als Blasey Ford am Donnerstag letzter Woche nach fast vier Stunden den holzgetäfelten Sitzungssaal auf dem Kapitolshügel verließ, zweifelten nicht nur viele DemokratInnen am Einzug des Republikaners Kavanaugh in den Obersten Gerichtshof.

Dann stellte sich Trumps Kandidat dem Justizausschuss des Senats. Der Jurist benahm sich aggressiv und gekränkt. „Ich mag Bier. Aber ich habe nie so viel getrunken, dass ich das Bewusstsein verlor, und ich habe nie jemanden sexuell belästigt“, schrie der inzwischen 53-jährige Brett Kavanaugh. Fragen nach Anspielungen auf den Vorfall im Jahrbuch seiner High School wich Kavanaugh aus, Details zu seinen Trinkgewohnheiten während des Studiums an der Eliteuniversität Yale umging er durch Pauschaldementis. Auf Belege, was vor 36 Jahren bei der Party geschah, warteten Justizausschuss und mehr als 20 Millionen Fernsehzuschauer vergeblich. Kavanaughs Anhörung geriet zu einer Politikposse, die mehr Fragen aufwarf als klärte.

Warum beschränkte sich das FBI auf die üblichen Backgroundchecks des Kandidaten für das Richteramt auf Lebenszeit, obwohl inzwischen neben Blasey Ford zwei weitere Frauen Missbrauchsvorwürfe gegen Trumps Favoriten erheben? Wie war ein vertraulicher Brief von Ford an Dianne Feinstein, die Grande Dame der Demokratischen Partei, an die Öffentlichkeit gelangt? Mit Rücksicht auf Mann und Söhne hatte Blasey Ford ausdrücklich gebeten, ihren Namen geheim zuhalten.

Wenn die würdelose Vorstellung auf Capitol Hill etwas Eindeutiges hergab, dann das Bewusstsein, dass Blasey Ford spätestens vor dem Justizausschuss zum Opfer wurde. „Ich bin heute nicht hier, weil ich es möchte“, erklärte die Professorin des kalifornischen Palo Alto College zu Beginn ihrer Aussage.

Kavanaughs Anhörung geriet zur Politikposse

Anschließend berichtete sie, wie die Erinnerung an Kavanaughs Übergriff vor einigen Jahren während einer Paartherapie mit ihrem Mann Russell Ford wieder hochkochte. Sie erzählte von Angst und Scham, die sie davon abhielten, sich ihren Eltern anzuvertrauen. Und sie beschrieb, wie sie im Juli durch Presseartikel über Kavanaughs mögliche Nominierung aufgeschreckt wurde: „Ich dachte, es sei meine Bürgerpflicht, die Informationen über sein Verhalten weiterzugeben.“

Blasey Ford entblößte sich vor dem Justizausschuss emotional. Der Ausschuss verzichtete darauf, Kavanaughs Freund Mark Judge, den einzigen Augenzeugen des Vorfalls, anzuhören. In einer Autobiografie hatte der trockene Alkoholiker schon vor einigen Jahren zugegeben, zu Schulzeiten im Dauerrausch gewesen zu sein.

Viele Senatoren schienen die Anhörung vor allem zu nutzen, um sich für die bevorstehenden Kongresswahlen in Stellung zu bringen. Der Republikaner Mike Crapo warf den Demokraten vor, Blasey Fords Vorwürfe wochenlang für sich behalten zu haben. Sein Parteikollege Mike Lee beschuldigte die demokratischen Senatoren offen, die Anhörung weiterer Zeugen zu verhindern. Der Versuch der Republikaner, mit Kavanaugh eine konservative Mehrheit im Supreme Court zu schaffen, geriet dabei zumindest streckenweise ebenso in Vergessenheit wie Blasey Ford.

Für die elf, ausschließlich männlichen Republikaner des Ausschusses reichte es trotzdem. Gegen ihre zehn demokratischen KollegInnen votierten sie am Freitag dafür, Kavanaughs Nominierung an den Senat weiterzuempfehlen. Nur Jeff Flake, der republikanische Senator aus Arizona, der zuvor von zwei empörten Frauen im Aufzug zur Rede gestellt worden war, scherte kurz aus. Er knüpfte seine Zustimmung an weitere Ermittlungen des FBI und erzwang damit eine Unterbrechung des Bestätigungsverfahrens.

Präsident Trump sicherte den Bundespolizisten inzwischen „freie Hand“ bei den Recherchen zu: „Sie sprechen mit jedem.“ Die Ermittlungen, so Trump am Samstag, müssten aber spätestens bis Ende dieser Woche abgeschlossen sein.

Zu der Sozialarbeiterin Deborah Ramirez, der Kavanaugh während der gemeinsamen Studienzeit an Yale den entblößten Penis entgegengestreckt haben soll, nahmen die Ermittler bereits Kontakt auf. Auch die als „dritte Frau“ bekannte Julie Swetnick wurde angeblich inzwischen vom FBI angesprochen. Die Mitarbeiterin des Finanzministeriums hatte den Supreme-Court-Kandidaten verstärkt in Bedrängnis gebracht, als sie einige Tage vor der Anhörung ebenfalls Vergewaltigungsvorwürfe erhob.

Viele vergleichen Blasey Ford schon mit
Anita Hill

In einer eidesstaatlichen Erklärung gab Swetnick an, Anfang der 80er-Jahre beobachtet zu haben, wie Kavanaugh immer wieder Mädchen bei Partys betrunken machte, um sie vergewaltigen zu lassen: „Ich erinnere mich deutlich daran, wie mehrere Jungen vor einem Zimmer Schlange standen, um bei dem Mädchen in dem Zimmer ,an die Reihe‘ zu kommen. Zu diesen Jungen zählten auch Mark Judge und Brett Kavanaugh.“

Viele AmerikanerInnen vergleichen Blasey Ford bereits mit Anita Hill. Die Juristin hatte vor fast 30 Jahren während des Bestätigungsverfahrens für den damaligen Supreme-Court-Kandidaten Clarence Thomas über sexuelle Belästigungen durch den Juristen berichtet, was unter dem Slogan „She said – he said“ in die Geschlechter-Geschichte einging. Das Ergebnis der Anhörung zählt zu den unrühmlichen Kapiteln in der Geschichte des Obersten Gerichtshofs: Als Richter des Supreme Court entscheidet Thomas bis heute über Abtreibung, Rechte von Homosexuellen und die Todesstrafe. Hill, die an der Brandeis University Sozialpolitik und Frauenforschung unterrichtet, wird dagegen immer noch von der Erinnerung an die „schmerzhafte“ Anhörung eingeholt.

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