Wangari Maathai: Stimme aller Afrikanerinnen!

Artikel teilen

Am 10. Dezember nahm die Kenianerin Wangari Maathai in Oslo den Friedensnobelpreis entgegen. Die "Mutter der Bäume" erhält ihn für ihren Kampf gegen die Wurzeln des Krieges.

Anzeige

Als Wangari Maathai die Nachricht erhielt, tat sie gerade mal wieder das, was sie seit über 30 Jahren tut: Sie verteilte Saatgut. Keinen blassen Schimmer hatte "Mama Miti", die "Mutter der Bäume", davon, dass sie seit Tagen in der engeren Auswahl aus 194 Nominierten für den Friedensnobelpreis firmierte. Und so war die stellvertretende kenianische Umweltministerin und Biologie-Professorin an diesem Morgen mit einigen Säcken voll Samen von Nairobi nach Ihururu gefahren, um die Frauen des von Dürre geplagten Dorfes höchstpersönlich bei der Anpflanzung neuer Bäume zu instruieren.
Dann klingelte in den Falten ihres afrikanischen Gewandes ihr Handy. Der norwegische Botschafter war dran. Er verkündete der 64-jährigen Wangari Maathai die "größte Überraschung ihres Lebens": Das Komitee in Oslo hatte sie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – als erste Afrikanerin überhaupt und als zwölfte Frau von 111 PreisträgerInnen seit 1901.
Und so hielt die Geehrte ihre erste Preisrede spontan vor 200 Dorfbewohnerinnen von Ihururu. Die applaudierten zunächst nur verhalten, vom Nobelpreis hatten sie noch nie gehört. Erst als Wangari Maathai den Frauen erklärte, der Preis bestehe aus "mehr Geld, als ich zählen kann", brachen sie in Freudengelächter aus. Die Nobelpreisträgerin blickte währenddessen auf den imposanten Mount Kenya, "der mir oft eine Quelle der Inspiration war. Dann habe ich geweint."
Die Entscheidung der drei Frauen und zwei Männer in Oslo überraschte nicht nur Wangari Maathai. Dabei ist die Gründerin des "Green Belt Movement" Preise gewohnt. 17 Mal wurde sie mit ihrer Grüngürtel-Bewegung ausgezeichnet, als "Woman of the Year", "Woman of the World" und 1984 mit dem alternativen Friedensnobelpreis. Ihre jüngste Auszeichnung: der "Sophie-Prize" der Stiftung von Jostein Gaarder, Autor von "Sophies Welt". Und jetzt also der Friedensnobelpreis.
Aber was in aller Welt hat Bäume pflanzen mit dem Weltfrieden zu tun? Diese Frage konnte man zwischen den Zeilen so mancher irritierter Kommentatoren lesen. Maathais afrikanische Vorgänger Kofi Annan, Nelson Mandela und Desmond Tutu – das waren richtige Politiker. Aber diese Baumfrau? Der Preis, hieß es, könne "Schaden nehmen".
"Wir haben mit dem Preis für Wangari Maathai den Friedensbegriff bewusst erweitert", erklärte der Vorsitzende des Nobel-Komitees Ole Mjøs. "Denn ohne eine intakte Umwelt gibt es keinen Frieden." Und das Gremium, das 2003 die iranische Frauenrechtlerin Shirin Ebadi ausgezeichnet hatte, erklärte auch, warum die Geehrte weit mehr ist als eine Umweltaktivistin. "Sie hat ein ganzheitliches Bild von nachhaltiger Entwicklung, das Demokratie, Menschenrechte und besonders die Rechte der Frauen einbezieht."
Es waren in der Tat die Armut und die Rechtlosigkeit der kenianischen Frauen, die die erste promovierte Afrikanerin damals auf den Umweltschutz gebracht hatten. "Als ich von den Frauen vom Land gehört habe, dass sie kein Feuerholz, kein Futter für die Tiere und kein sauberes Trinkwasser hatten, kam mir die Idee: Dann müssen eben viele Frauen viele Bäume pflanzen. Dadurch würden sie Feuerholz, Futter und Baumaterial bekommen. Außerdem könnte die Bodenerosion verhindert werden." Die ersten sieben Bäume pflanzten Wangari und eine Hand voll Frauen am 5. Juni 1977, dem Welt-Umwelttag. 27 Jahre später sind es über 30 Millionen Bäume, gepflanzt von 100.000 Frauen aus 13 Ländern.
Mit ihrer Philosophie der "Gleichwertigkeit allen Lebens auf unserem Planeten" geriet Wangari Maathai unweigerlich mit dem Regime von Präsident Daniel Arap Moi aneinander. Der korrupte Diktator verteilte riesige Waldstücke an Minister, Verwandte und Geschäftsfreunde, die lukratives Bauland daraus machten. Nur knapp zwei Prozent Kenias sind heute bewaldet, das Land wird abwechselnd von Dürre und Überschwemmungen heimgesucht.
Wangaris Zusammenstöße mit der kenianischen Polizei, bei denen sie meist einen Baumsetzling in der Hand hielt, sind legendär. Sie landete mehrfach im Gefängnis und einmal bewusstlos im Krankenhaus. Der Staatschef nannte sie nur noch "die Verrückte".
Maathais Ehemann ließ sich 1986 von seiner renitenten Frau, mittlerweile Vorsitzende des Dachverbandes der kenianischen Frauenverbände, scheiden. "Sie war einfach zu viel", erklärte er. "Zu gebildet, zu starrköpfig, zu mächtig und zu erfolgreich". Arap Moi machte aus der Scheidung ein öffentliches, im Parlament debattiertes Tribunal, aus der die Mutter dreier Kinder schwer angeschlagen hervorging. Dennoch kandidierte sie 1997 bei der Präsidentschaftswahl. Als das Regime im Jahr 2002 erdrutschartig abgewählt wurde, machte der neue Präsident Kwai Kibaki sie nur zur stellvertretenden Umweltministerin. Darüber war Wangari Maathai "erbittert", zumal sich Kibaki als ähnlich korrupt herausstellte wie sein Vorgänger. Wenige Tage vor der Nachricht aus Oslo habe sie "ernsthaft über ihren Rückzug aus der Politik nachgedacht", gestand sie. Dann kam der Friedensnobelpreis.
"Im Namen aller afrikanischen Frauen" dankte Wangari Maathai für "diese Ehrung, die helfen wird, die kenianischen Frauen, die afrikanischen Frauen und die Frauen in aller Welt zu ermutigen, ihre Stimmen zu erheben." Mama Mitis erste Amtshandlung nach der unglaublichen Nachricht an diesem Morgen in Ihururu: Sie fuhr zum Mount Kenya – und pflanzte einen Baum.

Artikel teilen
 
Zur Startseite